Volltext: Liechtenstein und die Revolution 1848

Das genossenschaftliche Element 
Neben dem Herrschaftsgedanken war der alte Genossenschaftsgedanke im- 
mer lebendig geblieben. Immer noch lagen um die Dörfer weit ausgedehnte 
«Gemeinheiten». Teile des Gemeinbesitzes waren seit dem 16. Jahrhundert 
zunächst in den Nutzen, dann ins Eigentum der Gemeindsleute aufgeteilt 
worden. Auf diesem Boden haftete das Trattrecht, Diese wohl bedeutendste 
Grundlast bestimmte die Wirtschaftsform in der Landwirtschaft am stärk- 
sten. Sie schränkte das Eigentum ein und verhinderte eine rationelle Wirtschafts- 
weise, war doch dieser Boden im Frühjahr und Herbst für den allgemei- 
nen Viehtrieb der Gemeindsleute offen zu halten. Die Obrigkeit und ein Teil 
der Bevölkerung drängte auf die völlige Aufteilung des Gemeinbesitzes. Die 
Obrigkeit wollte zur Hebung der landwirtschaftlichen Kultur alles, was auf 
die freie wirtschaftliche Tätigkeit des einzelnen hemmend und einschrän- 
kend wirken könnte, aus dem Weg räumen. Die Ideen der Physiokraten und 
Adam Smiths übten hier entscheidenden Einfluss aus. Die grosse Mehrheit 
der Gemeindsleute stellte sich aber vehement gegen weitere Teilungen, ins- 
besondere gegen die völlige Auflösung des Gemeinbesitzes. 
Grundentlastung und Bauernbefreiung 
Alle Reformmassnahmen, die auf eine Umwandlung der althergebrachten 
Agrarverfassung im Sinne der neuen liberalen Idee zielten, werden mit dem 
Begriff «Bauernbefreiung» umschrieben. In ihrem Mittelpunkt standen die 
Auflösung der bisherigen grundherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, die Auf- 
hebung der leibherrlichen Bindungen und die Ablösung der Zehntrechte, 
Aber nicht nur der mittelalterliche Herrschaftsgedanke musste den neuen 
Vorstellungen einer Staats- und Gesellschaftsordnung weichen. Die neue 
Freiheitsidee schloss sowohl Herrschaft als auch Einordnung in eine Ge- 
nossenschaft aus. «Bauernbefreiung» umschreibt also nicht einfach eine 
besondere agrarpolitische Massnahme, sondern eine Umformung der gesam- 
ten gesellschaftlichen Struktur. 
Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch Verordnung vom 19. November 1808 
und durch das Freizügigkeitspatent vom 22. Juni 1810 ist der erste obrig- 
keitliche Schritt zu einer allgemeinen Bauernbefreiung in Liechtenstein.
	        

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