Volltext: Das Haus Liechtenstein und seine Beziehungen zur Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg

28 
Das letzte Kriegsjahr und die er sten N achkriegsjahre waren für Liechtenstein eine 
bewegte und bewegende Zeit. 
Mit den innenpolitischen Forderungen nach verfassungsrechtlichen Neuerungen 
verband die Opposition eine aussenpolitische Neuorientierung. Ziel war eine Loslö - 
sung von der zusammenbr e chenden k. u. k. Monarchie Österreich-U ngarn und deren 
schwerfälliger Bürokratie und eine wirtschaft liche Hinwendung zur Schweiz. Damit 
verband die politische Opposition in Liechtenstein auch Forderungen nach einer Über- 
nahme direktdemokratischer Mitbestimmungsgrundsätze nach schweizerischem Vor- 
bild. P olitisch hatte sich Liechtenstein bis 1914 grösstenteils in einer Phase der behäbi- 
gen Ruhe, um nicht zu sagen einer V erkrustung befunden. Das Denken und Handeln 
der Entscheidungsträger im Staat war durchwegs von einer konservativ-katholischen 
Grundhaltung geprägt. Patriarchalische Strukturen prägten das gesellschaft liche Bild 
Liechtenstein s. A ussenpolitisch war die enge Anlehnung an Österreich-U ngarn und 
die daraus entstehende wirtschaft liche und politische A bhängigkeit charakteristisches 
M erkmal. 
Die Frage, ob V eränderungen in v erschi edenen Bereichen sich nicht aufdrängten, 
stell te sich schon 1912 einigen jungen Leuten. Der Erste W eltkrieg mit seinen Aus- 
wirkungen auf wirtschaft lich er , innen- und aussenpolitischer Ebene bot den Kräft en 
der V eränderung nun die M ö g lichkeit, ihre Ideen und Visionen umzusetzen. Diese 
wirtschaft lichen Probleme waren A us löser für Forderungen nach politischen Neue- 
rungen, die sich schon ab 1914 abzeichneten. Die sich bildende Oppositionsgruppe 
verlangte eine Stärkung der Mitspracherechte des Volkes, vor allem bei der Bildung 
der Regierung (Liechtenstein den Liechtensteinern). Die Einführung des direkten Wahl- 
rechtes ( 1917/1918) begünstigte die Bildung politischer Parteien. Dies führte am Ende 
des Kriegs zur Gründung zweie r politischer Parteien, nämlich der „ Christlich-sozialen 
V olkspartei“ und der „Fortschrittlichen Bürgerpartei“ . Vor allem erstere str ebte unter 
der ener gi schen und wagemutigen Führung des jungen, in der Schweiz ausgebilde- 
ten J u risten Wilhelm 
Beck3 
innen- und aussenpolitisch zu neuen Ufern. Die wesent- 
lichsten Ergebnisse ze igten sich in der Kündigung des Zoll- und Steuervertrages mit 
Österreich ( 1919) und der Annäherung an den Wirtschaft sraum der S ch weize ri schen 
Eidgenossenschaft . Innen politisch wurde die Forderung nach einer neuen, mit mehr 
V olksrechten ausgestatteten V erfassung kämpferisch und zielstrebig angegangen. Dar- 
aus entwickelten sich heft ige innenpolitische A useinandersetzungen um das A us mass 
dieser Neuerungen und über die richtigen Wege, die dazu führen würden. In diese 
Auseinandersetzungen wur den Fürst Johann II. und das Fürstenhaus nur am Rande hi- 
3 W ilhelm Beck (1885– 1936) ; Dr. jur, Anwalt und Politiker. 1922–1928 Präsident des liechtensteinischen 
Landtages. Siehe dazu: Historisches Lexikon der Schweiz (nachfolgend HLS genannt), Band 2, Basel, 
2002, S. 139–140. 
▶ ▶ ▶
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.