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Adelsfamilien mit Ursprung in Niederösterreich. Fürst Karl von Liecht enstein
(1569–1627) wird am 20. Dezember 1608 in den erblic hen Fürstenstand
erho ben und ist der Gründer des Fürs tenhauses Lie chtenstein. Während der
Regierungszeit drei er Kaise r (Rudo lf II., Mat thias und F erdinand II.) dient er von
1600 bis 1612 mit Unterbrüchen als Obersthofmeister und administrativer
Vo rgese tzter Jost Bürgis sowie auch Keplers in Prag und ist von 1622-1627 als
Vizekö nig von Böhmen Jost Bürgis Mäzen. Wie Jost Bürgi verlässt er bei
gegenreformatorischen Zu spitzungen Prag dreimal längere Zeit und kümmert
sich um seine mehr mals von der Soldateska verwüsteten Besitztümer.
Mit einer perfekten höfischen Erziehung innerhalb einer Familie, deren Vater
Hartmann II. von Liech tens tein bereits als Berater Kaiser Ma ximilian II.
erfo lgrei ch zur Seite gest anden war, und mit einer pr otestantis ch -
humanistischen Ausbildung an der von Erasmus von Rotterdam geprägten
Universitä t Basel und der von Cal vin und Grynius be ei nflussten Univ ersitä t Genf,
entspricht Karl von Liecht e nstein ganz dem beide konfessionellen Seiten
kennenden und ausgleiche nden Anfo rderungspro fil eines engen per sö nlichen
Mitarbeit ers des Kai sers. Zwar war Karl von Liechtenstein zuvor Kämmerer des
Rudo lf II. vom Thron vertreiben wollenden Bruders und Erzherzogs Matthias
gewes en und als mittlerweile berei ts 31-Jähriger aufgr und guter Freundscha f t –
nicht etwa aus Zwang – mit Franz Kardinal von Dietrich stein erst kürzlich zur
katho lis chen Kirch e konvertiert, so war gleichwohl seine finanzielle und geistige
Unabhängigkeit und seine ausgleichende Gerechtigkeit im wei ten Spektrum der
Konfessionen und Vo lksgru ppen, die er aus eigene r Erfahrung auch als
mehrjähriger Angehö riger im Mährische n Landrecht mitbracht e , kaum tangiert.
Im Deze mber 1600 überträ gt der vielfach depressive K aiser Rudo lf II. das Amt
des Obersthofmeisters dem 31-jähr ig en Karl von Lie c htenstein. Doch ist dieses
Amt des Obersthofmeisters auch eine tückis che Fallgr ube zwischen beharrenden
liberalen und loyalen Kräft en Rudo lfs, den je suitisch rigoroseren Positionen
seines jünger en Bruders M atthias und den noch marti alischeren s eines Cousins
Ferdinand. Die beiden Vorgänger im Amt des Obersthofmeisters und Ver trauten
Rudo lfs II. Paul Sixtus Graf Trautso n und Wo lfgang Sie gmund F reiherr von
Rumpff waren Ende September 1600 genau in diesem Dilemma in lebensl äng -
liche Verbannung geraten [HL15], hatten sie doch angeblich zusammen mit
jesuitischer und «brüderli c her» Hilfe, aber auch unter Berücksi chtigung von
spanischen Ansprüchen die Absetzung des melanch o li schen Kais ers zugunsten zugunsten