Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein vor der Abstimmung über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum

Schlüsselfragen des EWR 
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gleich. Deshalb sei Liechtenstein gezwungen, den grenzüberschreitenden Dienst- 
leistungsverkehr der Anwälte Anforderungen zu unterwerfen, die für die Niederlassung 
gelten '°°, Die Argumentation ist verständlich, verstösst aber möglicherweise gegen 
das Europarecht. Nach Art. 36 Abs. 3 EWRA bedeutet die Dienstleistungsfreiheit im 
Gemeinschaftsrecht die Freiheit, in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der 
Dienstleistende seinen Sitz hat, seinen Beruf vorübergehend auszuüben. Be- 
schränkungen der Freiheit der Berufsausübung sind nur zulässig, wenn sie im 
Allgemeininteresse erforderlich sind und wenn der Schutzzweck der jeweiligen Norm 
nicht bereits durch Bestimmungen des Heimatstaates erfüllt wird (Beschränkungsver- 
bot mit Verhältnismässigkeitskontrolle). Ob die Grösse des Landes einen Grund zur 
Rechtfertigung der liechtensteinischen Regelung darstellt, ist offen. Für den von 
Liechtenstein befürchteten Fall, dass EWR-ausländische Rechtsanwälte im grossen 
Stil vom Ausland aus in Liechtenstein tätig werden könnten, hält das Europarecht eine 
andere Lösung bereit. Wenn ein Dienstleistungserbringer den Schwerpunkt seiner 
Tätigkeit auf grenzüberschreitende Dienstleistungen verlegt und in seinem Sitzstaat 
nur in untergeordnetem Umfang tätig ist, so liegt eine Umgehung der Vorschriften über 
die Niederlassung vor. In diesem Fall kann ihn der Aufnahmestaat (ex post) den 
Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit unterwerfen !°, 
Angehörige von Berufen, die den in Art. 2 Treuhändergesetz genannten Tätigkeiten 
entsprechen, müssen vor Beginn ihrer Tätigkeit eine Eignungsprüfung ablegen. Ob die 
Massnahme im Blick auf die Besonderheiten der Berufsgruppe der Treuhänder 
sachlich gerechtfertigt werden kann, ist auch hier offen. 
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Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag zum Gesetz über die 
Rechtsanwälte, Nr. 114/1992. 64 f. 
EuGH Sig. 1986, 3755 "Versicherungsfall”.
	        

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