Volltext: Liechtenstein 1938-1978

Das Gesetz über die Alters- und Hinterbliebenen- versicherung vom Landtag einstimmig angenommen Der Landtag hat in der Sitzung vom Donnerstag, den 13. November, das Gesetz über die liechtensteinische AHV nach der dritten Lesung einstimmig verabschiedet. . . Nach der einmütigen Gutheissung des Sozialwerkes sprach Herr Regierungschef über die Zeitgemässheit der AHV auch in Liechtenstein . . . Liechtensteiner Vaterland, 15. November 1952 Herr Präsident, meine Herren! Soeben hat der Landtag einstimmig die Gesetzesvorlage zur Errichtung einer obligatorischen allgemeinen Alters- und Hinterlassenenversicherung gutgeheissen. Diese Versicherungsanstalt wird ein Sozialwerk sein, das alle bisherigen Sozialeinrichtungen in unserem Lande in den Schatten stellen wird. Der ersten Runde folgt nun aber noch die zweite, die Volksabstimmung. Es wird noch vieler aufklärender Worte benötigen, um die Annahme der Vorlage durch das Volk sicherzustellen. Die Regierung wird ihr Möglichstes tun. Ich möchte aber auch Sie, meine Herren Abgeordneten, recht sehr bitten, durch persönliche Aufklärung in Ihren Wählerkreisen der Vorlage zur Annahme zu verhelfen. Wenn man sich der enormen Umschichtung unseres Volkes, die sich die letzten Jahrzehnte in rapidem Tempo vollzogen hat, bewusst ist — heute ernähren sich gemäss letzter Volkszählung nicht mehr als 25 % von der Be- völkerung aus der Landwirtschaft - so wird man von der Notwendigkeit einer solchen Massnahme immer über- zeugter. Einem grossen Teil unseres Volkes ist es bei der heutigen Lebensweise und bei dem heutigen Einkommen kaum mehr möglich, namhafte Ersparnisse für die alten Tage auf die Seite zu legen. Die Menschen aber werden auch bei uns älter. Mit 65 Jahren werden die Arbeiter auch in unseren Betrieben möglichst durch jüngere Kräfte ersetzt. In wenigen Jahrzehnten würden wir, wenn wir jetzt nichts unternähmen, viele verdienst- und vermögenslose Leute über 65 Jahren haben, die der öffentlichen Fürsorge anheimfallen würden. Das soll und will die Altersver- sicherung verhindern. Die AHV soll jeden vor nackter Not bewahren. Für die Hinterbliebenen sieht die Vorlage einen recht weitgehenden Schutz vor. Dem Einwand, unsere Wirtschaft ertrage eine solche Form der Versicherung nicht, möchte ich entgegnen, dass wir damit ja nicht ein erstes Experiment machen, sondern dass ähnliche Versicherungen in ganz Mitteleuropa schon längere Zeit bestehen und dort die Erhaltung des sozialen Friedens gewährleisten. Auch besiegte Staaten, deren Wirtschaft teilweise zerstört wurde, haben die gesetzliche Rentenzahlung für die Alten und Hinterbliebenen sofort nach Eintritt der Ordnung wieder aufgenommen. Was nun diesen Staaten möglich ist, sollte unserem kriegsverschonten Lande mit seiner überaus fleissigen Bevölkerung auch möglich sein. Nämlich, dass wir unsere Alten und Waisen nicht zu Bettlern werden lassen, sondern dass wir ihnen ihre Existenz gesetzlich sichern. Gewisse Übergangsschwierigkeiten mögen in der Wirtschaft auftreten, aber keine schwerwiegenden dauernden Hemmnisse. Ein Volk, das spart, das Geld für die alten Tage auf die Seite legt, kann dadurch nicht verarmen. Bringen wir die Vorlage durch, so werden wir vielen von unseren Mitbürgern ernste Sorgen abnehmen und ernste Spannungen und Probleme, die sonst unweigerlich auch in unserem Volke auftreten werden, können vermieden werden. Darum der Appell an Sie, meine Herren Abgeordneten, bei der Aufklärung des Volkes tatkräftig mitzuhelfen. Votum von Regierungschef Alexander Frick in der Landtagssitzung vom 13. November 1952 - Landtagsprotokolle 1952 
Derliechtensteinische Landtag hat soeben einstimmig die Gesetzesvorlage über die Alters- und Hinterlassenen- versicherung angenommen. Nun liegt es am liechten- steinischen Volk, über dieses grosse soziale Werk zu entscheiden. Hoffentlich möge ein guter Stern über dieser Volksabstimmung walten. Ich weiss, dass in erster Linie für die finanziell Stärkeren das Ja für die AHV mit verschiedenen Opfern verbunden ist. Dennoch glaube und hoffe ich, dass auch bei den bessergestellten Klassen unseres Landes das nötige soziale Verständnis vorhanden ist. und dass gerade durch die AHV für die alten, armen Leute ein sonnigerer Lebensabend gestaltet werden kann und vor allem die Not der Witwen und Waisen etwas gelindert werden kann. Bisher wurde die Aufklärung über das soziale Projekt lediglich durch die Landeszeitungen geleistet. Meiner Ansicht nach genügt dies aber nicht. Es sollten in Anbetracht der Wichtigkeit dieser Sache öffentliche Aufklärungsversammlungen in allen Gemeinden stattfinden und zwar nicht von den politischen Parteien, nicht von den Berufsverbänden, sondern offiziell von der Regierung, wenn notwendig durch die Beiziehung auch von Fach- leuten aus der Schweiz, damit den Zuhörern die ganzen Zusammenhänge an praktischen Beispielen dargelegt werden können. Abschliessend möchte ich diesem Wunsch nochmals Ausdruck verleihen, dass diese öffentlichen Aufklärungsversammlungen von der Regierung organisiert werden, damit der Bürger auch wirklich positiv und unparteiisch aufgeklärt wird, damit er bei der Volksab- stimmung seiner Verantwortung voll bewusst seinen Entscheid fällt. Votum des Abgeordneten Wendelin Beck in der Landtagssitzung vom 13. November 1952 - Landtagsprotokolle 1952 Liechtensteiner Vaterland, 13. Dezember 1952 Den wahren Zusammenhalt für ein Volk gibt nur die gemeinsame Bekämpfung der Sorge für das Alter, für die Witwen und Waisen V 201
	        

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