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einem Jahr auf zwei Jahre zu er höhen. Dadur ch s ollte dem er höhten Unr echts gehalt
den eine Ver gewaltigung aufweist, R echnung getra gen wer den, da Opfer von sexu-
eller Gewalt oft massiv und lange
leiden.221
Zu bea chten gilt es alle rdings, dass
durch die Art. 189 ff. StGB die sex uelle Selbs tbes ti mmung ges chützt wird. Die psy-
chis che Integrität wird somit nicht gänzlich erfasst. Ges chützt wird nur die F r eiheit,
in sex uellen B elangen einen autonomen Willen zu bilden und dies em zu
folgen.222
Ansonsten müsste auch das ges chützte Rechtsgut bei einer Reform angepasst wer-
den. Ander n falls wird fälschlicherweise Opf er leiden mit Stra f leiden verknüpft,
denn in einem Schuldstrafrecht s ollte eine ger echt e Strafe allein an dem Verschul-
den des Täters und nicht am L eiden eines Opfers gemessen
werden.223
Insgesamt würde die Anhebung der Strafdrohung in Art. 190 Abs. 1 StGB womög-
lich nur bedingt Wir kung zeigen, denn ein Täter denkt gr unds ätzlich nicht darüber
nach, was für eine Max imal- oder Minimalstrafe dr oht. Ein Täter denkt meist ledig-
lich dar über nach, ob er erwischt wird. Demnach hätte eine Strafverschärfung meist
nur bedingte Auswirkung darauf, ob jemand straffällig
wird.224
Aller dings könnte
eine Strafverschärfung dem Gedanken eines erwei ter ten Opferschutzes – auch po-
tentieller zukünf tiger Opfer –
folgen.225
Wie ber eits a ngetönt ist jedoch fraglich, ob
dies im E inklang mit dem Schuldstrafrecht s tehen wür de. Zudem würde mit einer
Straferhöhung auf zwei Jahre Freiheitsstrafe die Gef ahr bes tehen, dass zukünf tig
Ger ichte den Tatbestand der Ver gewaltigung enger aus legen wer den und so mehr
Freisprüche erfolgen
würden.226
Eine Erhöhung der Mindeststrafe würde sohin der
beabs ichtigten Folgen diametr al entgegens tehen.
1
Weite Auslegung des Art. 190 StGB
Eine M öglichkeit zur konformen Ums etzung der IK- und EMRK-Vorgaben wäre
das Tatbestandsel ement der Nötigung so weit aus zulegen, dass alle nicht
221
BBl 2018, S. 2876.
222
V OGLER, S. 185 f.
223
BOMMER, S. 290; vgl. N IGGLI/ M AEDER, S. 1171.
224
Dem widerspricht das Modell des homo oeconomicus, wonach das «[…] Rechtsgehorsam das
Ergebnis eines Nutzen/Kostenkalkül [ist]. Erhöhen sich die Kosten einer rechtswidrigen Hand-
lung, weil die erwartete Sanktion steigt, dann wird – bei gleichbleibendem Nutzen – diese
Handlung tendenziell weniger gewählt.» Das Modell wirkt jedoch unrealistisch, da der wirkli-
che Mensch viel komplexer ist als solch ein simples Modell. Vgl. SCHMIDTCH EN S. 4 f.
225
SCHENDE R, S. 202.
226
HANIMANN, S. 5. 5.