Leckerbissen für Jazzfreunde
Das «Quintette Popolien» aus der Westschweiz in der Tangente
Als letztes Jazzkonzert in dieser
Saison bot die Tangente in Eschen
vergangenen Freitag mit dem
«Quintette Popolien» aus der West-
schweiz einen Leckerbissen und
einen wahren Hör- und Erlebnis-
genuss für alle Jazzfreunde,
_ Gerolf Hauser
Dieses Quintett, so war in der Ein-
ladung zu lesen, spiele keine stan-
dardmässigen Jazzformen, verwerfe
Dagewesenes nicht, sondern greife
gerade darauf zurück, indem es auf
zündende und originelle Weise alles
auf «popolische Art» interpretiere,
was sich zwischen barocker Poly-
phonie, afrikanischer Harmonik,
Musette, Zirkusmusik und Jazz an-
bietet.»
Auf drei Ebenen
Das war gut formuliert und sagt
äoch nichts von der grossartigen
Spielfreude und Spiellust der Musi-
xer Jean Francois Bovard (Posau-
ne), Diego Marion (Tenor- und So-
jransaxophon), Emilien Tolck (Kla-
vier) und Jean Rochat (Schlag-
zeug), die sich um den Bassisten
Popol Lavanchy gruppieren. Karl
Gassner sagte bei seiner Begrüs-
zung; «Ich habe sie gehört. Ihr wer-
det überrascht sein.» Und das war
man dann - und wie! Der Leiter der
Gruppe Popol Lavanchy ist nicht
nur ein hervorragender Bassist und
Komponist, sondern ein Erzspass-
‚ogel. «Wir freuen uns in Europa zu
sein, liebe Damen und Herren und
Fräulein», begrüsst er die Jazz-
Ireunde. Und dieses «und Fräulein»
';aucht bei jeder Ansage wieder auf,
licht diskriminierend, sondern ein-
:ach fröhlich - so wie die Musik. Ein
ıach allen Seiten glänzendes Quin-
'ett, grossartige Arrangements: 5 ge-
‚eilt durch 3 — atemberaubende
Korrespondenz zwischen Bass und
;chlagzeug einerseits, zwischen den
3läsern andererseits (mit oft sehr
nger Stimmführung), dazwischen,
:in Zünglein an der Waage, das Kla-
ier - Klangflächen, trotz deı
Klangvielfalt durchsichtig, durch-
1örbar, mehr als stereophon (gibt es
riplophon?), jede Gruppierung als
Zinheit erlebbar, perfektes Ergän-
‚en, in ständiger Bewegung befind-
icher Prozess von drei Ebenen zur
Drei-Einheit und zurück.
Dazu Verfremdungen. leere Cola-
josen auf den Saiten des Flügels, ein
Kapodaster beim Bass, die Saiten
'‚erkürzend und damit den Klang
indernd, das Schlagzeugs mit beiden
jtöcken gespielt, mit dem Schuhab-
atz das Trommelfell spannend und
ockernd. Dazwischen herrlich me-
>diöse Passagen, die plötzlich in
ronie umschlagen, wenn sie sich in
Alpenblasmusik wandeln, um von
lort in Freejazz-Kollektivimprovi-
ationen weiterzugehen. «Meine
Damen und Herren und Fräulein,
vir spielen jetzt die Geschichte von
Jr. Joseph und Mister Haydn.» Und
lann folgt eine Erzählung mit herr-
ichen Soli, Haydn-Zitaten, Ländler-
(längen - einfach fröhlich. Oder das
stück «Pater noster» - zuerst Klän-
ıeg ohne Rhythmus. sehr harma-
isch, fast an Meditationsmusik er-
nnernd, sich allmählich ins Rockar-
ige steigernd, das wieder von rhyth-
nuslosen Passagen abgelöst wird —
ine genussreiche Mischung aus
reier Improvisation mit Zitaten und
conventionellen Elementen -- alles
st Klang, alles macht Freude, lässt
teinen Augenblick der Ruhe auftau-
;hen, denn kaum lehnt man sich
zurück, um den Blues oder Ländler
der was auch immer geniessen zu
cönnen, wechseln sie wieder den
Klang, den Rhythmus, den Erdteil —
jas «Quintette Popolien» ist nicht
ıur das Quintett des Popol, sondern
zin Quintett, das mit Klängen spielt,
ıicht populistisch, eher populär, auf
eden Fall eine Vielzahl von Klängen
ldieser Welt umfassend.
Das «Quintette Popolien» sorgte am vergangenen Freitag in der Tangente in Eschen für einen wahren Hör- und Er-
ebnisgenuss für alle Jazzfreunde Bild: Geralf Hauser)