Volltext: Liechtenstein 1938-1978

Das Grundkonzept des neuen Schulgesetzes Die zur Vorbereitung des Schulgesetzes eingesetzten Bildungskommissionen, welche ein sehr breites Spektrum der liechtensteinischen Bevölkerung vertraten, forderten einerseits neue Schultypen und anderseits eine andere Gewichtung und Orientierung für die schon bestehenden Schulen. Die neuere Bildungsforschung weist immer wieder auf die steigende Bedeutung der Erziehung im Kindergartenalter hin. Der Kindergarten wird heute nicht mehr als reine Spielgemeinschaft gesehen, sondern als eigentliche Vorbereitung auf die Schule. Das Kind soll in diesem Alter schon an die später zu erlernenden Grundfertigkeiten, wie z. B. Lesen, herangeführt werden. Die Gemeinden werden deshalb verpflichtet, einen zweijährigen Besuch zu ermöglichen. Den eigentlichen Unterbau des ganzen Schulsystems bildet wie bisher die Volksschule, jetzt Primarschule genannt. Nach fünf Schuljahren soll jedoch schon der Übertritt in die weiterführenden Schulen erfolgen. Die Unterrichtsqualität in diesen ersten Schuljahren kann daher entscheidend sein für den späteren Schulerfolg. Um das Niveau der Primarschule zu heben, aber auch um den minderbegabten Schülern einen besser ent- sprechenden Unterricht zu bieten, sollen in Zukunft diese Schüler in besonderen Hilfsschulen unterrichtet werden. Der steigende Wohlstand des Landes gestattet es. mehr Aufmerksamkeit und Hilfeleistung dem geistig und körper- lich behinderten Menschen zukommen zu lassen. Best- mögliche Ausbildung können die vom Schicksal Getroffenen nur in speziell für ihre Gebrechen eingerichteten Schulen erhalten. Die Sonderschulung sucht dieses Ziel zu ver- wirklichen. Das Kernstück der neuen Schulreform bildet ohne Zweifel die Oberschule, die als zentralisierte Landes- schule für jenen Drittel der Schüler gedacht ist, welche die Voraussetzungen für Gymnasium und Sekundärschule nicht erfüllen, aber durch einen mehr nach praktischen Gesichtspunkten ausgerichteten Unterricht optimal auf das Berufsleben vorbereitet werden können. Seit längerer Zeit schon fordern Fachleute neben der traditionellen Gymnasialausbildung auch den Zugang zum Gymnasium über den sogenannten gebrochenen Bildungs- gang. Der vorliegende Schulgesetz-Entwurf behält daher das Gymnasium in seiner Langform, d. h. mit Übertritt nach der fünften Primarklasse, bei, will aber auch die Voraussetzungen bieten, über die Sekundärschule die 
1971 Matura zu erreichen. Ein bedeutendes Hindernis kann aber erst weggeräumt werden durch die Einführung eines latein- losen Maturatyps. Durch eine viel stärkere Lehrplan- angleichung zwischen der Sekundärschule und der Unterstufe des Gymnasiums soll dieser Weg zur Matura Normalfall werden und nicht wie bisher nur einen Aus- nahmefall darstellen. Der wesentliche Vorteil, den man sich vom gebrochenen Bildungsgang erhofft. liegt darin, dass der Beruf- und Studienentscheid auf einen viel späteren Zeitpunkt verschoben ist, was nach den Erkenntnissen der Begabungs- forschung meist vorteilhafter ist. Die Chancen des einzelnen bleiben länger gewahrt, die Versager im Gymnasium werden seltener. Die Sekundärschule behält daneben auch weiterhin als Schulziel die direkte Ausbildung für das Berufsleben. Manche Staaten gehen schon heute entschieden den Weg in Richtung Gesamtschule. Bei der Gesamtschule handelt es sich um eine Schulform, bei der die heutigen Schul- typen, Gymnasium, Realschule und Oberschule, im selben Gebäude vereinigt sind und unter einer gemeinsamen Leitung stehen. Die Schüler werden je nach Fach in Kern-. Leistungs- oder Wahlfachklassen unterrichtet. Dadurch ist es leichter, den einzelnen gemäss Neigung und Fähigkeit zu fördern und der Vielfalt der Begabungen gerecht zu werden. Ob auch Liechtenstein in fernerer Zukunft die Gesamtschule verwirklicht, soll einem späteren Entscheid vorbehalten bleiben. Heute fehlen dazu noch zu viele Voraussetzungen. Bei der Planung der Schulhäuser ist aber darauf zu sehen, dass ein späterer Übergang zur Gesamt- schule nicht verunmöglicht wird. Die Anforderungen auch an eine minimale Schulausbildung steigen in unserer Zeit derart, dass die Verlängerung der Schulpflicht von 8 auf 9 Jahre zu einem allgemein gültigen Postulat wird. Dieses Postulat wird im Schulgesetz Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Jahrgang 1972 Nr. 7 ausgegeben am 31. Jannar 1972 Schulgesetz vom 15. Dezember 1971 Dem nachstehenden vom Landtag gefaßten Beschluß erteile Ich Meine Zustimmung: 1. HAUPTSTÜCK Öffentliche Schulen A. Allgemeine Bestimmungen Art. 1 Die öffentlichen Schulen dienen im Zusammenwirken mit Familie und Kirche der Bildung und Erziehung der heranwachsenden Jugend. In diesem Sinne fördern sie die harmonische Entwicklung der intellek- tuellen, sittlichen und körperlichen Kräfte des jungen Menschen und sind bestrebt, ihn nach christlichen Grundsätzen zu einem selbständigen, verantwortungsbewußten und den beruflichen Anforderungen des Le- bens gewachsenen Menschen und Glied des Volkes und Staates zu er- ziehen. Art. 2 1) Öffentliche Schulen sind solche, deren Träger der Staat oder eine Gemeinde ist. 2) Schülerheime und Tagesheimschulen, die einer öffentlichen Schule angegliedert sind, gelten als Bestandteil der Schule. 
V'rt d*^'"'1 Sobald die räumlichen Voraussetzungen gegeben sind, setzt die RnlMihule Regierung Artikel 47 dieses Gesetzes in Kraft. Art. 138 1 "trbsT- i) Sobald die Voraussetzungen für den Herbstschulbeginn gegeben -c u 
<.nrt smj_ setzt 
Regierung den Artikel 75 Absatz 1 in Kraft. -) Bis zu diesem Zeitpunkt regelt die Regierung den Beginn des Schuljahres und der Schulpflicht mit Verordnung. Art. 139 i Schulpflicht Sobald die vierte Schulstufe der Oberschule verwirklicht ist, er- streckt sich die Dauer der Schulpflicht auf neun Jahre. Auf diesen Zeitpunkt setzt die Regierung Artikel 76 in Kraft. Bis dahin gilt Artikel 53 Absatz 1 des Schulgesetzes vom 9. November 1929, LGBI. 1929 Nr. 13. Art. 140 ] Ors«ne kfat Inkrafttreten dieses Gesetzes sind die in diesem Gesetz vor- gesehenen Aufgaben von den hiefür bestellten Organen zu besorgen. -) Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängigen Geschäfte werden von den nach den bisherigen Bestimmungen dafür bestellten Organen erledigt. 3) Ebenso werden die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes anfallen- den Geschäfte von den bisher dafür bestellten Organen erledigt, sofern die nach den neuen Vorschriften hiefür zuständigen Organe noch nicht bestellt sind. Art. 141 i Bildung^;». Die Bestellung des Bildungsrates, des Schulrates und des Gemeinde- Gemi'ndc- schulrates erfolgt spätestens zwei Monate nach Inkrafttreten dieses «huirn Gesetzes. Art. 142 •fciafttratm Dieses Gesetz wird als nicht dringlich erklärt und tritt mit Aus- nahme der Artikel 27 Absatz 1 und 2, 31 bis 33, 38 bis 43, 47, 75 Ab- satz 1, 76 und 81 am Tage der Kundmachung in Kraft. 417
	        

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