Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2002)

Liechtensteiner VOLKSBLATT 
FLUGZEUGABSTURZ Mittwoch,- 3. Juli 2002 3 Kurt Jäger war 35 Jahre lang Pilot im internationalen Flugverkehr, er weiss, was sich über Unseren Köpfen abspielt Die Chance, dass es über Liech­ tenstein zu einem Flugzeugzu- sammenstoss kommt, ist laut Kurt Jäger, Flugkapitän aus Eschen, sehr gering. Denn gros­ se Airways führen keine über das RheintaL In einem Inter­ view mit dem Volksblatt erklärt er aber, dass es im Luftraum ge­ nerell sehr pff zu Beinahe-Zu- sammenstössen kommt. Mit Kurt Jäger sprach Doris Meie r Volksblatt: Der Luftraum vor allem über Europa. ist ja sehr dicht fre­ quentiert. Kommt es oft zu brenzli­ gen Situationen? . Kurt Jäger: Ja, es gibt ungeheuer viele! Es gibt ja eine offizielle Publika­ tion über Fastzusammenstösse. Jeder Pilot ist verpflichtet, der Kontroil- behörde einen Bericht abzuliefern, wenn er einen solchen Fastzusatn- menstoss gehabt hat. Dieser Bericht wird anschliessend untersucht. Wenn man so im Jahresbericht schaut,-wie viele Fastzusammenstösse über Euro­ pa in einem Jahr passieren, ist das schon haarsträubend. Müssen die Leute also am Boden fast mehr Fiugangst haben, als In der Luft? 
Kurt Jäger, Flugkapitän: *Dass es wirklich zu einem Zvsammcnstoss kommt, ist wirklieh eine Chance von eins zu vielen Millionen».. '. (Bild: dm) Der Himmel ist ja schon ziemlich ..Millionen. Dieser Zufall,:dass beide gross. Dass es wirklich zu.einem Zu- zur gleichen Zeit einen-Sinkflug sammenstoss kommt, das ist wirk-. eingeleitet haben und sie dann lieh eine Chance von eins zu vielen wirklich zusammengestossen sind, 
das ist schon wie eine Nadel im Heuhaufen. Wie- sieht es über den Köpfen der Liechtensteiner- aus, gibt es- da auch Irgendwelche Flugrouten? . 'Ja, das gibt es. Das sind allerdings nicht direkt Flugrouten, sondern soge­ nannte Advisory-Routes. Also, es gibt . publizierte Airways, einer geht zum Beispiel.über Mailand, Chiasso, Brunr nen, Zürich Ost, Basel und dann wei­ ter. Diese Airways haben Nummern, zum Beispiel A9,A 10 und so weiter. Es. gibt Karten von diesen Airways, da sind beispielsweise die Kurse, die Mi- nimaihcjhe lind verschiedene Check?-: punkte eingetragen.-Checkpunkte sind zum Beispiel Radiosender, nach denen kann sich der Pilot orientieren. F|ug- . zeuge verfugen aber auch über bordei- - gene Navigationsgeräte, wie es sie bei Autos heute ja auch schön gibt. Damitz kann der Air traffic Control dem Pilot. eine Route.zuteilen, die kein eigentli- . eher Airway ist. Man spricht hier von Ädvisory-Routes. Der Fluglotse Rann dem Piloten also sagen, dass er direkt von Zagreb nach Brüssel fliegen soll und dann fliegt dieser nicht über die Airways, sondern quer über alles drü­ ber. Wenn Sie ^also in Liechtenstein spät in der Nacht so ein tiefes Brum­ men hören, dann sind das meistens die Flugzeuge, die direkt in den Kosovo runter/liegen. ^ 
Dann muss die Bevölkerung In Liechtenstein also keine Angst ha­ ben, dass hier im.Luftraum Flugzeu­ ge zusammenstossen. - Es kann auch in" einer Advisory- Route mal etwas passieren. Aber das ist .dann schon sehr weit her geholt. Ist denn das Unglück In einer Kreu­ zung von Airways passiert? . Nicht direkt: Südlich von München geht ein Airway vorbei' in Richtung Schaffhaüsien, Zürich Ost, Es kann; sein, dass das Frachtflugzeug, das ja von Süden her kam, auf einer Advi- sory-Route unterwegs war und das andere auf einem Airway. Der Fluglot­ se, in dessen Sektor -sich diese beiden Flugzeuge aufgehalten haben, musste aber-wissen, wo und in. welcher Höhe sich diese beiden Flugzeuge befinden. 
- Wo In Europa gibt es denn solche Alrwaykreuzungen? Gibt es solche über Wohngebieten oder sind die eher ausserhalb? ; Diese sogenannten Controlpunkte sind meistens Hochfrequenzradiosen- der. Diese sind meistens auf " einem Flugplatz öder grad neben der Piste" oder sie befinden s[ch auf einer Berg­ spitze, wo eine gute Sendestrahlung herrschtlÄiso über-Wohngebieten gibt es sicher keine 
: Kreuzung, also man muss diesbezüglich keine Angst ha­ ben. 
- Zwischen Erleichterung und Entsetzen Flugzeuge stürzen in Wohngebiet: Die Einwohner von Owingen sind froh, dass sie noch leben OWINGEN: «Die Nachbarn können Ihren zweiten Geburtstag feiern», meint ein Mann in Owingen bei Überlingen. Im Garten des Nachbar­ hauses sind ein Triebwerk und ein Tragflächenteil der Tupolew nieder­ gegangen, die mit der Boing zusam­ mengestossen ist. Martina Kellcr-Ultrich/sda Am Dienstagmittag riecht es im Garten • des Owingcr Einfamilienhauses noch immer'nach Kerosin: Das Gartenhaus, die Gartcnmöbcl, die Markise am Haus - 
alles wurde ein Raub der Flammen,. als .letzte Nacht ein Tupolew-Treib- werk und ein Teil einer .Tragfläche im Garten einschlugen. Die Hausbewoh-j ner hatten riesiges Glück, dass sie alles unverletzt überstanden haben, waren sie doch alle in dem angesengten Haus. Die Feuerwehr hatte zwei Stun- . den zu tun, um das brennende Kerosin zu lösehen und zu verhindern, dass das Wohnhaus abbrannte. . Polizisten bewachen Leichenteile Die Familie ist noch geschockt Sie will mit niemandem von den Medien-' 
Reise war Beloh­ nung für gute Noten MOSKAU: Die bei der Flugzeugkatas-; trophp äm.Bodensee ütos-Leben ge-' kommenen 5it'russischen Jugfcmdli- : chpn waren als, Belohnung für gute' . Noten .unterwegsi'-nach. Barcelona.; Das teilte: die Botschaft Baschkor— . töstans in Moskau am Dienstag mit. ̂ Die Jugendlichen undlhre filnf Be­ gleiter hatten . nach Angaben der Fluggesellschaft Basbkirian Airlines am Samstag in Moskau ihren An- ; „schlussflug verpasst. und wären am; Montag mit einer Chartermaschine weitergeflogen.. Fünf; Jugendliche' blleben : 
zurück, weil 
; sie kein Visum i '/für Spanien erhalten hatten. Alle getöteten . Jugendlichen besuchten.; nach Angäben;der Botschaft eine 
V Schule in Ufa, der Hauptstadt' der, Republik Ba$chkortbstan, die von • einem nationalen Komitee mitbe- • trieben• wird,, das.. die- Arbeit der UN-Bil(iungsprganisation UNESCO unterstützt. Nach. - Informationen •[ ' der russischen Nachrichtenagentur • ; ITAR-Tass waren auffallend'viele; der Jugendlichen Kinder hochrangig ger Regierörigs- und Universitäts- j funktionäre. " ' i: ' Vertreterinnen 
und -Vertretern 
reden, Die Flugzeugtrümmer schlugen knapp neben einem Haus auf dem Boden auf. Der Garten stand in Flammen. Die Bewoh- die per Bus von der Polizei nach Owin- per des Hauses kamen mit einem Schock davon. * ;'• (Bilder: Keystond) Neben.der Strasse liegen die abgedeckten Leichenteile. Die meisten der Opfer sind. Kinder und Jugendliche aus Russland. 
gen gebracht wurden. Eine Nachbarin hat aus dem Fenster geschaut, weil ihr Hund unruhig geworden war und eine Fcuersäule gesehen. Ihr 13-jähriger Sohn erzählt, in Owingen und im Nachbardorf falle die Schule aus, weil die Schulbusse nicht fahren können. Die Strassen sind gesperrt. Polizisten stehen neben, abgedeckten Leichen­ teilen, die neben der Strasse liegen. Überall im Gelände liegen ausserdem kleinere und grössere Teile der abge­ stürzten Flugzeuge. . Erleichterung Im ganzen Umkreis suchen die Leute ihre Hausdächcr ab, weil nach dem Zusammenstoss der Tupolew mit der Boejng viele.kleine Flügzeugteile nie­ der gingen. Dabei wurden auch einige Dächer beschädigt. Das aber 
bringt.die Leute nicht mehr aus der Ruhe. Sie sind nur froh, dass sie verschont wur­den. 
Einen Owingcr hat mitten in .der Nacht seine Frau geweckt, weil sie ein dumpfes 
Grollen hörte. Und während . er noch an Donner glaubte, «war sie ganz panisch», erzählt er. Als er nach­ sehen ging, hörte er schon einen lau­ ten Knall und Trümmerteile fielen he­ runter: «Mir war sofort klär,-dass etwas Schreckliches passiert sein musste». Flugzeugteile im Sandkasten Im Sandkasten des Hauses liegen kleine Teile von einem der Flugzeuge - • bewacht von einem Polizisten. «Man muss aber nicht weit gehen, um ganz Furchtbares Hegen zu sehen», sagt ein - anderer Nachbar, der nachts auch wach geworden war und einen «Feuer­ ball auf die Erde zurasen» sali. Polizis­ ten sind mit Leichen- und anderen Spürhunden unterwegs. 28 Tote Habe man inzwischen gefunden, erzählt ein Polizist vor Ort. 
-Für 
jedes Opfer eine Kerze ÜBERLINGEN: Mit einem .ökumeni­ schen Trauergöttesdienst im Sankt- Nikolaus-Münster hat Überlingen am Dienstagabend der Opfer der. Flugzeugkatastrophe gedacht. Unter den Teilnehmern der Feier in der voll besetzten Kirche waren auch der baden-württembergische Minis­ terpräsident Erwin Teufel sowie vie­ le 
Jugendliche und Mütter mit Kindern, . Zum Läuten der grossen Müristerglockc entzündete eine Mir nistrantin vor dem weiss .verhüllten Kruzifix 71 Kerzen - für jeden Toten eine. In Fürbitten baten die Gläubigen um das ewige Leben ftir die Opfer und um Kraft für ihre Fa-- milien und die Helfer, die. die Lei­ chen bergen mussten. Der, "katholi­ sche. Stadtpfarrcr Hansjörg Weber sagtc; «Gatt, wir können es einfach nicht fassen, was geschehen ist. Wir. stehen hilflos da und können nichts als trauern.» ".
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.