Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
INLAND Mittwoch, 27. März 2002 
3 Bankengesetz soll abgeändert werden Nach Disput mit ESA - Klage vor EFTA-Gerichtshof soll vermieden werden Es ist ein Disput um juristische Details, der beinahe zu einem handfesten internationalen Streit ausgeartet wäre. Jetzt zieht die Regierung die Not­ bremse und legt dem Landtag einen Antrag zur Abänderung eines umstrittenen Artikels des Bankengesetzes vor. Wolfyang Zechne r Das Streitobjekt trägt den etwas sper­ rigen Namen «Artikel 16, Absatz 3, Satz 3 des Liechtensteinischen Ban­ kengesetzes». Darin glaubt die ESA, die EFTA-Überwachungsbehörde, einen Verstoss gegen geltendes EWR-Recht entdeckt zuhaben. Unter anderem bemängelte die ESA, dass laut Liechtensteinischem Banken­ gesetz eine ausländische Finanzgesell­ schaft in ihrer Firmenbezeichnung nicht auf ihren liechtensteinischen Charakter hinweisen dürfe. Das, so die ESA, könnte ausländische Institute da­ von abhalten, eine Niederlassung im Fürstentum zu gründen, was wiederum ein Verstoss gegen die im EWR-Ver- trag festgehaltene Kapitalverkehrsfrei­ heit wäre. Verurteilung sicher? Auf Liechtensteiner Seite argumen­ tierte man, dass das Fürstentum das 
Vaduz - das Herz des Finanzplatzes Liechtenstein. Im Strelrmit der EFTA bezüglich des Bankengesetzes lenkt Liechten­ stein jetzt ein. Der umstrittene Artikel 16 soll Im Landtag abgeändert werden. Recht habe, auf Grund der entspre­ chenden Normen über die Firmenbe­ zeichnung der Banken zu entscheiden, da dieser Aspekt nicht vom EWR-Ab-kommen 
umfasst sei. Zudem sei auch keine Verletzung der Kapitalverkehrs­ freiheit gegeben, denn der besagte Ar­ tikel habe keinerlei Einfluss auf die In­vestitionsmöglichkeiten 
an sich. Für den Kunden, so das liechtensteinische Argument, sei der Name der Bank im Zusammenhang mit der Entscheidung 
für eine Bank nicht ausschlaggebend. Nach fast genau dreijährigem Hin und Her drohte die ESA jetzt mit der Klage beim EFTA-Gerichtshof. Eine Klage, die laut namhafter Experten zu einer . Verurteilung Lichtensteins führen würde. Um weiteren internatio­ nalen Schaden zu vermeiden, soll der besagte Artikel des Bankengesetzes jetzt abgeändert werden. Bankenverband für Abänderung Eine Abänderung, für die übrigens auch der Liechtensteinische Banken­ verband eintritt. Dfer Bankenverband führte in eitler Stellungnahme an die Regierung vor allem ein Argument ins Feld: Die Streichung von «Artikel 16, Absatz 3, Satz 3» sei eine notwendige Voraussetzung, um eine Verurteilung durch den EFTA-Gerichtshof zu ver­ hindern. Zudem enthalte laut Banken­ verband das Bankengesetz auch nach der Streichung noch ausreichende Möglichkeiten, gegen Missbrauch im Zusammenhang mit Firmenbezeich­ nungen vorzugehen. Die Streichung des Artikels steht übrigens laut Reglerungsantrag nicht im Widerspruch zu den Verfassungs­ bestimmungen. Auch werde die Abänderung des Bankengesetzes keine personellen oder finanziellen Konsequenzen nach sich ziehen. Franzose hilft Liechtenstein gegen Deutschland Französischer Völkerrechtsexperte unterstützt Liechtenstein vor dem Internationalen Gerichtshof Liechtenstein hat den bekannten französischen Völkerrechtler Profes­ sor Alain Pellet in den Beraterkreis berufen, der das Verfahren Liechten­ steins gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag unterstützt. Es wird damit ge­ rechnet, dass das Verfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Dort hat Liechtenstein Mitte letzten Jahres Klage gegen Deutschland we­ gen fortgesetzter Verletzung des Völ­ kerrechts seit 1998 eingereicht. Hin­ tergrund des Verfahrens ist die Be­ handlung liechtensteinischen Vermö­ gens auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei als deutsches Aus­ landsvermögen durch die Bundesre­ publik. Profilierter Experte Professor Alain Pellet gehört zu den profiliertesten französischen Völker­ rechtlern und ist seit vielen Jahren 
nicht nur als Berater der französischen Regierung, sondern auch als Vertreter einer Reihe von Staaten vor dem Inter­ nationalen Gerichtshof in Den Haag bekannt geworden. Durch seine Tätig­ keit in einer Vielzahl von Fällen gilt er als einer der erfahrensten Berater vor dem Internationalen Gerichtshof. Er berät darüber hinaus internationale Organisationen in verwaltungs- und völkerrechtlichen Angelegenheiten. Seit 1990 ist er Mitglied der Interna­ tional Law Commission der Vereinten Nationen und hielt 1997 deren Vorsitz inne. Ritter der Ehrenlegion Pellet, geboren 1947, lehrt allgemei­ nes und besonderes Völkerrecht sowie Völkerwirtschaftsrecht an der Univer­ sität Paris X-Nanterre und war von 1991 bis 2001 Direktor des Centre de Droit International (CEDIN). Er wurde mit verschiedenen internationalen Auszeichnungen geehrt und 1998 für 
Liechtensteins Sonderbeaitftragter: Alexander Goepfert. 
seine Verdienste für den französischen Staat zum Ritter der Ehrenlegion er­ nannt. Hochkarätiger Beraterkreis Dem Kreis der juristischen Berater Liechtensteins für die Klage vor dem Internationalen Gerichtshof gehören ausser Professor Pellet die Völker­ rechtler Professor Dieter Blumenwitz (Universität Würzburg), Professor Ja­ mes Crawford (Cambridge) und Profes­ sor Gerhard Hafner (Universität Wien) an. Aufgabe dieser «Counsels» ist es, den Sonderbeauftragten und Verfah­ rensbevollmächtigten Liechtensteins, Rechtsanwalt Dr. Alexander Goepfert, bei seiner Arbeit zu beraten und ihn bei der Vorbereitung von Schriftsätzen und der Argumentation bei der An­ hörung vor dem Gerichtshof zu unter­ stützen. Weitere Informationen im Internet unter:  www.liechtenstein-iqj-case.li 
Internationale Angelegenheit Die Klage Liechtensteins gegen Deutschland ist eine fürwahr interna­ tionale Angelegenheit Ausgangs­ punkt: Das Gemälde «Szene an einem römischen 
Kalkofen» des Niederlän­ ders Peter van Laer aus dem Besitz des Fürstenhauses. Liechtensteins Landesfürst klagte 1998 in Deutsch­ land vergeblich auf Herausgabe des Bildes, das 1945 von Tschechien auf Grundlage der sogenannten Benes- Dekrete konfisziert worden war. Der Fürst hatte immer argumen­ tiert, dass er als Nicht-Deutscher von den Enteignungsdekreten gar nicht betroffen sei. Prag dagegen hatte wiederholt behauptet, der Vater von Fürst Hans-Adam Ii., Franz Josef IL, habe sich bei einer Volkszählung im Gebiet der heutigen Tschechischen Republik in der Zwischenkriegszeit als Deutscher bezeichnet. Das Fürs­ tenhaus streitet dies ab; Prag habe nie stichhaltige Beweise dafür gelie­ fert. Souveränitätsrechte missachtet Zur Klage Liechtensteins beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag 
REKLAME Es ist eine Premiere für Deutschland: Erstmalig in ihrer Geschichte wird die Bundesrepublik allein vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag verklagt - ausgerechnet von einem befreundeten Staat, der seine Eigenstaatlichkeit missachtet und die Eigentumsrechte seiner Bür­ ger verletzt sieht. M|t seiner am 1. Juni 2001 eingereich­ ten Klage wegen Verletzung des Völ­ kerrechts hat das Fürstentum Liech­ tenstein zum äussersten diplomati­ schen Mittel gegriffen. Etwa zwei­ jährige Konsultätionen mit deutschen Regierungsstellen, in die sowohl das Bundeskanzleramt als auch das Aus­ wärtige Amt sowie die Ministerien der Finanzen und der Justiz eingebunden waren, blieben ergebnislos. Jetzt ist der Internationale. Gerichtshof als„ zentrale Gerichtsinstanz der Vereinten Nationen am Zuge, um letztlich auch über ein bislang noch nicht hinrei­chend 
aufgearbeitetes Stück deutscher Nachkriegsgeschichte zu befinden. Der Kern der Sache Bei dem Streit geht es im Kern um die Behandlung von Vermögen liechtensteinischer Staatsbürger auf dem Gebiet der ehemaligen Tsche­ choslowakei. Bei der Klärung dieser Frage geht es aber auch darum, ob der seit 1806 im völkerrechtlichen Sinne souveräne und in beiden Welt­ kriegen von allen Kriegsparteien als neutral anerkannte Staat Liechten­ stein und seine Bürger ein Teil der deutschen Nation sind - eine Rechtsauffassung, auf die sich so­ wohl die tschechische Regierung als auch seit 1998 deutsche Gerichte und die Bundesregierung beziehen. Mit dieser Rechtsauffassung werden >tfie Eigenstaatlichkeit Liechtensteins, die zuvor nie umstritten war, und die Staatsangehörigkeit seiner Bürger bestritten. 
Völkerrechtswidrig enteignet Zum Hintergrund: Zahlreiche liech­ tensteinische Staatsbürger, darunter auch die Familie des heutigen Fürsten Hans-Adam IL von und zu Liechten­ stein, besassen vor dem Zweiten Welt­ krieg umfangreiche Ländereien, In­ dustriebeteiligungen, Immobilien und Kunstgegenstände vor allem auf dem Gebiet der heutigep Tschechischen Re­ publik, teilweise aber auch auf dem Gebiet der heutigen Slowakischen Re­ publik. Nicht zuletzt aus enger Ver­ bundenheit mit der damaligen Tsche­ choslowakei gehörte Liechtenstein zu den wenigen Ländern, die das Münch­ ner Abkommen zwischen Deutsch­ land, Italien, Frankreich und Grossbri­ tannien über die Annexion von 
Teilen der Tschechoslowakei durch Hitler- Deutschland von 1938 niemals aner­ kannten. Nach 1945 wurde das liech­ tensteinische Vermögen von den Machthabern auf Grundlage der soge­ nannten «Benes-Dekrete» konfisziert.
	        

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