LANDESVERRAT: DER FALL DES 1944 IN DER SCHWEIZ
HINGERICHTETEN ALFRED QUADERER / PETER GEIGER
gen Effekten mitgegeben, im kargen Verzeichnis
ist neben Pass, Ausländerausweis, Kleidungsstü-
cken, Schreibzeug und anderen kleinen Utensilien
mit Bleistiftschrift angefügt: «1 Testament». Quade-
rer und Roos verbrachten die letzte Nacht und den
letzten Tag, an dem in Bern über ihr Leben ent-
schieden wurde, in Zellen der Zürcher Kantons-
polizei.
Die Hinrichtung geschah am Mittwoch, 7. Juni,
abends um acht Uhr, wohl in einem Wald —- es hiess
auch, in einer Kiesgrube —-, offenbar in der Umge-
bung der Stadt Zürich; der Todesschein ist vom
Zivilstandsamt der Stadt Zürich ausgestellt worden
und nennt «Zürich» als Todesort. Quaderer und
Roos wurden miteinander exekutiert. Die Hinrich
t(ungsprotokolle zu Quaderer und Roos sind im
Bundesarchiv zur Zeit (1999) zwar nicht auffind-
bar. Doch das Procedere war durch bundesrät-
liche Verordnung im Detail reglementiert. Zwei
durch Noll publizierte Protokolle anderer Hinrich-
tungen sowie Meienbergs Recherchen zur Er-
schiessung des Landesverräters Ernst Schrämli
bestätigen, dass durchwegs genau nach Reglement
verfahren wurde. Daher wissen wir, wie sich auch
die Hinrichtung von Quaderer und Roos abgespielt
haben muss.
Anwesend mussten gemäss Verordnung Sein:
Der Regimentskommandant, hier Oberst Thomann
vom Gebirgsinfanterie-Regiment 37; ein Polizeioffi-
zier des Vollzugskantons, hier von Zürich; dann
vom Territorialgericht 3b, welches das Urteil gefällt
hatte, der vorsitzende Grossrichter, hier Oberst-
leutnant Hans Roth von Zürich, der Auditor (An-
kläger), hier Major Paul Popp von St. Gallen, der
Gerichtsschreiber, hier Hauptmann Ernst Matter
von Münchenstein, und der Pflichtverteidiger, hier
Dr. Rolf Zollikofer; dazu das mit Camion heran-
geführte Erschiessungskommando, nämlich ein
Offizier mit 20 Unteroffizieren und Soldaten des
Gebirgsinfanterie-Regiments 37, wohl aus der
Stabskompanie 48, in der Roos Aktivdienst geleis-
tet hatte; ein Offizier der Heerespolizei mit zwei
(hier sicher vier) Heerespolizisten; zwei Militär-
ärzte; ein Geistlicher. Nachdem alles bereit stand,
brachten die Heerespolizisten die abseits gehal-
tenen Verurteilten herbei, verbanden ihnen die
Augen, fesselten sie an Stämme oder Pfähle, der
arossrichter verlas die Urteilsdispositive samt
Rechtskraft- und Vollzugsvermerken, stellte durch
Befragen der Verurteilten nochmals deren Identität
fest, ermächtigte darauf den Regimentskomman-
Janten, die Hinrichtung durch Erschiessen vorneh-
men zu lassen, der Feldprediger leistete letzten
Zuspruch, der Regimentskommandant gab gemäss
lem in seinen Händen liegenden schriftlichen
Vollstreckungsbefehl des Eidgenössischen Militär-
lepartements vom selben Tage den Befehl zum
Erschiessen an den Offizier des Pelotons, dieser
erteilte das Kommando an die 20 Mann, die bis da-
nin in einer Reihe, jeder eine scharfe Patrone im
Karabiner, mit dem Rücken zu den Verurteilten ge-
wartet hatten, sich nun exakt nach den Befehlen
umdrehten, anlegten, auf das Kommando «Feuer»
gleichzeitig schossen, 20 Schüsse in einem, auf die
Herzgegend, hier verteilt auf die zwei Opfer, diese
sanken in die Stricke, das Erschiessungskomman-
do marschierte sogleich ab, selber stumm, die zwei
Ärzte stellten den Tod fest - wäre er nicht eingetre-
ten, hätte der Pelotonoffizier noch mit der Pistole
den Todesschuss vornehmen müssen —, die Ärzte
geurkundeten den Tod, der Kommandant erklärte
die Vollstreckung des Urteils für beendet und ent-
liess die Urkundspersonen.
Das Ganze dauerte vom Eintreffen auf dem
Richtplatz bis zur Exekution knapp dreissig Minu-
‚en, für die Verurteilten vom Heranführen bis zum
Fod etwa zehn Minuten. Für Alfred Quaderer wie
tür Kurt Roos ist in den Akten im Bundesarchiv und
nn Zürich die exakte Vollstreckungszeit vermerkt:
«20 Uhr 12».
Quaderer und Roos haben sich im Unterschied
zu manchen anderen zuletzt keineswegs gefasst
verhalten. Dies wissen wir aus der Aussage eines
bei ihrer Hinrichtung Anwesenden. Sein Zeugnis
ist öffentlich überliefert, wenn auch etwas ver-
schlüsselt, nämlich bei Niklaus Meienberg. Dieser
befragte 1974 Dr. Rolf Zollikofer zu «Ernst S5.»,
dem ersten hingerichteten Landesverräter Ernst
Schrämli. Zollikofer hatte Schrämli ebenfalls amt-
.ich verteidigt und dessen Exekution beigewohnt.
‚Z9