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und Anregungen Vergleicht man mit ähnlichen historischen Unter- suchungen durch Kommissionen in anderen, grösseren Staaten, etwa in der Schweiz, in Österreich, in Schweden, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden, so ist fest- zuhalten, dass nirgends die Abklärungen mit so feinem Kamm durchgeführt wurden wie in Liechtenstein. Hier wurden die noch existierenden Archive aller damals bestehenden Banken, Treuhandfirmen, Anwaltskanz- leien, Kunstsammlungen, alle Archive des Landes und der Verwaltungsabteilungen des Staates sowie einzelne Bestände in Gemeindearchiven ausgewertet, dazu in den wichtigsten ausländischen Archiven die Liechtenstein betreffenden Unterlagen. Mikro- und Makrogeschichte sind im Falle Liechtensteins fast dasselbe. Die Fragen lies- sen sich bis in Detail untersuchen, was andernorts nicht möglich ist. Auch das ist ein Merkmal des Spezialfalls Liechtenstein. Aus dem Gesagten wird trotzdem deutlich, dass die Untersuchungen der UHK keine Vollständigkeit beanspruchen. Nicht alle Fragen konnten beantwortet werden. Im Verlaufe der Arbeiten schälten sich Themen heraus, die aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht bearbeitet werden konnten oder weil sie die man- datsmässigen Fragen der UHK nicht zentral betrafen. Die Kommission hofft, mit ihrer Arbeit zu weiteren Studien und Forschungen anregen zu können. Es zeigten sich verschiedene Desiderata für weiterführende historische Forschungen, so eine Untersuchung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechten- stein, zur Frage der Einbürgerungen oder zur Klärung der Beziehungsnetze einzelner involvierter Personen. Ein Desiderat ist auch ein Quellenband zur Geschichte der dreissiger und vierziger Jahre in Liechtenstein. Er könnte die vorliegenden Studien ergänzen und besonders auch für den Unterricht veranschaulichen. […] Fragen zu Liechtenstein in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg: Flüchtlinge, Vermögenswerte, Kunst, Rüstungsproduktion, Schluss- bericht der unabhängigen Historikerkommission, Seite
256. Wehret den Anfängen Seitens aller drei Fraktionen wurde gestern im Landtag mit Genugtuung festgestellt, dass im äusserst fundierten Bericht der Unabhängigen Historikerkom- mission zur Rolle Liechtensteins im Zweiten Weltkrieg „keine gravierenden Vorkommnisse festgestellt worden sind” (Zitat Franz Heeb, FBP). Mehrfach wurde darauf hingewiesen, aus dieser Vergangenheit zu lernen und hellhörig zu sein gegen jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. [...] Liechtensteiner Volksblatt, 20. Mai 2005, Seite 3.
Urteil fällt zwiespältig aus Die sechsköpfige Historikerkommission unter Lei- tung von Peter Geiger hat gestern ihre Ergebnisse vor- gestellt. Insgesamt erscheine Liechtenstein in jener Zeit als Land zwischen Gegensätzen, sagte Geiger. Das Bild in jener Zeit sei nicht schwarz und nicht weiss, sondern vor allem grau. Gleichwohl liessen sich die vom Jüdischen Weltkongress behaupteten Vorwürfe, Liechtenstein habe den Nazis geholfen, Vermögenswerte zu verstecken, nicht erhärten. Dem damals kleinen Finanzplatz stellt die Historikerkommission denn auch ein gutes Zeugnis aus: Die in der NS-Zeit bestehende Liechtensteinische Landesbank (LLB) und die Bank in Liechtenstein (BIL) haben dem Deutschen Reich und NS-Grössen nicht als Kapitalhort oder Devisendrehscheibe gedient. Es sei auch kein Goldhandel mit dem Reich betrieben worden. [...] Drei im Spätherbst 1941 gegründete Industriebetriebe lieferten Rüstungsgüter oder kriegswichtige Güter nach Deutschland. So produzierten die Press- und Stanzwer- ke AG Hülsen für die Oerlikon Bührle-Flabkanone, die Maschinenbau Hilti lieferte Teile für Motoren und Fahr- zeuge und die Präzisions-Apparatebau AG stellte Mess- instrumente her. Eine wenig glückliche Rolle hatte das Fürstenhaus inne: Der damalige Fürst Franz Josef II. sei durch seine Besitzungen in Österreich und im heutigen Tschechien in alle wirtschaftlichen Vorgänge des Dritten Reiches bis hin zur Arisierung verwickelt gewesen, sagte das Schweizer Mitglied der Historikerkommission, Carlo Moos. Der Fürst könne deswegen aber nicht als skrupel- loser Profiteur bezeichnet werden. [...] Liechtensteiner Vaterland, 14. April 2005, Seite 1.
Ergebnisse Historikerkommission