Gerne möchten wir also glauben, dass Vaduz und sein
Wein untrennbar miteinander verbunden sind.
Schliesslich können die beiden ja auch auf einen lan-
gen, gemeinsam gegangenen Weg zurückblicken. Zu-
mindest schreibt Edwin Nutt in seinem Buch “Us ver-
gangna Zita”: “D’Vadozner heiend iri Törkel lang vor
dr erschta Kircha baut!” (Anderi Wingert und Törkel
z Vadoz. Nutt 1983, S. 17). Und das Wissen um die Ein-
zigartigkeit dieser Symbiose beschränkt sich nicht nur
auf uns Einheimische alleine, sondern es verbreitete
sich nach und nach auch über die Gemeinde- und die
Landesgrenzen hinaus. Doch davon später mehr. Vor-
erst soll es darum gehen, die Arbeit der Winzer und
das Wachsen des Weines mitzuverfolgen.
Ganz früah im Johr,
wenns grüant und triüibt
schtohnt d’Winzer scho am Rebahang
di kalta Löft und d’Riifa gär
di machen allna ghörig bang. . .
(Winzerleba. Nutt 1990, 5.109)
Was Edwin Nutt in diesem Lied beschreibt, ist leider
der einzige gefundene Text, der sich auf die intensive
und vielfältige Arbeit im Wingert in der Zeit zwischen
dem Schneiden im Frühling und dem Verhängen der
Reben im Herbst bezieht. So wie der Weinberg dem
Anschein nach den Sommer über ruht, so scheint
auch des Weinbesingers Feder während dieser Zeit zu
schweigen. Ob es an der oftmals unangenehmen Ar-
beit liegt? Sei’s drum. Kommt der Herbst und mit
ihm die Aussicht auf einen guten Tropfen, da melden
sich auch schon die Dichter und Sänger zurück.
In einem Brief an die Gemeinde Vaduz vom Sep-
tember 1989 beschrieb der allzu früh verstorbene Urs
Rheinberger das Treiben, das der Weinlese, dem
“Wimmla”, vorangeht:
G’ehrti Herra,
hirbschtlig und ros vertraut dr Too,
wenn dr Trubahirt sin Schoss hät loo.
O Nanas Pfannadeckel hät ma eppa ghört
was d’Vögl hät bim Trubafrässa gschtört.
Met Papier und Polver hät ma gschossa,
alli Wingerttörli fescht verschlossa,
kän Fuass i d’Wingert hät ma gsetzt,
grad a so hät’s wella s’Gsetz.
Und ischt ma trotz Verbot gi Truba hola
bi Nacht und Näbel hät ma’s gschtola.
Verbei dia schöna Zita —
höt härrschen andrı Sitta:
Vogelnetzer tuat ma schpanna,
allı Vögel so verbanna.
Und söt än trotzdem ihiflüga
— dia keiba Netzer, dia kond trüga —
dr Vogel verschtreckt sich denn a soo.
elend wörd am s’Läba gno.
Drum jeda Morga um dia Netz schpaziara,
d’Netz uf Schnabel und Igel kontroliara,
das ischt höt am Winzer sini Ufgab
bis zom Wimmla — am schönschta Tag.
Im Programm zum 1. Liechtensteinischen Winzer-
fest, welches am 18. Oktober 1925 in Vaduz durchge-
führt worden war, finden sich auf den letzten Seiten
drei auf den Herbst und den Wein bezogene Texte
aus der Hand von Karl Josef Minst. Im dritten Text, in
Herbst und Liebe, heisst es in der fünften Strophe:
Nun färbt sich die reifende Traube,
Die Kelter erwartet den Wein,
Auf herbstlich vergilbenden Blättern
Spielt heimlich der Sonnenschein.
In Herbst und Wein, dem zweiten Text, wird noch ein-
mal an den Frühling zurückerinnert:
Ihr mögt den Lenz, den jungen loben
Wenn die Natur mit Blüten prahlt —
Der Herbst, von Poesie umwoben,
Das Laub des Weines goldig malt
Der Frühling ist ja nur ein Knabe,
In dem das Leben spielend sprüht.
Im Herbst ich das gefunden habe,
Was schäumend durch die Pulse glüht