Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Besonderheiten des liechtensteinischen Eherechts 
knapp mehr als 160 Jahre lang, beim «altösterreichischen Eherecht» des 
ABGB. Dieses Beharrungsvermögen, das sich sowohl aus der konserva- 
tiven Grundhaltung der Bevölkerung, der Parteien und des Fürstenhau- 
ses als auch aus der Dominanz des Katholizismus in Liechtenstein 
erklärt, veranlasste Franz Gschnitzer 1955 zu dem Befund, dass sich in 
Liechtenstein ein «anderwärts verdrängter Rechtszustand» finde, bei dem 
man beobachten könne, «wie er sich auf kleinstem Gebiet behauptet». 
Das zunehmend veraltete und den gesellschaftlichen Gegebenhei- 
ten immer weniger gerecht werdende liechtensteinische Eherecht provo- 
zierte regelmässig Forderungen nach einer umfassenden oder zumindest 
partiellen Revision.? So war beispielsweise im Rahmen der Beratungen 
über die Verfassung von 1921 die Forderung nach der Einführung der 
Zivilehe erhoben worden. Im Zuge der zu Beginn der 1920er-Jahre ini- 
tiierten Zivilrechtsreform war auch die Schaffung eines neuen Familien- 
rechts nach dem Vorbild des ZGB geplant gewesen,** dessen Verwirkli- 
chung allerdings gravierende Änderungen im liechtensteinischen Ehe- 
recht erforderlich gemacht hätte, welche zweifelsohne auf Widerstand 
gestossen wären. So war es auch bei den vom liechtensteinischen Gesetz- 
geber in den 1940er-Jahren betriebenen Plänen zur Einführung der Not- 
zivilehe,? die vor allem an der Ablehnung der Kirche scheiterten. Re- 
formpläne wurden auch in der in den 1950er-Jahren eingesetzten «Kom- 
mission zur Ausarbeitung eines Rechtsbuches des geltenden Rechts» 
gewälzt. Insbesondere der in Liechtenstein nach wie vor in Geltung ste- 
hende politische Ehekonsens stellte längst «eine Kuriosität» dar. Dessen 
praktische Umsetzung bestand zu dieser Zeit darin, dass dem Ehewerber 
auf sein Ansuchen hin ein Formular ausgestellt wurde, in dem die Regie- 
rung bestätigte, dass gegen die Eheschliessung nichts einzuwenden sei. 
Wenn für Eheschliessungen im Ausland die Vorlage eines Ehefähigkeits- 
zeugnisses verlangt wurde, so wurde indirekt auch dem Erfordernis des 
  
22 Gschnitzer, Eherecht, S. 278-279. 
23 Wille, Staat und Kirche, S. 226-234; Wille, Ehe-, Zivilstands- und Biirgerrecht, 
S. 9-10. 
24 Siche § 12 Abs. 1 Schlussabteilung des PGR, LGBL 1926 Nr. 4. 
25 Siche die Gesetzentwiirfe betreffend die Notzivilehe von 1943 und 1948 (abge- 
druckt bei Wille, Staat und Kirche, S. 453-455, 459-462), die sich im Wesentli- 
chen an den österreichischen Vorschriften orientierten. Wille, Staat und Kirche, 
S. 249-251. 
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