Volltext: Ist der Vergewaltigungstatbestand noch zeitgemäss? Diskussion des Art. 190 StGB und Rechtsvergleich

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belas tenden Aussagen des mutmas s lichen Opfers und bes tr eitenden Aussagen des 
B es chuldigten gegenüber s tehen, müssen sie nicht zwingend oder auch nur höchs t- 
wahr s cheinlich ges tützt auf den Grundsatz in dubio pro reo zu einem Freispruch 
führen.184 
Neben der B eweis wür digung betrifft der in dubio pro reo-Grundsatz auch 
die Ver teilung der 
Beweislast.185 
WIPRÄCHTIGER hebt dies en Kr itikpunkt im Kon- 
text des Sexualstrafrechts hervor, wonach die Beweislast ger adezu im Sexualstraf- 
recht gedr eht wür de, da vor allem dort die Richter emotional involvier t 
wären.186 
Laut BERNARD bes teht jedoch die Gefahr, dass sich die ges amte Rechtspraxis im- 
mer weiter vom Grundsatz in dubio pro reo entfernt. Dies unter ander em aufgrund 
von unbewusst herrschenden R eaktionen, nach denen man sich dem Opfer näher 
fühlt.187 
Damit äussert er eine insgesamte Kr itik an der Rechtspraxis. Dies zeigt, 
dass das Pr oblem allgemein in der Rechtspraxis behoben wer den muss und nicht 
alleine als Pr oblem und Gegenar gument für einen Sex ual straftatbestand ohne Kon- 
sens her angezogen wer den s ollte. Zudem kann auch entgegengehalten wer den, dass 
so wie das Sex ualstrafrecht aktuell aus ges taltet ist, par tiell dem Opfer die Ver ant- 
wor tung übertragen wird, ob ein sex ueller Übergriff als er hebliches Unr echt gewer - 
tet wer den kann, indem g r unds ätzlich vom Opfer ver langt wird, dass es den unge- 
wollten sexuellen Handlungen einen s olchen Widerstand leis tet, dass der Täter ihn 
mit Nötigungs mitteln brechen 
muss.188 
Sor gen bes tehen auch bzgl. Fäl len einer «tonis chen 
I mmobilität» 189, 
nach welche r 
ein Nichtr eagier en des Opfers fälschlicherweise als ( konkludentes ) Einverständnis 
oder als konkludente E inwilligung anges ehen wird, obwohl kein konkludenter oder 
ex pliziter Wille geäussert wird, sondern bloss eine biologis che R eaktion 
erfolgt.190 
Bei einer «Nein-ist -Nein»-Regel könnte dies tats ächlich ein Pr oblem dar s tellen, 
dass je nach Ums etzungen (wie bspw. in Deuts chland) eine klare ver bale oder kon- 
kludente M itteilung des Neins ver langt wird und ein blosses R eglos bleiben als Nein 
nicht ausreichen 
würde.191 
Hingegen muss in der Var iante einer «Ja-ist-Ja»-Regel 
eine klare ver bale oder konkludente Zustimmung erfolgen, was im Fall einer 
                                                
184 
  WIPRÄCHTIGE R, S. 930. 
185 
 BGE 120 Ia 31 E. 2a. 
186 
 Vgl. W IP RÄCHTIGER, S. 931. 
187 
  BERNARD, S. 115 f.   
188 
  SCHEIDEGG ER/ L AVOYER/ STALD ER, S. 71 Rz. 36. 
189 
 Tonic immobility during rape is a common reaction associated with subsequent post-traumatic 
stress disorder and severe depression. M ÖLLER/ SÖNDERGAARD/ HELSTRÖM, S. 932. 
190 
  P RUIN, S. 157. 
191 
 Dazu oben S. 25 f. f.
	        

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