Für eine offene und freie Verfassungsdiskussion So begrüssenswert weitere Gespräche um die Suche nach
einem Kompromiss in der Verfassungsfrage grundsätzlich auch sind, so stossend finden wir die Bedingungen, unter
denen sie neuerdings durchgeführt werden sollen: Unakzeptabel ist einmal die Geheimhaltung der neuen fürstli-
chen Verfassungsvariante, Dies ist ein krasser Verstoss gegen das für die Demokratie lebensnotwendige Prinzip der
Öffentlichkeit, Information der Betroffenen, wissenschaftliche Begutachtung, Austausch von Argumenten, Vertrau-
ens- und Meinungsbildung, all dies ist damit ausgeschlossen,
Unakzeptabel ist auch der Druck, der dabei auf die Landtagsabgeordneten ausgeübt wird. Wenn die Mitglieder der
Verfassungskommission und der Landtagsfraktionen schon im Vorfeld der zweiten Lesung zur Zustimmung
zedrängt. werden, widerspricht das der Freiheit ihres Mandats. Auch wird so das Parlament als Ort der Beratung
und Entscheidung entwertet.
Die Demokratie lebt nicht nur vom Mehrheitsentscheid, sondern auch vom transparenten und freien Verfahren, in
welchem er ermittelt wird. (Arbeitskreis Demokratie und Monarchie - Der Ausschuss)
Erschienen im Liechtensteiner Vaterland (LV) und Liechtensteiner Volksblatt (LVbl) am 6. Juli 2002
Denkwürdige Landtagssitzung Die Prüfung der beiden Verfassungsinitiativen war bei weitem nicht nur formal,
wie einige Abgeordnete den Anschein erwecken wollten. Es interessierte vor allem auch die Frage, wie der Landtag
als vom Volk gewähltes Staatsorgan die Situation bestehen würde und wieweit die Abgeordneten sich schützend vor
die Verfassung von 1921 stellen würden.
Vorentscheidend war schon, ob wirklich nur die Verträglichkeit mit bestehenden Staatsverträgen auf dem Spiel
steht oder ob nicht doch auch die Verfassungsmässigkeit betroffen ist, wenn man von einem unveräusserlichen Kern
unseres Verfassungsverständnisses ausgeht. Bei der fürstlichen Initiative handelt es sich im Prinzip um eine völlige
Neuausrichtung der Machtstruktur zugunsten des Monarchen. Es geht also auch um die Frage, ob der Kern der
Verfassung von 1921, die bei einem partnerschaftlichen und verantwortungsbewussten Umgang unserem Land
grosse Dienste geleistet hat, aufgegeben werden soll. Eine Verfassung wohlgemerkt, die uns gut durch die schwie-
rigen 20er, 30er und Kriegsjahre brachte, die in der Nachkriegszeit die Rahmenbedingungen für den Wirtschafts-
aufschwung lieferte, mit der wir uns als geachtetes Mitglied in internationale Organisationen, v.a. in die westliche
Wertegemeinschaft einordnen konnten.
Jetzt wurde sie zum Abschuss freigegeben von Abgeordneten, die wohl wussten, dass nicht überzeugende Argu-
inente oder drängende Anliegen des Volkes. sondern das schwere Geschütz fürstlicher Drohungen (Wien. Chaos)
‚eserbriefe