Missbrauchsfall
Kardinal wehrt sich
gegen Schuldspruch
LYON Der ehemals höchste katholi-
sche Würdenträger Frankreichs steht
erneut wegen Vertuschung sexuellen
Missbrauchs vor Gericht: Kardinal
Philippe Barbarin wehrte sich beim
Berufungsprozess gegen seine Verur-
teilung zu sechs Monaten Haft auf Be-
währung. Im März hatte ihn ein Ge-
richt schuldig gesprochen, jahrelang
zum sexuellen Missbrauch von Kin-
dern und Jugendlichen durch einen
Priester geschwiegen zu haben. Der
69-jährige Philippe Barbarin sagte
nun vor Gericht: «Ich verstehe nicht,
wessen ich schuldig sein soll und was
die Taten sind, die man mir vor-
wirft.» Er habe «Irrtümer» eingestan-
den, sehe aber keine Schuld im juris-
tischen Sinne. Einer seiner Anwälte
äusserte sich zuversichtlich, einen
Freispruch für den Kardinal erwir-
ken zu können. Die Opfer des Pries-
ters hoffen dagegen auf eine Bestäti-
gung des Schuldspruchs. (sda/afp)
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29. NOVEMBER 2019
Schön vorsichtig
Berliner Pandas
lernen Laufen
Laufenlernen kann ganz schön
anstrengend sein – auch für die
Panda-Zwillinge im Berliner Zoo.
Mit knapp drei Monaten versu-
chen die Jungtiere ganz vorsich-
tig, sich auf ihren Hinterbeinen
nach oben zu stemmen. Das
klappt aber noch nicht so ganz,
und die Müdigkeit siegt schnell.
Die schwarz-weissen Bärchen
wiegen nun jeweils fünf Kilo, wie
der Zoo am Donnerstag berichte-
te. (Text: dpa; Foto: RM/ Zoo Berlin)
Zu guter Letzt
Dreht das Riesenrad:
Österreicher stellt
Weltrekord auf
MÜNCHEN Der Österreicher Franz
«The Austrian Rock» Müllner hat ei-
nen Weltrekord im Riesenraddrehen
aufgestellt. Mit purer Muskelkraft
setzte der Kraftsportler am Donners-
tag ein 750 Tonnen schweres Rad in
München mithilfe von Seilen in Be-
wegung. Anschliessend sank er er-
schöpft zu Boden, bevor er jubelnd
die vom Rekord-Institut ausgestellte
Urkunde entgegennahm. Müllner hat
nach eigenen Angaben schon viele
Rekorde aufgestellt, etwa im Rollen
von Bratpfannen, im Bierfassstem-
men oder im Zertrümmern von Bier-
dosen am Bauch. 2014 zog er laut sei-
ner Internetseite eine Boeing 777.
2012 habe er 50 Kinder eine Skipiste
hochgezogen. (dpa)
«Stealthing»: Heimliches Abstreifen
des Kondoms bleibt straff rei
Justiz Das Zürcher Obergericht hat sich erstmals mit dem Phänomen «Stealthing» befassen müssen, also dem heimlichen
Abziehen eines Kondoms. Es sprach dabei einen 21-jährigen Studenten frei, denn beim «Stealthing» gibt es eine Gesetzeslücke.
Die
Tat sei «moralisch ver
werflich», sagte der Rich-
ter bei der Urteilser-
öffnung. Es gebe keine
Zweifel an den Aussagen der Sexu-
alpartnerin. Der Angeklagte habe
das Kondom heimlich abgestreift,
um mehr Spass zu haben. Trotzdem
konnte der Student den Saal als frei-
er Mann verlassen. Das Obergericht
musste den Freispruch der Vorin-
stanz, des Bezirksgerichtes Bülach,
wohl oder übel bestätigen. Grund
dafür ist eine Gesetzeslücke. Das so
genannte «Stealthing» ist bis jetzt
vom Gesetzgeber gar nicht vorge-
sehen. Als Vergewaltigung kann es
nicht eingestuft werden, weil die
Sexualpartnerin ihr Einverständnis
zum Sex ja grundsätzlich gab.
Eine Verurteilung wegen Schän-
dung kommt gemäss Obergericht
aber ebenfalls nicht in Betracht.
Schändung bezeichnet sexuellen
Missbrauch von wehrlosen Perso-
nen, dazu gehören etwa Schlafen-
de, Bewusstlose oder Menschen mit
Behinderungen. Die 20-jährige Stu-
dentin, die den 21-Jährigen ange-
zeigt hatte, war jedoch grundsätz-
lich zur Abwehr fähig. Und das
Nichteinhalten von Abmachungen
beim Sex ist nicht strafrechtlich er-
fasst. Das Obergericht sprach den
Student deshalb widerwillig nach
dem Grundsatz «keine Strafe ohne
Gesetz» frei und folgte damit dem
Antrag des Rechtsanwaltes.
«Fehlende Verständigung»
Ein Nein müsse natürlich ein Nein
sein, sagte der Anwalt. Aber nicht je-
de Handlung sei strafwürdiges Un-
recht. «Wenn die Gesellschaft das
Gesetz nicht mehr für zeitgemäss
hält, muss das Parlament das än-
dern.» Für den Anwalt war die Tat
kein sexueller Übergriff, sondern
ein «Unfall infolge fehlender Ver-
ständigung». Der Student betonte
während des Prozesses, dass er der
Meinung gewesen sei, dass seine
Partnerin gewusst habe, dass er das
Kondom abgestreift habe. Das Ding
sei ihm zu eng gewesen, und sie ha-
be «Fuck me» gesagt, was er als Auf-
forderung verstanden habe, ohne
Kondom in sie einzudringen.
Absprache verletzt
«Fehlende Verständigung» sah der
Staatsanwalt hingegen nicht. Die Stu-
dentin habe klar und deutlich gesagt,
dass sie nur mit Kondom Sex haben
wolle. «Sie hatte keine Möglichkeit,
das Fehlen des Kondoms zu bemer-
ken. Hier wurde eindeutig eine Ab-
sprache verletzt.» Der Staatsanwalt
forderte 14 Monate Freiheitsstrafe be-
dingt. Das heimliche Abstreifen des
Kondoms sei keine Bagatelle. Die Stu-
dentin habe wochenlang in der Angst
gelebt, sich mit HIV angesteckt zu ha-
ben. Sie habe deshalb auch eine HIV-
Prophylaxe gemacht. Der Student
hingegen habe keinerlei Empathie
gezeigt und sie auch nicht zum Arzt
begleitet. Stattdessen habe er ver-
sucht, mit unangebrachten Witzen
seine Tat kleinzureden. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig. Es ist anzu-
nehmen, dass der Staatsanwalt diese
Gesetzeslücke vom Bundesgericht
beurteilt haben will.
Tinder-Date mit Rückenmassage
Vereinbart wurde das verhängnis-
volle Stelldichein über die Dating-
App Tinder. Nach etwas Alkohol und
einer Rückenmassage hatten die bei-
den Studierenden Sex «quer durch
die ganze Wohnung», wie es der Stu-
dent vor Gericht ausdrückte. Seit
diesem Vorfall treffe er aber keine
Frauen mehr «nur für Sex», beteuer-
te der Beschuldigte. Wenn er wieder
mehr Zeit habe, wolle er sich end-
lich wieder auf sein Jus-Studium
konzentrieren. Für den Staatsanwalt
eindeutig die Falsche Wahl. «Juriste-
rei ist das falsche für Sie», gab er
ihm mit auf den Weg. Der Student ist
bereits wegen Verkehrs- und Dro-
gendelikten vorbestraft.
Dies ist erst der zweite Fall von
«Stealthing», der in der Schweiz vor
Gericht landet. Der erste war im
Waadtland. Dort entschied das Kan-
tonsgericht als zweite Instanz je-
doch anders. Es kam im November
2017 zum Schluss, dass es eine
Schändung sei. (sda)
Die Zürcher Justiz musste sich mit einem Fall befassen, bei der der Mann sein
Kondom während des Geschlechtsverkehrs abstreifte. (Symbolfoto: Shutterstock)
Nun auch in der Schweiz
Petition: «Sex ohne
Einwilligung ist
Vergewaltigung»
BERN Sex ohne Einwilligung soll in
der Schweiz als Vergewaltigung gel-
ten: Das fordern 37 000 Personen in
einer Petition, die am Donnerstag an
das Eidg. Justiz- und Polizeideparte-
ment (EJPD) überreicht wurde. Die
Petition mit dem Titel «Gerechtig-
keit für Betroffene von sexueller Ge-
walt», an der sich die Schweizer Sek-
tion von Amnesty International und
über dreissig Organisationen betei-
ligt haben, fordert wirksame Mass-
nahmen gegen sexuelle Gewalt an
Frauen und eine Reform des veralte-
ten Sexualstrafrechts. Sex brauche
die Zustimmung von beiden Beteilig-
ten. Alle sexuellen Handlungen oh-
ne Einwilligung müssten angemes-
sen bestraft werden können.
Die Petition wurde im Rahmen der
«16 Aktionstage gegen Gewalt an
Frauen» überreicht. Laut einer im
Mai publizierten Umfrage von GFS
Bern bei rund 4500 Frauen in der
Schweiz hat mindestens jede fünfte
Frau ab 16 Jahren schon ungewollte
sexuelle Handlungen erlebt, mehr
als jede zehnte Frau hatte Sex gegen
ihren Willen. Die Dunkelziffer von
sexueller Gewalt an Frauen in der
Schweiz ist hoch: Fast die Hälfte der
Frauen gab bei der Umfrage an, den
Vorfall sexueller Gewalt für sich be-
halten zu haben. (sda)
Aktivistinnen bei der Übergabe der
Petition ans Justizdepartement. (Foto: AI)
www.volksblatt.li
In die Schweiz und Liechtenstein eingewandert
Nordischer Borkenkäfer im
Rheintal nachgewiesen
BIRMENSDORF Die Fichten der
Schweiz und Liechtenstein haben
ein neues Problem: Ein aus Skandi-
navien stammender Borkenkäfer,
der vor allem diese Baumart befällt,
wurde im Rheintal nachgewiesen.
Der Nordische Fichtenborkenkäfer
(Ips duplicatus, Foto) ist eigentlich
in Skandinavien, Osteuropa, Russ-
land und Asien heimisch. Über na-
türliche Ausbreitung, vor allem aber
auch durch Holztransporte macht er
sich seit einigen Jahren jedoch auch
in Mitteleuropa breit, zum Bei-
spiel in Deutschland und Ös-
terreich. Nun berichtet die
Eidgenössische Forschungs-
anstalt für Wald, Schnee
und Landschaft (WSL) auch von
Funden in der Schweiz. In Zusam-
menarbeit mit den Forstdiensten
des Kantons St. Gallen und des Fürs-
tentums Liechtenstein wiesen die
WSL-Forscher den Nordischen Fich-
tenborkenkäfer auf beiden Seiten
des Rheintals mit Lockstoff-Fallen
und in gelagertem Käferholz nach,
wie die WSL am Donnerstag mitteil-
te. Bisher beschränken sich die Fun-
de aufs Rheintal, bestätigt Beat Wer-
melinger auf Anfrage der Nachrich-
tenagentur Keystone-SDA.
Noch sei unklar, welche wirt-
schaftlichen Folgen der Nor-
dische Borkenkäfer mit sich
bringt. (sda)
14,4 Milliarden Euro für europäische Raumfahrt
ESA erhält Zuspruch für Rekordbudget
SEVILLA An der Ministerratskonfe-
renz der europäischem Weltraumor-
ganisation ESA in Sevilla haben die
Mitgliedsstaaten ein Rekord-
budget verabschiedet. Zur Ge-
samtsumme von 14,4 Milliar-
den Euro trägt die Schweiz
542 Millionen Euro bei. Die eu-
ropäische Raumfahrt hat Grosses
vor für die kommenden fünf Jahre.
Für das ambitionierte Paket an Pro-
jekten «Space19+» hat die Minister-
ratskonferenz der 22 ESA-Mitglieds-
staaten am Donnerstag ein Budget
von 14,4 Milliarden Euro verabschie-
det. Zum Vergleich: Bei der letzten
Konferenz vor drei Jahren in Luzern
sprachen die Mitgliedsstaaten der
ESA ein Budget von zehn Milliarden
Euro zu. Der neue Esa-Haushalt für
eine Laufzeit von drei bis fünf Jah-
ren ist damit der höchste seit Grün-
dung der Organisation. Die Bud-
getsteigerung sei seit 25 Jahren
der erste signifikante Finanz-
schub für die Aktivitäten der
europäischen Raumfahrt, wie
die ESA zum Abschluss der Kon-
ferenz in Sevilla in einer Mitteilung
schrieb. Die Schweiz will 542 Millio-
nen Euro beitragen. Die grössten
Beitragszahler sind Deutschland mit
knapp 3,3 Milliarden und Frank-
reich mit fast 2,7 Milliarden Euro.
Zum Mond und noch weiter
Im Fokus der Vorhaben stehen ins-
besondere der Mond und der Mars.
Die ESA will sich an der «Artemis»-
Mission der NASA beteiligen, die 2024
wieder Menschen auf den Mond brin-
gen soll. Beispielsweise will die Esa
zur Konstruktion des Gateway betei-
ligen, einer von der NASA geplanten
Raumstation für den Orbit des Mon-
des, von der aus Missionen auf die
Mondoberfläche starten sollen. Der
Plan der ESA ist, auch erstmals euro-
päische Astronauten zum Mond flie-
gen zu lassen. Ebenfalls in Zusam-
menarbeit mit der NASA will die Esa
eine Mars-Mission lancieren, die Bo-
denproben der Marsoberfläche zur
Erde zurückbringen soll. Eine neue
Säule in der Strategie der ESA stellt
das Programm «Safety and Securi-
ty» dar. Darunter fällt der Schutz
von Infrastrukturen im All und auf
der Erde vor Weltraumschrott, Aste-
roiden oder Sonnenstürmen. (sda)