Volltext: Die privatrechtliche Stiftung im Liechtensteinischen Recht

84 Die Entwicklung des Stiftungsbegriffs 
seit Savigny 
Wie oben dargelegt, hat sich bereits im justinianischen Recht 
der Stiftungsbegriff in der Form der milden Stiftungen einem 
Zweckvermögen mit selbständiger Rechtspersönlichkeit genä- 
hert. Diese Auffassung, die nach einem Unterbruch von einigen 
Jahrhunderten im späten Mittelalter und im Zeitalter der Refor- 
mation, wenn auch in gemässigterer Form, wieder auflebte, 
wurde im Zeitalter der Aufklärung und der Säkularisation gänz- 
lich zerstört.1® 
Erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich die 
vorbehaltlose Anerkennung der Stiftung als Rechtspersönlich- 
keit durch.” Von entscheidender Bedeutung für diese Entwick- 
jung war, dass sich Carl Friedrich von Savigny, der geistige 
Vater der Historischen Rechtsschule, zu jenen gesellte, die die 
Stiftung als juristische Person anerkannten: «Einige juristische 
Personen haben eine sichtbare Erscheinung in einer Anzahl ein- 
zeiner Mitglieder, die, als Ganzes zusammengefasst, die juristi- 
sche Person bilden; andere dagegen haben ein solches sicht- 
bares Substrat nicht, sondern mehr eine ideale Existenz, die auf 
einem allgemeinen, durch sie zu erreichenden Zweck beruhen. 
Die ersten nennen wir... Corporationen, welcher Name daher für 
die Bezeichnung der juristischen Person zu eng ist... Die zwei- 
ten pflegt man mit dem allgemeinen Namen Stiftungen zu be- 
zeichnen.»29 
Die Lehre von den Stiftungen wurde von der Fiktionstheorie 
Savignys beherrscht.?! Savigny sah die Stiftungen und auch die 
Korporationen, d. h. die juristische Person, als «persona ficta», 
als ein in Gedanken bestehendes fingiertes Gebilde, das kein 
1s Man kann das Zeitalter der Aufklärung als stiftungsfeindlichste Epoche be- 
zeichnen. Liermann S. 169. 
19» Liermann S. 236 ff. 
Grosses Verdienst im Kampf um die Anerkennung der Stiftung als Rechts- 
persönlichkeit kommt Arnold Heise zu («Grundriss eines Systems des Ge- 
meinen Civilrechts»). 
» Savigny S. 243. 
1 Regelsberger S. 349; Liermann S. 240. 
3}
	        

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