FREITAG
27. DEZEMBER
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Khashoggi-Mord: Kritik an
Saudi-Arabien nach Todesurteilen
Fragwürdig Die Todesur-
teile gegen fünf Männer im
Zusammenhang mit dem
brutalen Mord am regie-
rungskritischen Journalisten
Jamal Khashoggi haben
Saudi-Arabien teils scharfe
Kritik seitens UNO, EU, Türkei
und Menschenrechtsorgani-
sationen eingebracht.
Ein hochrangiger Mitarbeiter des
US-Aussenministeriums sprach da-
gegen von einem «wichtigen Schritt,
um die Verantwortlichen für das
schreckliche Verbrechen zur Re-
chenschaft zu ziehen». Ein saudi-
sches Gericht hatte am Montag fünf
Männer in dem Fall zum Tode verur-
teilt. Drei weitere Angeklagte wur-
den wegen «Verschleierung des Ver-
brechens» zu Haftstrafen von insge-
samt 24 Jahren verurteilt.
Khashoggi, der als Kolumnist für die
«Washington Post» tätig war, war im
Oktober 2018 im saudischen Konsu-
lat in Istanbul von einem Spezial-
kommando aus Riad brutal getötet
worden. Die saudische Regierung
hat den Mord eingeräumt. Kron-
prinz Mohammed bin Salman, der
faktische Herrscher Saudi-Arabiens,
bestritt aber, die Tötung selbst ange-
ordnet zu haben.
Laut Staatsanwaltschaft in Riad zeig-
ten die Ermittlungen in dem Fall,
dass es «zunächst keine Absichten
zum Mord gab». Der Entschluss,
Khashoggi zu töten, sei erst im Kon-
sulat gefallen. Ein enger Vertrauter
des Kronprinzen sowie der saudi-
sche Generalkonsul in Istanbul zur
Zeit des Mordes waren trotz eines
anfänglichen Verdachts, möglicher-
weise in die Tat verwickelt gewesen
zu sein, nicht angeklagt worden.
Unabhängige Ermittlung gefordert
Der Prozess gegen insgesamt elf sau-
dische Männer hatte in Riad im Ja-
nuar begonnen. Gegen alle Urteile
kann Berufung eingelegt werden.
Die Namen der Verurteilten werden
erst öffentlich gemacht, wenn der
Fall abschliessend verhandelt ist
und die Urteile rechtskräftig sind.
UNO-Sonderberichterstatterin für
den Fall ist Agnès Callamard. Die
Drahtzieher seien «auf freiem Fuss»
und «von den Ermittlungen und
dem Prozess kaum berührt wor-
den», schrieb sie. Auch UNO-Gene-
ralsekretär António Guterres hält
die juristische Aufarbeitung des
Falls seinem Sprecher zufolge für
unzureichend. Guterres forderte
demnach eine «unabhängige und
unparteiische Untersuchung des
Mordes».
Die Europäische Union kritisierte
die Todesurteile in dem Fall. Die EU
lehne die Todesstrafe «immer und
ohne Ausnahme ab», sagte ein Spre-
cher des EU-Aussenbeauftragten
Josep Borrell in Brüssel. Dies sei ei-
ne grausame und unmenschliche
Strafe, die nicht abschreckend wirke
und eine inakzeptable Verleugnung
menschlicher Würde sei. Alle an
dem Mord Beteiligten müssten straf-
rechtlich verfolgt werden.
Auch die türkische Regierung kriti-
sierte das Urteil als unzulänglich. Es
sei weit davon entfernt, die Erwar-
tungen der Türkei und der internati-
onalen Gemeinschaft zu erfüllen,
hiess es in einer Erklärung des Au-
ssenamts in Ankara. Die Aufklärung
des Mordes auf türkischem Boden
sei eine «moralische Verpflichtung».
Präsidentensprecher Fahrettin Al-
tun nannte das Urteil auf Twitter
«skandalös».
«Schönfärberei» kritisiert
Die Menschenrechtsorganisation
Amnesty International sprach von
«Schönfärberei, die Jamal Khashog-
gi und seinen Angehörigen weder
Gerechtigkeit noch die Wahrheit
bringt». Die Organisationen Human
Rights Watch und Reporter ohne
Grenzen äusserten den Verdacht,
dass durch die Todesurteile mögli-
cherweise redewillige (Mit-)Täter be-
seitigt und höhere Stellen geschützt
werden sollen. Der US-Regierungs-
mitarbeiter sagte mit Blick auf die
Kritik, dass die Urteile nicht alle Ver-
antwortlichen berührten: «Wir wer-
den Saudi-Arabien weiterhin zu
Transparenz diesbezüglich anhal-
ten.» Die USA hatten wegen der Tö-
tung des Journalisten Sanktionen ge-
gen mehrere ehemalige saudische
Regierungsmitarbeiter verhängt.
US-Präsident Donald Trump hatte al-
lerdings am Königshaus als engem
Verbündeten festgehalten. Riad ist
der grösste Abnehmer von US-Rüs-
tungsgütern. (sda/dpa)
Jamal Khashoggi. (Foto: Keystone/EPA)
Zu Weihnachten
Papst prangert Europas
Abschottungspolitik an
ROM Papst Franziskus hat zu Weih-
nachten die Abschottungspolitik der
reichen Länder gegenüber Flüchtlin-
gen angeprangert. In seiner Weih-
nachtsbotschaft auf dem Petersplatz
in Rom erinnerte er am ersten Feier-
tag am Mittwoch an
das Leid derer, die aus
Not ihre Heimatländer
verliessen. «Es ist die
Ungerechtigkeit, die
sie dazu zwingt, Wüs-
ten und Meere, die zu
Friedhöfen werden, zu
überqueren. Es ist die
Ungerechtigkeit, die
sie dazu zwingt, un-
sagbare Misshandlun-
gen, Knechtschaft je-
der Art und Folter in
den unmenschlichen
Auffanglagern zu er-
tragen. Es ist die Unge-
rechtigkeit, die sie ab-
weist von Orten, wo sie
eine Hoffnung auf ein
würdiges Leben haben
könnten und die sie
auf Mauern der Gleich-
gültigkeit stossen
lässt», sagte Franzis-
kus. Am Ende seiner
Weihnachtsbotschaft
spendete der Papst
den traditionellen Se-
gen «Urbi et Orbi» (der Stadt und
dem Erdkreis). Dieser wird jährlich
zu Weihnachten und Ostern sowie
nach der Wahl eines neuen Papstes
ausgesprochen.
Wiederholt kritisch geäussert
Der aus Argentinien stammende Pon-
tifex hatte auch in der Vergangenheit
immer wieder offene Grenzen für
Flüchtlinge verlangt und auch schon
einmal Aufnahmelager auf den grie-
chischen Inseln mit «Konzentrations-
lagern» verglichen. In seiner Weih-
nachtsbotschaft widmete er sich auf
der Loggia des Petersdoms vor
55 000 Gläubigen auf dem Platz auch
den zahllosen Konflikten auf der
Welt. «Möge Christus
das Licht für die vielen
Kinder sein, die unter
dem Krieg und den
Konflikten im Nahen
Osten und in verschie-
denen Ländern der Er-
de leiden. Er richte das
geschätzte syrische
Volk auf, das immer
noch kein Ende der
Feindseligkeiten fin-
det», sagte der Papst.
Er erinnerte auch an
die Volksproteste und
Unruhen im Libanon
und im Irak und an die
Menschen, die unter
dem Krieg im Jemen
leiden. Mit Blick auf
Afrika erwähnte er die
Konflikte im Osten der
Demokratischen Repu-
blik Kongo und beklag-
te die Angriffe «radika-
ler Gruppierungen» in
Burkina Faso, Mali, Ni-
ger und Nigeria. Er for-
derte einen dauerhaf-
ten Frieden in der Ukraine und eine
Aussöhnung in Venezuela. Christen
feiern an Weihnachten die Geburt
des Religionsstifters Jesus Christus,
in dem nach christlichem Glauben
Gott Mensch wurde. «In Jesus hat
sich Gott zum Kind gemacht, um sich
von uns umarmen zu lassen», hatte
der Papst in der Christmette an Hei-
ligabend gesagt. Darin rief er die
Menschen zu selbstloser Mitmensch-
lichkeit auf. (sda/dpa)
«Es ist die
Ungerechtigkeit,
die sie abweist von
Orten, wo sie eine
Hoff nung auf ein
würdiges Leben
haben könnten und
die sie auf Mauern
der Gleichgültigkeit
stossen lässt.»
PAPST FRANZISKUS
KIRCHENOBERHAUPT
Vier Tote
Schusswechsel an
Grenze in Kaschmir
ISLAMABAD Bei wechselseitigem Be-
schuss in der Himalaya-Region Kasch-
mir sind in Indien und Pakistan je
zwei Menschen getötet worden. Pa-
kistanische Truppen seien am Mitt-
woch in der Region Dewa unter Be-
schuss geraten, teilte das Militär des
Landes mit. Dabei seien zwei Solda-
ten getötet worden. Die Armee habe
das Feuer erwidert. Auch in der Regi-
on Haji Pir habe es einen Schuss-
wechsel über die Grenze hinweg ge-
geben. Das Militär sprach von einer
grundlosen Verletzung des Waffen-
stillstandes. Indien wiederum warf
Pakistan vor, Stellungen seiner Ar-
mee beschossen zu haben. Dabei sei
in der Region Rampur ein Soldat ge-
tötet worden. Zudem sei eine junge
Zivilistin getötet und eine weitere
verletzt worden. Armeesprecher Ra-
jesh Kalia sagte, das indische Militär
habe zurückgeschossen. Kaschmir ist
zwischen Indien und Pakistan geteilt.
Beide Staaten beanspruchen aber das
ganze Gebiet für sich und haben des-
wegen schon zwei Kriege gegeneinan-
der geführt. Die Spannungen haben
sich im Sommer verschärft, nachdem
Indien die Autonomie im indischen
Teil Kaschmirs beschränkte. Der pa-
kistanische Premierminister Imran
Khan sagte am Donnerstag, sein indi-
scher Kollegen Narendra Modi könne
den pakistanischen Teil Kaschmirs
angreifen, um von seinen innenpoliti-
schen Schwierigkeiten abzulenken.
Pakistan werde dann entsprechend
reagieren. (ap)
Ein indischer Paramilitär in Kaschmir.
(Symbolfoto: Keystone/EPA)
Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan
übersteigt die 100 000-Marke
Trauriger Meilenstein Im Konflikt in Afghanistan sind seit 2009 mehr als 100 000 Zivilisten getötet oder verletzt worden.
Diese Zahl gab der UNO-Sonderbeauftragte für das Land, Tadamichi Yamamoto, am Donnerstag bekannt.
«Mit
äusserster Trau-
rigkeit stelle ich
fest, dass die Zahl
der zivilen Opfer
allein in den vergangenen zehn Jah-
ren seit Beginn der systematischen
Dokumentation im Jahr 2009 bis in
die Gegenwart kürzlich die 100 000
überschritten hat», schrieb er in
einer Mitteilung. Eine genaue Zahl
nannte er nicht. Yamamoto rief die
Konfliktparteien nach Angaben
der UNO-Mission in Afghanistan
(UNAMA) zugleich auf, «echte und
konkrete Schritte zur Beendigung
des Krieges zu unternehmen, da es
keine militärische Lösung für den Kon-
flikt in diesem Land geben kann».
Deutlicher Anstieg
Im dritten Quartal sei die Zahl der
verwundeten und getöteten Zivilis-
ten im Vergleich zum Vorjahreszeit-
raum um 42 Prozent gestiegen, teilte
die UNAMA im Oktober mit. Der star-
ke Anstieg zwischen dem 1. Juli und
dem 30. September sei vor allem auf
mehr Opfer durch die militant-isla-
mistischen Taliban zurückzuführen,
hatte es damals geheissen.
US-Gespräche mit den Taliban
Die Zunahme fiel zeitlich mit den –
dann zeitweise unterbrochenen –
Gesprächen der USA mit den Taliban
über eine politische Beilegung des
langjährigen Konflikts zusammen.
Der US-Sondergesandte für Afgha-
nistan, Zalmay Khalilzad, hatte vor
einer Woche mitgeteilt, er sehe die
Gespräche für einen Frieden in Af-
ghanistan auf einem guten Weg. US-
Präsident Donald Trump hatte bei
seinem Besuch in Afghanistan Ende
November die Wiederaufnahme der
im September abgebrochenen Ge-
spräche mit den Taliban angekün-
digt. (sda/dpa)
Alexej Nawalny
Russischer
Oppositioneller
erneut festgesetzt
MOSKAU Die russische Polizei
hat den prominenten Oppositi-
onsführer Alexej Nawalny
(rechts) erneut abgeführt. Be-
amte hätten sich am Donners-
tag gewaltsam Zutritt ins Büro
seiner Stiftung zur Bekämp-
fung von Korruption verschafft
und ihn mitgenommen, teilte
Nawalnys Sprecherin Kira Jar-
mysch mit. Es seien zunächst
keine Beschuldigungen gegen
ihn vorgebracht worden. Ein
Gerichtsdienst erklärte später,
Nawalny sei nicht festgenom-
men worden. Am Abend war er
wieder auf freiem Fus.
(Text: ap/reu; Foto: RM)