Liechtensteinische Güterund Rechte in Böhmen, Mähren und Schlesien
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gegen die Ungarn absichern und diese weiter Richtung Osten zurückdrängen.
Der breite Landstreifen zwischen der premyslidischen und der babenbergischen
Herrschaftsbildung, der weite Gebiete des heutigen Wald- und Weinviertels sowie
die nördlich anschliessenden Regionen Böhmens und Mährens umfasste, war
dünn besiedelt und gewissermassen noch nicht verteilt. In diesen Raum stiessen
ab dem 11. Jahrhundert sowohl babenbergische Dienstmannen als auch bayeri
sche Grafengeschlechter und böhmische Adelige vor. Sie liessen die Wälder roden
und brachten Slawisch oder Deutsch sprechende Siedler mit sich ins Land. Es war
eine unruhige Zeit mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Immer wieder gab es
Fehden unter einzelnen Adeligen, Scharmützel zwischen den Landesherren oder
Zusammenstösse von Siedlergruppen. Zudem drohten wiederholt Einfälle von
den benachbarten Ungarn oder später - im 13. Jahrhundert - von den Mongolen.
Schliesslich vermittelte Kaiser Friedrich I. Barbarossa zwischen den Babenbergern
und den Premysliden. Beide Herzogtümer gehörten letztlich zum Heiligen Römi
schen Reich und es verband sie das gemeinsame Interesse an einer Befriedung der
Gegend, ohne die es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben konnte. 1179
wurde auf dem Hoftag von Cheb/Eger die Grenze zwischen den beiden Herzog
tümern festgelegt. Eine noch im gleichen Jahr ausgefertigte Urkunde besiegelte
den Schiedsspruch und beschrieb die Grenze. Diese folgte ungefähr dem Lauf der
Dyje/Thaya. Die Thaya war ein Nebenfluss der Morava/March, die ihrerseits in
die Donau mündete. Während mehr als sieben Jahrhunderten, nämlich zwischen
1179 und 1919, sollte sich an der in Eger beschworenen Grenzziehung nichts mehr
ändern. 24 Erst 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde sie durch den Vertrag von
St. Germain unter anderem bei Valtice/Feldsberg Richtung Süden verschoben.
Feldsberg, der langjährige Hauptsitz der Liechtenstein, der sich früher auf nie
derösterreichischem Gebiet befunden hatte, kam so zur Tschechoslowakei.
Es gibt im deutschsprachigen Raum mehrere Dörfer und Burgen, die «Liech
tenstein» oder «Lichtenstein» heissen. 25 Alle diese Örtlichkeiten haben nichts mit
der Geschichte jener Familie zu tun, die uns hier interessiert. Einzig die Burg
Liechtenstein in Maria Enzersdorf, etwa zwanzig Kilometer südlich von Wien,
veiweist auf die Dynastie gleichen Namens. Die Burg wurde in der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts von Hugo I. erbaut. Sowohl Hugo selbst als auch seine Nach
kommen nannten sich seither nach dieser Burg. Diese kam den Liechtenstein aller-
24 Christoph H. BENEDIKTER, Albert KUBISTA, Die Dimensionen von Grenze und Raum.
Österreichisch-tschechische Grenzen im Wandel der Zeit, in: Stefan KARNER, Michal
STEElLlK (Elgg.), Österreich. Tschechien. Geteilt-getrennt-vereint, Schallaburg 2009, S. 278-
287, hierS. 282/283.
25 Jacob FALKE, Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Wien 1868, Bd. 1, S. 8.