Volltext: Neue Erkenntnisse zur Keplerschen Wende

  
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4. Die Publ ikations ver wei g erung Jost Bürgis hat indi vi duelle, gesellschaftliche 
und konfessionelle Ursachen und beruht auf Bürgis kurzer Schulzeit und 
Schwierigkei t beim  Formulieren sowie auf seiner ernstzunehmenden 
Befürchtung, dass es ihm genau gleich erg ehen könne wie seinem ebenfalls aus 
niedere m Stande stammenden Freund Ursus , der Brahes Bosheit zum Opfer fiel. 
  
Dass Jost Bürgi kaum etwas ver ö ffen tlicht, hat seinen Ursprung in einer auf 
kurzem S chulbesuch und w ahrscheinlich durch eine chronifizierte Lega sthe nie 
beeinflusste S chwierigk eit beim V erfassen von Texten [SB24 1ff]. Der des La teins 
nicht mä chtige und seine g enialen Rechenmethoden s elbst schaffende Jost Bürgi 
– ohne «dass dergl eichen vorhin im Griechis chen oder Lat einischen, vielw eniger 
zur Teutschen Sprache nie ist gehöret oder geseh en worden» [SB189] – will 
diese vor allem s elbst und im Freundes krei s nutzen, aber keinesfalls den ihn wie 
seinen Freund Ursus v erac htenden und bedro henden Tycho Brahe zur Nutzung 
dieser ge waltigen Vorteile zur Verfügung stellen. Auch g egenüber militant- 
gegenreformatorischen Herrschaften scheut der zwinglianisch-calvinistisch 
aufgewachsen e Bürgi die Bekanntgabe s einer E rkennt nisse. Jost Bürgis’ uns 
heute sch wer vorstellbares Verhalten dürfte vor allem auf seine zur Existenz- 
angst gewordene und nicht zu verharmlosende Befürc htung zurück z uführen 
sein, dass er durch Tycho Brahe oder dess en ebenso dem Ad elsstand angehör- 
enden und dem Kais er nah estehenden Schwiegersohn Franz Tengnagel auf 
ebenso perfide Weise selbs t in den Tod getrieben wer den und das gleiche 
Schicksal erl eiden könne, wie sein be ster Freund Nikolaus «Ursus» Reimers. 
Ebenso wie di eser ist Jost Bürgi «ein Mens ch niedrigen Ranges und niedriger 
Klasse, niedrigen Standes und niedriger Stellung» [LR113]. Das ändert sich für 
ihn erst 1609, als er nobilitiert und Hausbesitzer nun ebenfalls in Prag wird. 
Seine Publikationszurückha ltung, die Verheimlichung aller von ihm selbs t 
erfundenen Rechenmethoden und Tabellenwerke sowie das von Kepler 
eingefo rder te und eingeh al tene S ch weigegelübde beschränken Bürgis Ruf in der 
Geschichtss chreibung auf seine ausgezei chneten hand werklich en Fertigkeiten 
und Tätigkeit en als Hersteller der ersten zur astronomischen Positionsmessung 
geschaffenen S ekundenuhr, ho chpräziser und ein zigartige r Himmelsglobus- 
Automaten, neuartiger Sex tanten, Proportionalzirkel, und Triangulations - und 
Perspe kti vgerät e sowie als Autor eines unfertig en und versp ä tet 
herausgegebenen Druckwerkes zur Lo garith menr echn ung.  
	        

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