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30. OKTOBER 2019
Britisches Parlament stimmt
für Neuwahlen am 12. Dezember
Brexit Das britische Par-
lament hat für die von Pre-
mierminister Boris Johnson
geforderten vorgezogenen
Neuwahlen am 12. Dezember
gestimmt. 438 Abgeordnete
unterstützten ein Neuwahlge-
setz des Regierungschefs, 20
stimmten dagegen.
Premierminister
Boris John-
son will ein neues Parlament
wählen lassen, um sein mit
Brüssel ausgehandeltes
Brexit-Abkommen umzusetzen und
Grossbritannien schnellstmöglich
aus der Europäischen Union zu füh-
ren. Seine konservative Regierungs-
partei hat derzeit aber keine Mehr-
heit im Unterhaus. Noch am Montag
war ein Antrag Johnsons auf eine
Neuwahl am Widerstand der Labour-
Opposition gescheitert. Eigentlich
ist laut britischem Wahlgesetz eine
Zweidrittelmehrheit notwendig, um
eine vorgezogene Neuwahl auszu-
lösen. Ohne Labour-Unterstützung
war das nicht zu erreichen. Regulär
hätte in Grossbritannien erst wieder
2022 gewählt werden sollen.
Neues Gesetz aus dem Hut gezogen
Doch mit dem am Dienstag im Eil-
verfahren durch das Unterhaus ge-
peitschten Neuwahlgesetz konnte
dieses Erfordernis umgegangen wer-
den. Den Ausschlag für den Erfolg
hatten die kleineren Oppositions-
parteien, die Schottische National-
partei SNP und die Liberaldemokra-
ten, gegeben. Sie signalisierten be-
reits am Wochenende ihre Unter-
stützung für eine Neuwahl. Einziger
Streitpunkt war der genaue Wahlter-
min. Während Johnson erst am 12.
Dezember wählen lassen wollte,
sprachen sich die SNP und Liberale
für den 9. Dezember aus. Die Regie-
rung setzte sich schliesslich durch.
Mit der Unterstützung der kleineren
Parteien für das Neuwahlgesetz hat-
te Labour sein Veto verloren, weil
schon eine einfache Mehrheit zur
Verabschiedung ausreichte. Die So-
zialdemokraten stehen derzeit in
den Umfragen relativ schlecht da.
Die Traditionspartei versprach sich
von einer Neuwahl im kommenden
Jahr bessere Chancen.
No-Deal-Gefahr gebannt
Trotzdem gab Labour seinen Wider-
stand gegen eine Neuwahl am Mor-
gen auf. Ein ungeregelter Brexit sei
nun ausgeschlossen, daher werde
Labour einer Parlamentswahl zu-
stimmen, sagte Parteichef Jeremy
Corbyn während der Debatte. «Es ist
Zeit für einen echten Wandel. Ich ha-
be immer gesagt, dass wir eine Wahl
unterstützen werden, wenn ein No
Deal vom Tisch ist», sagte der 70-Jäh-
rige. Für die Konservativen sehen
die Umfragewerte derzeit recht gut
aus. Doch der Urnengang ist nicht
ohne Risiko: Bereits Johnsons Vor-
gängerin Theresa May hatte sich 2017
mit einer vorgezogenen Neuwahl
verzockt und ihre knappe Mehrheit
verspielt. Johnson hat sein wichtigs-
tes Wahlversprechen bereits gebro-
chen: «Komme, was wolle», werde er
das Land am 31. Oktober aus der EU
führen, hatte er angekündigt. Lieber
wolle er «tot im Graben» liegen, an-
statt eine Verlängerung der Austritts-
frist zu beantragen.
Dritte Verschiebung
Doch er konnte seinen mit der EU
nachverhandelten Brexit-Deal nicht
rechtzeitig durch das Parlament
bringen. So blieb ihm am Ende
nichts anderes übrig, als doch zäh-
neknirschend einen Verlängerungs-
antrag nach Brüssel zu schicken.
Die Brexit-Frist wurde um bis zu
drei Monate verlängert. Es war be-
reits die dritte Verschiebung. Am
Dienstag segneten die EU-Staats-
und Regierungschefs den Brexit-
Aufschub offiziell ab, wie EU-Rats-
präsident Donald Tusk via Twitter
mitteilte. «An meine britischen
Freunde [...] bitte nutzt diese Zeit
bestmöglich», schrieb Tusk weiter.
Der EU-Austritt soll nun spätestens
am 31. Januar erfolgen. Er ist aber
auch eher möglich, wenn eine Rati-
fizierung des Austrittsabkommens
vorher gelingt. Entscheidend für ei-
nen Wahlerfolg Johnsons könnte
werden, ob es ihm gelingt, die
Schuld für die weitere Verzögerung
der Opposition in die Schuhe zu
schieben. Konkurrenz muss er vor
allem von der Brexit-Partei von Ni-
gel Farage fürchten, die einen EU-
Austritt ohne Abkommen als idea-
len Weg anpreist. Zudem muss er
hoffen, der Labour-Partei Stimmen
abzujagen. Die Briten hatten vor
über drei Jahren – im Sommer 2016 –
in einem Referendum mit knapper
Mehrheit für den Austritt aus der EU
gestimmt. (sda/afp)
Ein Pro-Brexit-Demonstrant am Dienstag vor dem britischen Parlament in London. (Foto: RM)
Sperren für Online-Geldspiele in
der Schweiz greifen teilweise nicht
Verspielt Personen mit problematischem Spielverhalten tätigen rund die Hälfte ihrer Einsät-
ze beim Online-Glücksspiel. Besonders viele Süchtige gibt es bei internationalen Online-Spie-
len. Doch noch immer sind in der Schweiz nicht alle ausländischen Geldspiel-Seiten gesperrt.
Viele Spielende gehen bei Geldspie-
len im Internet ein überdurchschnitt-
lich hohes Risiko ein, wie Sucht
Schweiz am Montag in einer Mittei-
lung schreibt. Dies vor allem, weil
das Angebot permanent verfügbar
sei, man den Bezug zum realen Geld
schnell verliere und die soziale Kon-
trolle fehle. Das internationale Pro-
gramm «Spielen ohne Sucht» lanciert
nun im Auftrag von 16 Deutsch-
schweizer Kantonen eine digitale
Sensibilisierungskampagne. Diese
soll etwa vermitteln, wie Spielende
ihr Spielverhalten kritisch unter die
Lupe nehmen können. Wenn man
sich beispielsweise beim Spielen
nicht mehr amüsiere, sei dies ein An-
zeichen dafür, dass man die Kontrol-
le darüber verloren habe. Ein Tipp,
um sich vor einer Spielsucht zu schüt-
zen, sind etwa Zeit- oder Geldlimiten,
die bei den Schweizer Onlinecasinos
im Spielerschutz-Bereich hinterlegt
werden können. Auch Auszeiten solle
man sich nehmen.
Viele Seiten noch zugänglich
Eine Anfang Oktober publizierte
Studie zeigt, dass der Anteil der
Spielsüchtigen bei internationalen
Online-Spielen besonders hoch ist.
Die Untersuchung bezog sich auf das
Jahr 2017 – also auf Daten, die noch
vor dem Inkrafttreten des neuen
Geldspielgesetzes Anfang 2019 er-
fasst wurden. Dieses neue Gesetz er-
möglicht Netzsperren für nicht zu-
gelassene ausländische Online-Spie-
le. Die Eidgenössische Spielbanken-
kommission (ESBK) führt eine Liste
mit den Internetadressen, welche
gesperrt werden müssen. Von den
fast sechzig Adressen sind aber fast
ein Drittel noch zugänglich. Die Eid-
genössische Spielbankenkommissi-
on (ESKB) klärt mit den Telekoman-
bietern ab, wieso die Seiten noch
nicht gesperrt sind, wie es beim
ESKB auf Anfrage der Nachrichten-
agentur Keystone-SDA hiess. Sie set-
ze zudem eine Frist, bis wann die
Sperre durchgesetzt sein muss. Da-
für, wieso die Websites noch zugäng-
lich sind, gibt es diverse Gründe. Et-
wa, wenn ein Telekomanbieter meh-
rere Server betreibt und die Sperren
nicht automatisch auf allen Servern
übernommen werden. Zudem könn-
ten etwa Firmen selber steuern, wel-
che Sperren sie übernehmen wollen.
Dadurch ist es möglich, dass Spie-
lende auf dem Computer in der Fir-
ma weiterhin auf den ausländischen
Onlineseiten spielen können, wäh-
rend sie es über das private Netz auf
dem Handy nicht mehr könnten.
Aus serdem gibt es sogenannte «Whi-
te Lists», welche die Black Lists über-
steuern. Websites, die hohe Klick-
zahlen hätten, werden dadurch von
der schwarzen Liste ausgenommen.
In der Regel seien dies Seiten wie
Google oder Facebook. Die Praxis
zeige aber nun, dass auch Websites
der Black List darunter seien.
Schwarze Liste wächst weiter
Während nach wie vor noch nicht al-
le bislang gemeldeten Seiten ge-
sperrt sind, wächst die schwarze
Liste der ESBK weiter. Die ersten 40
Adressen wurden am 3. September
veröffentlicht. Sechs Wochen später
war die Liste um 20 weitere Adres-
sen gewachsen. Die illegalen Inter-
netseiten würden etwa von Perso-
nen gemeldet, die nach dem Spielen
Geld nicht ausbezahlt bekämen.
Auch Schweizer Casinos würden der
ESBK Adressen weitergeben. Zuwei-
len stosse die ESBK auch selber auf
illegale Internetangebote. (sda)
In der Schweiz sind ausländische
Online-Geldspiele im Gegensatz zu
Liechtenstein nicht zugelassen. (Foto: SSI)
In Nordsyrien
Kurdenmiliz zieht
vor Ende der
Waff enruhe ab
MOSKAU Die Kurdenmiliz YPG ist
nach Angaben des russischen Vertei-
digungsministers Sergej Schoigu
kurz vor Ablauf einer Waffenruhe
aus Nordsyrien abgezogen. Nun hät-
ten dort syrische Grenztruppen und
die russische Militärpolizei die Kon-
trolle übernommen, sagte Schoigu
der Agentur Interfax zufolge am
Dienstag. Eine zwischen Russland
und der Türkei vereinbarte Waffen-
ruhe dürfte nun weiter gelten. An-
ders als Russland äusserte sich die
türkische Führung vorsichtiger. «Wir
werden durch gemeinsame Patrouil-
len feststellen, ob sich die Terroris-
ten tatsächlich zurückgezogen ha-
ben oder nicht», teilte der Kommuni-
kationsdirektor des türkischen Präsi-
denten Recep Tayyip Erdogan, Fah-
rettin Altun, auf Twitter mit. Die hu-
manitäre Lage in Nordsyrien ist laut
Welternährungsprogramm (WFP)
verheerend. «Viele Menschen muss-
ten fliehen und ihr ganzes Hab und
Gut zurücklassen. Sie sagen, sie
brauchen vor allem Nahrung, Medi-
kamente, Garderobe und andere nö-
tige Dinge des täglichen Bedarfs»,
sagte WFP-Sprecher Hervé Verhoo-
sel in Genf. (sda/dpa)
Proteste wegen Korruption und Misswirtschaft
Libanons Ministerpräsident
Hariri kündigt Rücktritt an
BEIRUT Unter dem Druck anhalten-
der Massenproteste gegen Korrupti-
on und Misswirtschaft im Libanon
hat Ministerpräsident Saad Hariri
(Foto) seinen Rücktritt angekündigt.
Er werde ein entsprechendes Ge-
such bei Präsident Michel Aoun ein-
reichen. Er habe im Ringen um eine
Lösung aus der wirtschaftlichen Kri-
se eine «Sackgasse» erreicht, sagte
Hariri in einer kurzen Fernsehan-
sprache am Dienstag in Beirut. Aoun
muss nun parlamentarische Bera-
tungen abhalten, damit ein Nachfol-
ger benannt und eine neue Regie-
rung gebildet werden kann. Hariri
begründete seine Entscheidung
auch als Reaktion auf die laufenden
Proteste Tausender, bei denen De-
monstranten ein neues politisches
System und den Rücktritt der ge-
samten Regierung gefordert hatten.
«Niemand ist grösser als dieses
Land», sagte Hariri.
Jubel in den Strassen
«Dies ist eine ernsthafte Gelegenheit,
die nicht verspielt werden sollte»,
sagte Hariri an seine politischen
Partner gerichtet. Demonstran-
ten jubelten nach der Ankündi-
gung, tanzten und schwenkten
Landesflaggen. Hariri und sein
Kabinett hatten händerin-
gend nach Auswegen aus
der Krise gesucht, um
den Protesten ein Ende
zu bereiten. Als Teil der
angekündigten Re-
formvorhaben sollten
etwa Gehälter von Mi-
nistern und Parlamentsabgeordne-
ten um die Hälfte gekürzt werden.
Ausserdem sollten Regierungsein-
richtungen geschlossen oder zusam-
mengelegt und im kommenden Jahr
keine neuen Steuern erhoben wer-
den. Die Versprechen gingen den
Protestlern aber nicht weit genug.
Tiefe Krise
Hariri, Sohn des 2005 bei einem
Bombenattentat getöteten früheren
Ministerpräsidenten Rafik Hariri,
war schon mehrfach zurückgetreten:
Während seiner ersten Amtszeit
(2009–2011) legte er das Amt nieder,
nachdem er sich mit der Opposition
nicht auf die Bildung einer Regierung
hatte einigen können. Er wurde vom
Parlament dann aber erneut mit der
Regierungsbildung beauftragt. Im
November 2017 trat er während sei-
ner zweiten Amtszeit (seit 2016) dann
aus Angst um sein Leben zurück. Da-
mals fürchtete er, Opfer eines An-
schlages zu werden. Kurz danach
schob er den Rücktritt auf. Das klei-
ne Mittelmeerland mit rund sechs
Millionen Einwohnern steckt in einer
tiefgreifenden Wirtschafts- und
Finanzkrise und leidet unter
dem Krieg im benachbarten Sy-
rien. Die Staatsverschuldung
liegt bei 86 Milliarden US-
Dollar, was einer Quote
von etwa 150 Prozent
des Bruttoinlandspro-
dukts (BIP) entspricht.
Es ist eine der höchs-
ten Schuldenquoten
weltweit. (sda/afp)
Ukraine-Affäre
Weitere belastende
Aussage für Trump
WASHINGTON In der Ukraine-Affäre
um möglichen Machtmissbrauch
durch Donald Trump bringt ein
hochrangiger US-Offizier den Präsi-
denten in Erklärungsnot. Oberstleut-
nant Alexander Vindman, Ukraine-
Experte im Nationalen Sicherheits-
rat, erschien am Dienstag für eine
nicht-öffentliche Aussage vor Abge-
ordneten im Kongress. Im Entwurf
für sein Eingangsstatement, das vor-
ab an die Öffentlichkeit gelangte,
äus serte er grosse Besorgnis über je-
nes Telefonat Trumps mit dem ukrai-
nischen Präsidenten im Juli, das im
Zentrum der Affäre steht. Seine Be-
denken habe er einem Vorgesetzten
gemeldet, hiess es darin. (sda/dpa)