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28. OKTOBER 2019
Marisol Redondo kehrt
mit «Volver» zurück
Glamour Bereits vor einem Jahr war Marisol Redondo in Eschen zu Gast. Auf ihrer Tour
zwischen Zürich und Uruguay kam die Grande Dame des Tangos mit ihrem Ensemble erneut
nach Liechtenstein. Ihr Konzert «Volver» brachte südamerikanisches Lebensgefühl ins TAK.
VON MONIKA KÜHNE
Die
in Uruguay aufgewach-
sene und heute in der
Schweiz lebende Sänge-
rin Marisol Redondo trat
nicht einfach auf, die Grand Dame
des Tangos erschien. Katzengleich
– schmeichlerisch elegant und
scheinbar immer zu einem Angriff
bereit – betrat sie in einem hauten-
gen schwarzen Kleid die Bühne.
Im Tango «Uno» interpretierte die
Sängerin erzählerisch, mit einem
markanten rollenden R, zu den ty-
pischen Harmonien von Klavier,
Stehbass und Bandoneon die Ge-
schichte von einem verloren gegan-
genen Herzen.
Die Reise zu den Wurzeln des Tan-
gos hatte begonnen. «Volver» bedeu-
te zurückkehren, wie Redondos
Tochter eingangs in einer Art erzäh-
lerischer Einführung betonte. Alle
Familienmitglieder dieser Musikgat-
tung waren an diesem Konzert-
abend vertreten vom Vater, dem
Tango, zur Mutter Milonga bis zu
den Grossvätern den Candombes.
Mit viel Leidenschaft interpretierte
die Sängerin die Geschichten Süd-
amerikas. Von dem sich zwischen
Trauer und Fröhlichkeit abwech-
selnden Zwiegesprächen einer Frau
mit dem Bandoneon, dem Tango
«Nada», in dem die Reue vorherrsch-
te, bis hin zu «Volver», dem Titel aus
Redondos neuem Album.
Tango, Milonga, Candombe
Begleitet wurde die Sängerin von
der bestens eingespielten, internati-
onal besetzten Band. Am Piano der
argentinische Pianist und musikali-
sche Leiter Sebastián Noya, Sándor
Török aus Ungarn am Kontrabass,
Jonatan Szer, Perkussion und der
aus Italien stammende Bandoneo-
nist Simone Tolomeo als einer der
Hauptakteure für diese Art der Mu-
sik. Die zuweilen in den Tangos
(über)mächtige Prise Pathos, welche
die wunderbar vielfältige Stimme
der Sängerin fast in den Hintergrund
drängte, stand den fröhlichen Mi-
longas besser zu Gesicht. Die witzig,
ironischen und durchaus auch
schwarzhumorigen Lieder kamen
durch die theatralisch eingefügten
Elemente mit der entsprechenden
Mimik und Gestik bestens zur Gel-
tung. «Doña Soledad», bei der Mut-
ter Marisol und ihre Tochter mit viel
Hüftschwung gemeinsam tanzten,
animierte durch seine sprühende
Lebensfreude das Publikum zum
spontanen Mitklatschen. Die Reise
zum Karneval nach Montevideo, in
der die Perkussion mit drei typi-
schen Rhythmen die Hauptrolle
spielte, wurde vom Publikum mit
viel Applaus bedacht. In begleiten-
den Einführungen stellte die Sänge-
rin jeweils die Inhalte der Lieder
vor. Sie spielten zwischen Uruguay
und Argentinien, erzählten von Le-
bensfreude, Herzschmerz oder auch
Armut, wie dem Kind, das in rauchi-
gen Bars Rosen verkauft.
Herausragend im Puristischen
Ob das Konzert all die theatrali-
schen Elemente – von der Erzählerin
über die Accessoires wie das Bar-
tischchen und die Rosen – gebraucht
hätte, sei dahingestellt. Marisol Re-
dondo wirkte vor allem in den
schlichten, puristischen Passagen
überaus authentisch. So stellte ein
Wiegenlied aus ihrer Heimat Urugu-
ay, das sie bereits mit acht Jahren
auf der Gitarre gespielt hatte, einen
Höhepunkt des Konzerts da. Nun an
der folkloristischen Harfe sitzend –
Kommentar aus dem Publikum, «das
kann sie auch noch» – sang die Musi-
kerin ungemein berührend von ei-
ner Mutter, die sich wünscht, dass
ihr Kind wie sein Vater ein Fischer
werden kann. Herausragend auch
das gesungene Gebet der armen Fi-
scher am Stausee sowie die letzte
Zugabe. Alleine auf der Bühne ste-
hend bezauberte die Sängerin mit
dem besonderen Klang eines Liedes,
das sie von ihrem aus dem spani-
schen Galizien stammenden Gross-
vater gelernt hat. «Volver» war ein
pulsierendes Konzert, in dem die
Sängerin stimmlich wie in der Insze-
nierung aus dem Vollen schöpfte:
von mitreissender Musik über Gla-
mour, Pathos, Lebensfreude, bis
zum einfühlsamen Gespür für das
Wesen des Tangos.
Die Grande Dame des Tangos, Marisol Redondo, im TAK. (Foto: Paul Trummer)
Gesang GVK Eschen gibt tolles Konzert im Gemeindesaal
ESCHEN Schwungvoll und besinnlich, heiter und nachdenklich sowie volkstümlich und topmodern prä-
sentierte der GVK Eschen am Samstag im Eschner Gemeindesaal seine gesangliche Vielseitigkeit unter
dem Motto «Thank you for the music» – zur grossen Freude des Publikums. (Text: red ; Foto: Paul Trummer)
Kulturhaus Rössle The Royal Funk Force in Mauren
MAUREN Mit ihrem breiten Spektrum von Funk, Soul, Blues bis zu Swing und Hip-Hop begeisterte The
Royal Funk Force beim Konzert im Kulturhaus Rössle in Mauren. Die Liechtensteiner Band begeisterte
das Publikum gleichermassen mit altbekannten als auch mit neuen Songs. (Text: red ; Foto: Paul Trummer)
Pointenschleuder Joesi und die Schachtelsatz-Wuchteln
Kabarett Der Wiener Ka-
barettist Joesi Prokopetz ist
ein Meister des Sich-Verplau-
derns. Und sein 25. Programm
hat nichts mit Gürteltieren
und Hosenträgern zu tun, wie
sich das Schlösslekeller-Pu-
blikum am Samstag amüsiert
vergewissern konnte.
Oder doch. Denn nachdem schon
vergangenes Jahr im Sommer fest-
stand, dass sein neues Programm
fürs Wiener Kabarett Orpheum
«Gürteltiere brauchen keine Hosen-
träger» heissen würde, lag es nahe,
im Tiergarten Schönbrunn die Pa-
tenschaft für ein Gürteltier zu über-
nehmen. Der Grund ist einfach, wie
Joesi Prokopetz damals beim Foto-
termin mit dem Kugelgürteltier
«Lanzelot» erklärte: «Für Hosenträ-
ger kann man schlecht eine Paten-
schaft übernehmen, daher also das
Gürteltier. Es ist nichts Bemerkens-
wertes dabei, als Pate für majestäti-
sche Löwen, schleichende Tiger
oder lauernde Leoparden und ande-
re Stars der Tierwelt geradezuste-
hen, für das gelinde gesagt gewöh-
nungsbedürftig aussehende Gürtel-
tier allemal. Und es heisst jetzt Joesi,
ist das nicht wunderbar!? Professor
Prokopetz fände ich zu viel des Gu-
ten.» Was das für das 25. Programm
des Kabarettisten, der sich seit elf
Jahren mit dem Berufstitel «Profes-
sor» schmücken darf, bedeutet?
Eben gar nichts. Und das ist ja das
Schöne. Denn es zeigt, dass der
67-jährige Altmeister der gepflegten
und ungepflegten Pointenschleuder
immer noch zu jedem Blödsinn auf-
gelegt ist. Frei nach Thomas Bern-
hards Devise: «Es gibt keine Alters-
weisheit, es gibt nur Altersschwach-
sinn.»
Pointen im Paket
Aber zuerst bekommt der Humor
als solches sein Fett ab. Beim Sin-
nieren in Schachtelsätzen über die
billigen Wuchteln des Villacher Fa-
schings, die schlüpfrige Witzelsucht
von alten Männern mit Mundge-
ruch, über das Genre der Comedy
als Blondine des Kabaretts, über die
Vorstellung, dass sich Vorstadtpro-
leten mit mehr Bildung über Sartre,
Heidegger und Schopenhauer un-
terhalten könnten, landet man un-
weigerlich bei existenziellen Über-
legungen wie der Frage, warum
sich der Duschvorhang in billigen
Pensionen immer nach innen wölbt.
Das ruft geradezu danach, das «Lied
vom blöden Witz» auf der Gitarre
vorzutragen und sich später zu
überlegen, was eigentlich hierzu-
lande mit toten Chinesen passiert,
die sich alle Zeit ihres Lebens im
Migrationshintergrund von chinesi-
schen Restaurants aufgehalten ha-
ben. Werden die alle nach China
transferiert? Hat man davon Nach-
richten? Oder weiss jemand, was
«Chop suey» auf der Speisekarte
wirklich bedeutet? Wenn Joesi Pro-
kopetz politisch unkorrekt sein
will, ist er es einfach. Aber er ist es
im Plauderton. Und er verzieht
kaum eine Miene dabei, wenn er
parlierend seine Pointen ins Publi-
kum streut.
Dafür legt er sich voll ins Zeug,
wenn er an der Gitarre in einem
«Schlagerseminar» Aufklärung über
die musikalischen Irrungen des
volkstümlichen Genres liefert. Vom
Lebenshilfe-Schlager in Moll über
den Sehnsuchts- und Schluchz-
Schlager in Dur bis zum volkstümli-
chen Schlager, der interessanterwei-
se immer in G-Dur steht. Aber auch
das überlebt man. Es wäre ohnehin
ungeschickt, sich heute aufzuhän-
gen, wenn es in vierzehn Tagen viel
triftigere Gründe dafür gäbe. Und
wenn der Schlüssel zum Glück im-
mer innen steckt, ist auch das kein
Grund zum Verzweifeln. Tja, Joesi
Prokopetz, der parlierende Komiker,
bewies im Schlösslekeller einmal
mehr die alte österreichische Weis-
heit: Die Lage ist hoffnungslos, aber
nicht ernst. Das Publikum war je-
denfalls amüsiert. (jm)
Kabarettist Joesi Prokopetz bei seinem Auftritt im Schlösslekeller. (Foto: JM)