Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2019)

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Schwerpunkt LKV-Geschäftsführer Thomas Hasler über das Spit 
VON DANIELA FRITZ 
«Volksblatt»: Vor Kurzem konnten 
die Krankenkassen mit guten Neuig- 
keiten aufwarten: Die mittlere OKP- 
Prämie sinkt. Die Kosten steigen 
aber weiter, wenn auch langsamer: 
Wie lange wird es dauern, bis die 
Prämie wieder steigt? 
Thomas Hasler: Das kommt darauf 
an, welche weiteren Massnahmen 
gesetzt werden. Im Bereich der Tari- 
fe sind wir auf regionalem Niveau. 
Durch diese und andere Massnah- 
men aus der letzten KVG-Revision 
konnten die Kosten und damit auch 
die Prämien bisher stabil gehalten 
werden. Eine Voraussage der Kos- 
tenentwicklung unterjährig gestaltet 
sich in unserem kleinen Versicher- 
tenkollektiv immer schwierig. Eine 
Prognose abzugeben, wann die Prä- 
mien wieder steigen, ist daher nicht 
möglich. 
Welche Massnahmen können über- 
haupt noch ergriffen werden, sind 
die Möglichkeiten nicht langsam 
ausgeschöpft? 
Es gibt immer wieder mögliche 
Massnahmen, etwa innovative Versi- 
cherungsmodelle. Bis jetzt kann 
man zwischen der Grundversiche- 
rung und verschiedenen Franchisen 
wählen. Unsere Nachbarn in der 
Schweiz haben andere Modelle, et- 
wa ein Telemedizin- oder Hausarzt- 
modell. Solche können mit der ge- 
planten Änderung des KVG auch 
hierzulande von den einzelnen 
Krankenkassen angeboten werden. 
Was ist darunter zu verstehen? 
Beim Telemedizinmodell verpflich- 
tet sich der Versicherte, vor dem 
Arztbesuch eine Hotline anzurufen. 
Dort empfiehlt medizinisch geschul- 
tes Personal und Ärzte, was man in 
dem speziellen Fall  als nächsten Be- 
handlungsschritt empfehlen wird. 
So können Leistungen optimaler in 
Anspruch genommen werden, an- 
statt dass man gleich ins Spital oder 
zum Arzt geht. Das Hausarztmodell 
hatten wir bereits in Liechtenstein: 
Der Patient geht dann zuerst zum 
Hausarzt. Im Gegenzug erhalten die 
Versicherten in diesen Modellen ei- 
nen Rabatt auf die Prämie und Kos- 
tenbeteiligung. In der Schweiz sind 
bereits 70 Prozent der Versicherten 
in solchen oder ähnlichen Modellen 
versichert. 
Stellt sich die Frage, ob diese Versi- 
cherungsmodelle dann auch genutzt 
werden. Für eine höhere Franchise 
beispielsweise entscheidet sich in 
Liechtenstein bisher nur jeder zehn- 
te Versicherte. 
Ich denke, das braucht einfach Zeit. 
Lange war es in Liechtenstein durch 
tiefe Prämien nicht attraktiv, eine hö- 
here Franchise zu 
wählen. Das wird 
sich in den nächs- 
ten Jahren sicher 
ändern. Die Prä- 
mien werden als 
grosser Posten im 
Haushaltsbudget 
wahrgenommen. Wenn sich da etwas 
optimieren lässt, werden sich die 
Versicherten nach und nach mit der 
Frage auseinandersetzen. 
Müssen die Kassen sich vielleicht 
auch selbst am Hut nehmen und die 
Versicherten vermehrt darauf hin- 
weisen? Oder ist das gar nicht im In- 
teresse der Kassen? 
Die Versicherer weisen natürlich da- 
rauf hin, dass es höhere Franchisen 
und Einsparungspotenzial gibt. Da- 
bei muss man aber immer auch dar- 
auf achten, in welcher Situation die 
jeweilige Person ist und welches Mo- 
dell für sie tragbar ist. Nicht alle Ver- 
sicherten nehmen jedoch ein Bera- 
tungsgespräch in Anspruch, ein sol- 
ches kann ich nur empfehlen 
Wem würden Sie die höchste Fran- 
chise denn empfehlen? 
Das hängt von der persönlichen Situ- 
ation ab. Wer im Fall eines Leistungs- 
bezugs die Kosten ohne Probleme 
tragen kann, sollte eine höhere Fran- 
chise wählen. Wenn jemand bereits 
finanzielle Engpässe hat, würde ich 
von der höchsten Franchise abraten. 
Eventuell käme stattdessen eine 
mittlere Kostenbeteiligung infrage. 
Das Prinzip «Ambulant vor Statio- 
när» sollte ja auch Einsparungen 
bringen. Das Prinzip wird seit die- 
sem Jahr umgesetzt, lassen sich ers- 
te Effekte erkennen? 
Es hat einen kleinen Verlagerungsef- 
fekt von den stationären Kosten zu 
den ambulanten Kosten gegeben. Al- 
lerdings läuft das Prinzip erst an 
und nur ein kleiner Teil aller Be- 
handlungen wird ausschliesslich 
ambulant durchgeführt. Zu beach- 
ten ist hierbei, dass die Kosten im 
ambulanten Bereich zur Gänze von 
den Krankenkassen übernommen 
werden, während der Staat im stati- 
onären Grundversorgungsbereich 
55 Prozent übernimmt. Das heisst: 
Wenn ein Patient ambulant statt sta- 
tionär behandelt wird, spart das 
zwar Kosten. Aber nicht unbedingt 
dem Prämienzahler, sondern dem 
Staat. Es wäre uns ein grosses Anlie- 
gen, wenn die Finanzierung von am- 
bulanten und stationären Behand- 
lungen gleich gehandhabt wird. So 
würden die Einsparungen auch 
beim Prämienzahler ankommen. 
Viele befürchten, dass es durch ei- 
nen Neubau des Landesspitals zu 
Mengenausweitung kommt und die 
Prämien steigen. Kann dies wirklich 
passieren? 
Grundsätzlich hat sich der Kranken- 
kassenverband immer gegen einen 
Kapazitätsausbau bei den Spitälern 
ausgesprochen. Es gibt wirklich sehr 
viele Spitäler in der Region. Mit der 
Vorlage zu einem Neubau des Lan- 
desspitals werden aber im Gegen- 
satz zum bestehenden Gebäude so- 
gar Bettenkapazitäten reduziert. 
Diese Tendenz begrüssen wir. Ich 
denke daher nicht, dass es durch 
den Neubau zu einer Mengenauswei- 
tung und damit negativen Effekten 
bei der Prämie kommt. 
In St. Gallen werden Spitäler ge- 
schlossen, Vaduz will einen Neubau. 
Sollte das Landesspital nicht besser 
mit Grabs zusam- 
menspannen? 
Die Entscheidung 
des Kantons St. Gal- 
len, an gewissen 
Standorten keine 
stationäre Versor- 
gung mehr anzubie- 
ten, hat uns vor allem eines gezeigt: 
Dass wir als Land ebenfalls etwas 
unternehmen müssen. So weit ich 
weiss, ist Liechtenstein in die Ent- 
scheidung des Kantons St. Gallen po- 
litisch nicht einbezogen worden. 
Wir stehen vor vollendeten Tatsa- 
chen, obwohl die Diskussionen in St. 
Gallen noch einige Zeit in Anspruch 
nehmen werden. Eine regionale Spi- 
talplanung wäre der wünschenswer- 
te Idealzustand. Solange aber in der 
Schweiz keine regionale Spitalpla- 
nung in Gang kommt, sondern jeder 
Kanton sein eigenes Süppchen 
kocht, muss Liechtenstein seinen ei- 
genen Weg suchen. 
Nun wäre in St. Gallen mit der Spi- 
talstrategie aber anscheinend etwas 
in Gang gekommen. 
Die Sache ist die: Die Bauarbeiten 
am Spital Grabs sind im vollen Gan- 
ge. Der Bau eines gemeinsamen regi- 
onalen Spitals ist also gelaufen. Eine 
Kooperation abseits der baulichen 
Frage mit Grabs und anderen Spitä- 
lern in der Region ist aber auf jeden 
Fall sinnvoll und wird von den Ver- 
antwortlichen sicherlich auch im 
Fall eines Neubaus weiterhin ver- 
folgt. Liechtenstein wird immer auf 
eine Zusammenarbeit mit ausländi- 
schen Spitälern 
angewiesen sein 
und unsere Part- 
ner sind dabei zu 
allererst die Spi- 
täler in St. Gallen 
und Graubünden. 
Wir können im In- 
land maximal 50 Prozent unserer 
Fälle behandeln. Sobald die Fälle 
komplexer sind, muss Liechtenstein 
ohnehin mit einem Zentrumsspital 
zusammenarbeiten. 
Die Debatte um das Landesspital ist 
emotional. Mit welchen Mythen wol- 
len Sie aus LKV-Sicht aufräumen? 
Man sollte mit der Angstmacherei 
aufhören, dass die Spitalwahl für 
die Versicherten eingeschränkt 
wird. Wir haben ein gutes Netz aus 
Vertragsspitälern – darunter auch 
Grabs. Weil Liechtenstein nicht alle 
Fälle im Landesspital behandeln 
kann,   wird es die freie Spitalwahl 
unter den Vertragsspitälern auch 
mit einem Neubau geben. 
Was würden Sie am 24. November in 
die Urne legen? 
Ich werde mich nach Abwägung al- 
ler pro und contra Argumente für 
ein neues Landesspital aussprechen. 
Wir sollten mit Blick auf die sich ver- 
ändernde Altersstruktur der Gesell- 
schaft und den medizinischen Fort- 
schritt selbst über unsere Spitalpla- 
nung entscheiden können und nicht 
zu 100 Prozent von anderen abhän- 
gig sein. Das gelingt am besten mit 
einer neuen, modernen Infrastruk- 
tur. Da das Landesspital mit regiona- 
len Tarifen arbeiten muss, wird es 
für den Prämienzahler auch nicht 
teurer als in einer Behandlung in ei- 
nem anderen Spital in der Region. 
Ausserdem bleibt die Wertschöp- 
fung im Land. 
Politisch präsent ist auch der Um- 
gang mit Casinos im Land. Gefordert 
wird die Zweckbindung der Geld- 
spielabgabe. Was halten Sie davon, 
wenn dieses Geld an die OKP ginge? 
Wir freuen uns grundsätzlich, wenn 
wir unseren Versicherten dank zu- 
sätzlicher Einnahmen tiefere Prämi- 
en anbieten könnten. Ich halte es 
aber nicht für sinnvoll, bestimmte 
Steuereinnahmen für eine Sozialver- 
sicherung vorzusehen. Dann würde 
die Finanzierung der Krankenversi- 
cherung vom Geschäftsgang dieses 
Wirtschaftszweigs abhängen. Der 
Landtag soll weiterhin frei entschei- 
den, wie hoch der jährliche Staats- 
beitrag an die OKP ist. Aus welchen 
Steuermitteln dieser stammt, sollte 
keine Rolle spielen. 
Der Landtag erhöhte im Juni den 
OKP-Staatsbeitrag um vier Millionen 
Franken – reicht das oder bräuchte 
es noch mehr? 
Es ist eine politische Frage, wie weit 
der Staat die Krankenversicherungs- 
prämien subventionieren will. Je hö- 
her der Staatsbeitrag, desto tiefer 
die Prämien. So werden die Prämien 
zwar auf bezahlbarem Niveau gehal- 
ten. Das heisst im Umkehrschluss 
aber, dass die Kostenwahrheit nicht 
bei den Versicherten ankommt. Ob- 
wohl Liechtenstein von den Kosten 
her auf dem Niveau der teureren 
Schweizer Kantone liegt, ist die Prä- 
mie tiefer als in unseren im 
schweizweiten Vergleich günstigen 
Nachbarkantonen. Der LKV schätzt 
den allgemeinen Staatsbeitrag, mit 
dem der Staat seiner sozialen Ver- 
antwortung nachkommt, spricht 
sich prinzipiell aber für ein überwie- 
gend prämienfi- 
nanziertes Sys- 
tem aus. In den 
vergangenen Jah- 
ren wurde der 
Staatsbeitrag im- 
mer mal wieder 
erhöht und ge- 
senkt. Das verursacht grosse Sprün- 
ge bei den Prämien, die der Prämi- 
enzahler nicht nachvollziehen kann. 
Hier müsste beim Staatsbeitrag 
mehr Kontinuität in der Anpassung 
einkehren. Ausserdem verbilligt der 
Staatsbeitrag die Prämie für alle – 
vom Bankdirektor bis zum Bauarbei- 
ter. Eine soziale und sinnvolle Mass- 
nahme ist die Unterstützung der 
Versicherten mit geringem Einkom- 
men durch die Prämienverbilligung. 
Damit erreicht man zielgenau die 
Menschen, die wirklich Schwierig- 
keiten haben, den Lebensunterhalt – 
unter anderem die Sozialversiche- 
rungsprämien – zu finanzieren. 
Das Prämienverbilligungssystem 
wird ohnehin auf neue Beine ge- 
stellt, wie der Landtag nun entschie- 
den hat. Was halten Sie davon? 
Es ist der richtige Weg, Geld für die 
Prämienverbilligung zu verwenden. 
Damit werden Versicherte mit tiefen 
Einkommen gezielt entlastet. In der 
aktuell von der Regierung vorgeleg- 
ten KVG-Reform wird zudem vorge- 
schlagen, die Prämienverbilligung 
direkt an die Krankenkassen auszu- 
bezahlen, so werden die Versicher- 
ten direkt und unmittelbar bei der 
Prämienzahlung entlastet. Das ist 
für den Versicherten sinnvoll und 
richtig. Dieses Modell wird im Übri- 
gen in einigen schweizerischen Kan- 
tonen bereits erfolgreich praktiziert. 
Erstaunlich ist, dass viele An- 
spruchsberechtigte gar keine Prämi- 
enverbilligung beantragen. Woran 
könnte das liegen? 
Das ist schwer zu sagen. In den ver- 
gangenen Wochen wurde viel über 
Prämienverbilli- 
gung berichtet, zu- 
dem informieren 
auch die Amtsstel- 
len. Wenn jemand 
die Prämienverbil- 
ligung nicht in An- 
spruch nimmt, 
liegt es wohl weni- 
ger an Unwissenheit. Ich glaube eher, 
dass diese Menschen die Prämienver- 
billigung nicht brauchen oder nicht 
in Anspruch nehmen wollen. 
Zwei Drittel der Bezüger von Prämi- 
enverbilligungen haben Zusatzversi- 
cherungen abgeschlossen. Passt das 
zusammen? 
Man muss die OKP-Grundversiche- 
rung und die Zusatzversicherung 
voneinander entkoppelt sehen: Der 
eine entscheidet sich für eine Zu- 
satzversicherung, der andere will 
lieber ein neues Auto oder geht mit 
dem Geld in die Ferien. Das ist eine 
freiwillige Konsumentscheidung. Ei- 
ne Zusatzversicherung leisten sich 
die Leute gerne, was aus meiner 
Sicht auch sinnvoll ist. 
Fehlt es vielleicht einfach an Infor- 
mation seitens der Kassen, die ja an 
Zusatzversicherungen verdienen? 
Im Beratungsgespräch wird natür- 
lich auch darauf eingegangen, wel- 
che Zusatzversicherungen vorhan- 
den sind. Es empfiehlt sich, regelmäs- 
sig zu prüfen, ob die Versicherungen 
noch die Bedürfnisse decken. 
Generell zeigt sich, dass sich vor al- 
lem Ältere eine Zusatzversicherung 
leisten, während Jüngere vermehrt 
darauf verzichten. Um die Finanzie- 
rung des Systems nachhaltiger zu 
gestalten, schlagen die Kassen al- 
tersbezogene Tarife vor. Ging hier 
bereits etwas vorwärts? 
Man kann ein System nicht von heu- 
te auf morgen ändern. Dazu braucht 
es Übergangsfristen und flankieren- 
de Massnahmen. Wir werden hier si- 
cherlich tragfähige Lösungen vor- 
schlagen, entscheiden müssen da- 
nach die Politik 
und die Versicher- 
ten. Irgendwann 
werden wir bei der 
Zusatzversiche- 
rung aber auf 
Schwierigkeiten 
stossen. Es ist bes- 
ser, die Probleme 
heute anzugehen. Unser Ziel ist es, 
die Finanzierbarkeit der Zusatzver- 
sicherungen für Alt und Jung nach- 
haltig zu sichern. 
Von der Freien Liste werden immer 
wieder einkommensabhängige 
Krankenkassenprämien gefordert. 
Wie sehen Sie das? 
Das wäre eine riesige Systemumstel- 
lung. Ich halte nichts davon, weil es 
«Es ist der richtige Weg, Geld für die 
Prämienverbilligung zu verwenden» 
Interview Das Gesundheitswesen ist derzeit wieder in aller Munde. Das «Volksblatt» hat sich mit Thomas Hasler, dem 
Geschäftsführer des Liechtensteinischen Krankenkassenverbands (LKV), über die Gesundheitskosten und an welchen Schrau- 
ben noch gedreht werden kann, Prämienverbilligung und natürlich einen allfälligen Neubau des Landesspitals unterhalten. 
«Irgendwann werden wir 
bei der Zusatzversicherung 
auf Schwierigkeiten stossen. 
Es ist besser, die Probleme 
heute anzugehen.» 
«Lange war es in 
Liechtenstein durch tiefe 
Prämien nicht attraktiv, 
eine höhere Franchise 
zu wählen.» 
«Liechtenstein wird immer 
auf eine Zusammenarbeit 
mit ausländischen Spitälern 
angewiesen sein.»
	        

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