Volltext: Liechtenstein in Europa

Welches ist nun der Zusammenhang zwischen Demokratie und klein­ staatlicher Existenz? Die Demokratie — die schwierigste aller Staats­ formen — kann auch im Kleinstaat scheitern. Und doch kann gezeigt werden, dass der engere Kreis — und der Aufbau der umfassenderen Ordnung von den engeren Kreisen her — hier weit grössere Möglich­ keiten der Verwirklichung bietet. Das gilt in ganz besonderer Weise für die weitgetriebene «reine» oder «direkte» Demokratie, wie wir sie in den amerikanischen Gliedstaaten25 und vor allem in den schwei­ zerischen Kantonen und Gemeinden haben. Man hat — um die Un­ möglichkeit der Demokratie darzutun! — gelegentlich behauptet, in der Demokratie müsste eigentlich jeder Bürger ein Universal-Sach­ verständiger sein. Wenn diese Voraussetzung zutreffen würde, dann allerdings müsste man mit Rousseau feststellen: «Wenn es ein Volk von Göttern gäbe, würde es sich demokratisch regieren. Eine so voll­ kommene Regierung aber passt nicht für Menschen» (Contrat social III/4 a. E.). Aber auch dann, wenn wir die Anforderungen an die Stimmbürger — im Blick auf die reale Welt — nicht so hoch schrau­ ben, muss man doch gewisse Voraussetzungen festhalten, ohne die demokratische Ordnung einfach nicht mehr sinnvoll ist. Und eben hier wird der Zusammenhang zwischen Demokratie und kleinstaat­ licher Existenz besonders deutlich: Nur der engere Kreis gewährt dem Bürger jene Kenntnis und jenen Uberblick über die Verhältnisse, die es ihm erlauben, sich bei Sach­ abstimmungen auf Grund eines selbständigen — oder bescheidener: eines einigermassen selbständigen — Urteils dafür oder dagegen zu entscheiden. Das Volk entscheidet in der Schweiz im Wege des Refe­ rendums nicht nur über gewöhnliche Gesetze, Dekrete, sondern auch über gewisse Staatsverträge, in Kanton und Gemeinde z. T. sogar über einzelne Bauten, grössere Kredite, ja sogar über das Budget und den Steuerfuss! Nur der engere Kreis vermittelt dem Bürger auch jene Kenntnis der Personen, die es ihm ermöglicht, bei Volkswahlen 
so zu wählen, dass das Ausfüllen der Wahlzettel nicht einfach eine Schreibübung nach Vorlage bedeutet. Denn nur das ist eine sinnvolle Volkswahl, wo die Mehrheit der Stimmenden noch auf Grund einer einigermassen per­ 25 Walter Haller, Die Beanspruchung des amerikanischen Stimmbürgers, Schriften zur Auslandsforschung des Schweiz. Institutes für Auslandsforschung, Bd. III, 1970. 27
	        

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