Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1992) (91)

Dr. Marxer den Benderer Pfarrer Franz Xaver Häusle.152 Pfarrer Häusle, dem die Alternativbe- stimmung natürlich besser zusagte, unternahm nichts und liess die Zeit verstreichen. Ein Jahr vor Ablauf der Zehnjahresfrist gelangte dann der Ge- meinderat von Gamprin mit dem Ersuchen1-" an den Landtag, sich der Sache anzunehmen und «die menschenfreundlichen Absichten des Testators zu realisieren». Die Finanzkommission nahm die An- gelegenheit sofort in Beratung und legte ihren Be- richt am 15. Sept. 1894 dem Landtagsplenum vor.154 Die Finanzkommission - Dr. Schlegel gehörte ihr nicht an - beschloss einstimmig, dem Landtag zu beantragen: «... die Waisenanstalt in Bendern mit Landesmitteln zu unterstützen unter der Vor- aussetzung, dass sie den Charakter einer Landes- waisenanstalt erhält.» In dem Bericht der Finanz- kommission wird u.a. ausgeführt: «Was aber die Verstellung der Kinder im Absteigerungswege (in Balzers per Stück und per Tag 10 Kreuzer!!) be- trifft, ist kaum ein Wort darüber nötig, denn das unwürdige und armselige dieses Vorganges Findet eine Entschuldigung nur in dem Mangel einer Wai- senanstalt und in der Armut, in der sich manche Gemeinden befinden.» Doch Landesverweser von Stellwag lehnte eine Landesbeteiligung an einem Waisenhaus rundweg ab,155 und das Protokoll156 hält fest: «Abg. Dr. Schle- gel ist aus finanziellen Gründen der gleichen An- sicht wie der Hr. Regierungschef...» Dr. Schlegel legt dann einen Gegenantrag vor mit folgendem In- halt: «... Der Landtag verwirft das Projekt der Er- richtung einer Landeswaisenanstalt, ersucht dage- gen die Fürstl. Regierung, eine Verordnung zu er- lassen, wonach das Versteigern der Verpflegung von Kindern, welche der elterlichen Fürsorge ent- behren, untersagt, dafür aber deren Unterbringung in vertrauenswürdigen und ordentlichen Haushal- tungen verfügt wird. Dafür bewilligt der Landtag für jedes Kind . . . eine Jahressubvention von bis zu 100 fl für die Pflegeeltern . . .» Dieser Antrag Dr. Schlegels unterlag mit 8:6 Stimmen. Man muss so- wohl dem Antrag der Finanzkommission als auch dem Gegenantrag Dr. Wilhelm Schlegels zubilligen, dass beide «die Verstellung der Kinder auf dem Ab-steigerungswege» 
verbieten wollten. Es wäre daher falsch, nur dem einen oder nur dem anderen Teil den Willen zur Abschaffung der «Kinderversteige- rung» zu konzedieren, wie dies gelegentlich ge- schieht. Das Waisenhaus wurde dann nicht gebaut, da die Regierung die Konzession dazu verweigerte. Das Legat Dr. Peter Marxers ging an den Kirchenbau in Ruggell und an die Benderer Pfründe. KRÄFTEMESSEN VON STELLWAG - LANDTAG Doch die Landtagsdebatte um das Waisenhaus vom 15. Sept. 1894 sollte noch weitere Folgen haben. Es war seit vielen Jahren üblich gewesen, dass das Landtagsbüro bzw. der Präsident über die abgelau- fenen Sitzungen einen Bericht zur Veröffentlichung in der Zeitung abfasste. Dieser Bericht wurde je- weils dem Regierungschef zugeschickt, welcher ihn, sofern er nichts zu beanstanden hatte, an die Zeitungsredaktion weiterleitete. Hatte der Regie- rungschef Änderungswünsche, so wurden diese einvernehmlich in den Bericht eingearbeitet. Am 21. Sept. 1894 erschien nun im «Liechtensteiner Volksblatt» ein Bericht über die Waisenhausdebatte im Landtag, der in Form und Inhalt ganz wesent- lich vom Bericht des Landtagspräsidenten abwich und mit «das Landtagsbüro» unterzeichnet war. Weder der Landtagspräsident noch eines der Büro- mitglieder waren vor dem Erscheinen jener Zei- tungsnummer über die Abänderungen des Landes- verwesers unterrichtet worden. Die Veröffentli- chung einer Richtigstellung durch den Präsidenten wurde der Redaktion verboten mit der Begrün- dung, dass allein die Regierung zur Veröffentli- chung von offiziellen Landtagsberichten befugt sei.157 Die Situation war gespannt, doch von Stellwag wollte es offenbar auf eine Zerreissprobe ankom- men lassen. Den Anlass dazu bot ihm eine Peti- tion,158 welche die Gemeinden Vaduz und Schaan am 16. November 1894 an den Landesausschuss gerichtet hatten. Darin wurde auf dringend not- wendige Wuhrarbeiten zwischen Vaduz und Trie- 200
	        

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