Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1995) (93)

F: Und der Spinner oder Spinnmeister? A: Die haben es auch dort gelernt. Die meisten von ihnen sind auch gleich nach der Schule zu Jenny & Spoerry. Sie waren zuerst quasi dem Spinner Handlanger. ... Schlos- ser und Schreiner waren Gelernte. F: Wieviele der Arbeiterinnen waren Liechtensteinerin- nen, wieviele Ausländerinnen? A: Die meisten waren Liechtensteinerinnen. F: Arbeitsklima? Seid Ihr kontrolliert worden? A: Ja, da war der Spinnmeister, der hat immer geschaut, was man tut und ob man arbeitet. Und wenn etwas kaputt war an der Maschine, musste man ihn rufen und er flickte es. ... Schwatzen sollte man nicht! Man hatte auch gar keine Zeit, man musste immer schauen, dass alles richtig funktioniert. ... Wenn es zu wenig «Löck» [Spule am Vor- spinnstuhl] gehabt hat, dann wollten alle von diesen «Löck», damit sie ihre Maschinen laufen lassen konnten, damit sie nicht abstellen mussten, denn sonst ist es kein Akkord mehr. ... Jeder musste schauen, dass die Ma- schine läuft. F: Habt Ihr untereinander über die Arbeitsbedingungen geredet? A: Nicht gerade viel. Manchmal schon, wenn sie einen ge- plagt haben - wegen den «Löck», dann hat man es einan- der erzählt. ... Es hat halt immer solche gegeben, die den anderen die «Löck» weggenommen haben, damit sie nicht mehr laufen lassen konnten. F: Dann brachte das Akkordarbeiten ziemlich Unfrieden? A: Ja, manchmal schon. F: War das Arbeitsklima bei den Aufsteckerinnen besser? A: Ja, da hat man sich nicht viel umeinander gekümmert. Halt auch vom Morgen bis zum Abend gearbeitet. F: Habt Ihr Euch nie gemeinsam gegen schlechte Arbeits- bedingungen gewehrt? A: Damals hat kein Arbeiterverband existiert, da konnte man nicht reklamieren. Das hat man sich nicht getraut. F: Es hat ab 1920 einen Arbeiterverband gegeben... A: Die «Fabriggler» waren damals noch nicht dabei, erst viel später ist man dazu gegangen. F: Beim Eintritt in die Fabrik, also 1926, hast Du nichts vom Arbeiterverband gewusst? A: Damals habe ich noch nichts vom Arbeiterverband ge- wusst, dort gab es nur Männer. F: War es Dir nicht bewusst, dass auch Frauen dem Arbeiterverband beitreten konnten? A: Später bekam man schon einen Zettel, dass man bei- treten kann. Ungefähr 1936/37 oder später. Ich war auf alle Fälle nicht lange dabei. 1944 bin ich wieder ausge- treten - nein, erst 1946. F: Haben Männer und Frauen dieselbe Arbeit verrichtet? A: Es hat schon Männer gegeben, die das gleiche gemacht haben. Und ein Teil der Frauen war beim Vor- werk. Männer hat es nur auf den «Carden» gegeben, beim Vorwerk und im hinteren Saal. ... Aufgesteckt haben nur 
Mädchen. Spinner waren nur Männer, hauptsächlich Le- dige. An den Ringspinnmaschinen waren nur Frauen. Zuerst musste man zirka zwei Monate lang lernen - man wurde von einer Frau eingeführt, einer Arbeiterin. Sobald man es richtig konnte, bekam man alleine eine Maschine, oder schon zwei. F: Waren alles unverheiratete Frauen an diesen Ring- spinnmaschinen? A: Es gab auch verheiratete Frauen - ungefähr die Hälfte. F: Haben Männer mehr verdient als Frauen? A: Ja, die haben schon mehr gehabt - sonst hätten sie ja keine Familie unterhalten können. F: Haben sich die Arbeitsbedingungen in den dreissiger Jahren verschlechtert? Z.B. Lohnkürzungen? A: Nein... (kann sich nicht daran erinnern, dass Jenny, Spoerry & Cie, Vaduz, 1933 die Löhne um 12 Prozent ge- kürzt haben). F: Arbeitszeitveränderungen in dieser Zeit? A: Ja, Arbeitszeitverkürzung. Wir haben nur noch bis Freitagmittag gearbeitet, Freitagnachmittag und Sams- tagmorgen nicht mehr. F: Wann genau kam es zu dieser Arbeitszeitverkürzung? A: Vor dem Krieg. Da haben wir auch die ersten Ferien bekommen. 1938/39 acht Tage Ferien. Das erste Mal ha- ben wir während dieser Zeit keinen Ersatzlohn bekom- men, das nächste Mal 40 Franken. F: Lohn in anderen Fabriken? Z.B. in der Ramco AG? A: In der Ramco AG haben sie noch weniger gehabt. P. hat nur 28 Rappen gehabt als Anfangslohn. F: Situation in den dreissiger Jahren bei Dir zuhause? Haben alle Arbeit gehabt? A: Ja, alle. Der Jüngste hat eine Schreinerlehre gemacht. Für den musste ich verdienen, weil sonst niemand zu Hause war zum Verdienen. (Die anderen waren verheira- tet). Damit alle zu essen hatten. ... Mein Vater ist 1935 gestorben. F: Hat Deine Mutter die Landwirtschaft dann alleine weitergeführt? A: Nein, dann haben wir das Vieh verkauft und meine Mutter ist anderen Leuten helfen gegangen, z.B. zum Metzger. F: Hat sie Lohn bekommen? A: Nein, aber manchmal Fleisch. F: Hast Du den Lohn zuhause abgegeben? A: Ja, alles. Die ersten zwei Jahre habe ich nicht einmal Taschengeld bekommen. Später hat mir dann meine Mut- ter 5 Franken pro Zahltag gegeben, wenn sie es konnte - auch nicht immer. Dann ist sie wieder gekommen und hat mich gefragt, ob ich ihr ein paar Franken geben könne. Ich habe dann für die Aussteuer gespart. Wir mussten ja die Wäsche selber zusammensparen. Da hat man kein Vergnügen gehabt. Dafür hat man kein Geld gebraucht und Kleider hat man selber gemacht. Am Abend habe ich immer gehäkelt oder gestrickt. Später dann für die Kinder 114
	        

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