Besonderheiten des liechtensteinischen Eherechts
fahrt vorzubeugen. Da mehrfach versucht wurde, diese Anordnung
durch Eheschliessungen im Ausland zu umgehen, wurde deren Ungül-
tigkeit verordnet. Mit Gesetz vom 16. September 1875 wurden die
strengen Bestimmungen zwar etwas gelockert,’® zur ginzlichen Ab-
schaffung des politischen Ehekonsenses konnte sich der Landtag jedoch
nicht durchringen.
Mit der Rezeption des österreichischen ABGB 1812 trat in Liech-
tenstein erstmals ein vollständiges staatliches Eherecht in Kraft. Dessen
Einführung stellte allerdings keinen so gravierenden Bruch mit der bis-
herigen Tradition dar, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, denn es
handelte sich dabei zwar formell um staatliches Recht, materiell aber um
konfessionelles Recht. Der Staat übte somit zwar die Eheherrschaft aus,
orientierte sich bei der Ehegesetzgebung aber am kirchlichen Recht,
sodass das Eherecht inhaltliche Übereinstimmungen aufwies. Dies etwa
insofern, als das ABGB für Katholiken den Grundsatz von der absolu-
ten Unauflöslichkeit der Ehe normierte, das heisst, eine Katholikenehe
war dem Bande nach unauflöslich und konnte nur durch den Tod ($ 111
ABGB) oder durch eine rechtskräftige Todeserklärung ($$ 112-114
ABGB) aufgelöst werden. Das galt auch dann, wenn bei der Eheschlies-
sung nur ein Ehegatte katholisch war. Für diese bot die Einrichtung der
Scheidung von Tisch und Bett unter Aufrechterhaltung des Ehebandes
die Möglichkeit zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft und
damit den einzigen Ausweg aus dem Dogma der Unauflöslichkeit der
Ehe.' Mit der Weiterentwicklung des kirchlichen Eherechts, vor allem
durch den Codex Iuris Canonici von 1917, ging die weitgehende Über-
einstimmung zwischen dem kanonischen Recht und dem Eherecht des
ABGB verloren, was in der Folge zu nicht unerheblichen Divergenzen
führte.!” Gravierende Unterschiede gab es zum Beispiel bei der Auflö-
14 Fürstliche Verordnung vom 15. Juli 1841 betreffend Ungültigkeit von Ehen ohne
staatlichen Ehekonsens. Siehe LI LA, SgRV 1841/1, online: www.e-archiv.li/D44738
(26. April 2017).
15 LGBL. 1875 Nr. 4. Die Verehelichungslizenz sollte nur noch jenen minnlichen Lan-
desangehérigen vorenthalten bleiben, die eine Armenunterstiitzung erhalten und
nicht zuriickvergiitet hatten, sowie notorischen Verschwendern und schlechten
Haushaltern.
16 ~~ Arnold, Eherecht, S. 169-172.
17 Holbéck, Eherecht, S. 118-128; Arnold, Eherecht, S. 28-110.
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