Volltext: Liechtenstein 1988-1998

Kontroverse zwischen S.D. dem Landesfürsten und dem VBI-Präsidenten Dr. Herbert Wille [...] Leider muss ich aufgrund des Berichtes im Liech- tensteiner Volksblatt nun feststellen, dass Sie sich nach wie vor nicht an die Verfassung gebunden fühlen und Auffassungen vertreten, die eindeutig gegen Sinn und Wortlaut der Verfassung verstossen. Jeder wird beim Lesen der einschlägigen Verfassungsartikel feststellen können, dass der Staatsgerichtshof eben nicht Interpreta- tionsgerichtshof bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen Fürst und Volk (Landtag) ist. In meinen Augen sind Sie, HerrDr. Wille, aufgrund Ihrer Haltung gegen- über der Verfassung ungeeignet für ein öffentliches Amt. Ichhabe nicht die Absicht, mich mit Ihnen öffentlich oder privat in eine lange Auseinandersetzung einzulas- sen, aber ichmöchte Ihnen rechtzeitig mitteilen, dass ich Sie nicht mehr für ein öffentliches Amt ernennen werde, sollten Sie mir vom Landtag oder sonst irgendeinem Gre- mium vorgeschlagen werden. [...] Brief S.D. des Landesfürsten an den VBI-Präsidenten Dr.Wille vom 27. Februar im Liechtensteiner Vaterland, 10. Juni 1995, Seite 6. [...] Das Vertreten einer Rechtsmeinung, die der Fürst nicht teilt, kann nicht als Nichtbeachtung der Verfas- sung gewertet werden. Die Feststellung S.D. des Landes- fürsten, dass ich mich „nach wie vor nicht an die Verfas- sung gebunden fühle...“ sowie das im Schreiben über michgefällte Urteil und die mir gegenüber angekündig- teHaltung des Fürsten sind mir unverständlich. [...] Brief des VBI-Präsidenten Dr.Wille an den Landtagspräsidenten Otmar Hasler vom 9. Märzim Liechtensteiner Vaterland, 10. Juni 1995, Seite 6. [...] Was ich bei dem von Ihnen angeführten Vortrag vom 16. Februar 1995 am Liechtenstein-Institut über den Staatsgerichtshof als Interpretationsgerichtshof, wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfas- sung Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen Fürst und Volk (Landtag) beseitigt werden kön- nen, gesagt habe, entspricht meiner wissenschaftlichen Überzeugung und verstösst nach meiner Überzeugung nicht gegen die Verfassung. Ihre Erklärung, mich nicht mehr für ein öffentliches Amt zu ernennen, stellt einen Eingriffin die von der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit dar. Sie bedeutet eine Infragestel- lung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu den öffentlichen Ämtern. Ihre Erklärung ist ein Versuch, in die richterliche Unabhängigkeit einzu- greifen. Ich erachte mich als in meinen Persönlichkeits- rechten betroffen. Brief des VBI-Präsidenten Dr. Wille an S.D. den Landesfürsten vom 20. März im Liechtensteiner Vaterland, 10. Juni 1995, Seite 
7.[...] 
Sie sind weiterhin im Amt und meine Kritik rich- tet sich nicht gegen die Entscheidungen der Verwaltungs- und Beschwerdeinstanz, sondern gegen Ihre generelle Haltung zur Verfassung. Deshalb möchte ich mich auf zwei Bemerkungen beschränken. 1.Es steht dem Fürsten frei, einen ihm vom Landtag vor- geschlagenen Kandidaten für ein öffentliches Amt zu ernennen oder auch nicht. Der Fürst muss auch nicht begründen, weshalb er einen Kandidaten ernennt oder nicht ernennt. Nachdem wir uns schon seit vielen Jahren kennen, habe ich es für richtig empfunden, Ihnen meine Entscheidung zu begründen. 2. Es ist kein Eingriff in die von der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, wenn ich Sie wegen Ihrer Haltung in der Vergangenheit und der von Ihnen vertretenen Meinung nicht mehr zum Präsidenten eines unserer obersten Gerichtshöfe ernenne. Es steht jedem Bürger frei, wenn er mit einem Artikel der Verfas- sung oder einem Gesetz nicht einverstanden ist, Ände- rungen vorzuschlagen und sich auch dafür politisch ein- zusetzen. Sie haben aber diesen rechtsstaatlichen und demokratischen Weg weder während Ihrer Regierungs- zeit noch jetzt bei Ihrem Vortrag beschritten, sondern setzten sich grosszügig über jene Teile der Verfassung hinweg, mit denen Sie nicht einverstanden sind. [...] Brief S.D. des Landesfürsten an den VBI-Präsidenten Dr. Wille vom 4. April im Liechtensteiner Vaterland, 10. Juni 1995, Seite 7. [...] Das von der Verfassung garantierte Grundrecht auf freie Meinungsäusserung schliesst auch die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre mit ein. Nach Ansicht des Landtages stellt die öffentliche Äusse- rung einer bestimmten Rechtsansicht zwecks Interpreta- tion einer bestimmten Verfassungsbestimmung keinen Verstoss gegen die Verfassung dar. Insbesondere muss es nach Ansicht des Landtages den Amtsträgern, denen die Verfassung richterliche Unabhängigkeit garantiert, unbe- nommen sein, die Bestimmungen der Verfassung und der Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen gemäss ihrer eigenen Rechtsauffassung auszulegen. [...] Antwort des Landtagspräsidenten vom 24. März im Liechtensteiner Vaterland, 10. Juni 1995, Seite 7. Offene Fragen bleiben Mittels Petition soll der Landtag aufgefordert wer- den, in bezug auf die Kontroverse zwischen dem Landes- fürsten und dem Präsidenten der Verwaltungsbeschwer- deinstanz unverzüglich die „notwendigen und geeigne- ten Schritte zu unternehmen“, um die offenen Fragen einer Klärung zuzuführen. [...] Dr. Egon Matt, Mauren, Ursula Batliner-Elkuch, Nendeln, Rupert Quaderer, Schaan, und Noldi Frommelt, Schaan, ergriffen nun das Rechtsmittel der Petition, um den Landtag aufzufordern, „eine vollständige Klärung der Richtigkeit der Vorwürfe des Landesfürsten an den Präsidenten der 
Verwaltungs- 1995183
	        

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