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24. OKTOBER
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Bisher hat die Stiftung Zukunft.li mit ihren Themen zwar
Diskussionen, aber keine hitzigen Debatten ausgelöst.
Davor scheuen sie sich jedoch keineswegs, verraten
Stiftungsratspräsident Peter Eisenhut (rechts) und
Geschäftsführer Thomas Lorenz (links). (Fotos: Paul Trummer)
Rolle gemacht und uns entschlos-
sen, «Geburtshelfer» einer eigenen
Organisation für Zeitvorsorge zu
sein. Wir suchen Personen, die eine
solche Organisation führen, sind bei
der Erarbeitung von Statuten behilf-
lich und nutzen unsere Kontakte,
um die Finanzierung der Anlaufpha-
se zu sichern. Sobald die neue Orga-
nisation «geboren» ist, ist unser Part
abgeschlossen. Mit Ewald Ospelt ha-
ben wir schon einen prominenten
«Kopf» präsentieren dürfen, der sich
bereit erklärt hat, sich im Vorstand
zu engagieren und wir haben bereits
weitere Personen für verschiedene
Funktionen gefunden.
Wie würden Sie das Modell Zeitvor-
sorge Menschen erklären, die das
System nicht kennen?
Lorenz: Es ist eine organisierte
Form von Nachbarschaftshilfe. Un-
sere familiären Strukturen haben
sich verändert. Was früher in der
Grossfamilie stattgefunden hat, wird
in einem solchen System dadurch
ersetzt, dass Personen, die Betreu-
ungsleistungen erbringen möchten,
zusammengebracht werden mit sol-
chen, die auf Betreuung angewiesen
sind. Wenn ich Betreuungsleistun-
gen erbringe, etwa indem ich jeman-
den zum Arzt bringe, bei der Steuer-
erklärung unterstütze oder einfach
Gesellschaft leiste, werden die ge-
leisteten Stunden auf meinem Zeit-
konto gutgeschrieben. Wenn ich
dann im Alter selbst Unterstützung
brauche, kann ich aus diesem Zeit-
konto Stunden beziehen. Das Modell
lebt vom Glauben, dass die nächste
Generation auch so denkt und diese
Betreuungsleistungen dann eben-
falls erbringt. Auch wenn das nicht
garantiert ist, ist der gesellschaftli-
che Mehrwert für uns unbestritten.
Was wir nicht wissen ist, ob das
auch in Liechtenstein so funktio-
niert wie die erfolgreichen Beispiele
in unseren Nachbarstaaten. Aber
wenn wir es nicht versuchen, wissen
wir es erst recht nicht.
Eisenhut: Damit kann so ein System
einen Beitrag leisten, die Ressour-
cenknappheit, die sich durch die de-
mografische Entwicklung abzeich-
net, etwas abzufangen.
Lorenz: Auch ich als Helfender habe
etwas davon, Gutes tun tut gut.
Wäre es auch bei anderen Themen
denkbar, dass Zukunft.li das Han-
deln übernimmt?
Eisenhut: Wir wollen nicht nur Dis-
kussionen auslösen, sondern schlus-
sendlich eine Umsetzung erreichen.
Das ist vielleicht das Spezielle an Zu-
kunft.li im Vergleich zu anderen
Thinktanks. Liechtensteins Rah-
menbedingungen, die Kleinheit und
die Nähe erlauben mehr als nur Dis-
kussionen. Solche Schritte wie die
Zeitvorsorge werden eine Ausnahme
bleiben. Wir werden in Zukunft aber
gewisse Themen noch vertiefen und
konkrete Vorschläge präsentierten,
um deren Umsetzung zu fördern.
Das probieren wir jetzt beispielswei-
se beim Mobility Pricing.
Bisherige Publikationen von Zukunft.li
Juni 2019: «Fachkräfte und Freiwillige – Wer
pflegt und betreut uns im Alter?»
März 2019: «Raumentwicklung Liechtenstein
– Gestalten statt nur geschehen lassen»
Juni 2018: «Effizienzpotenzial der Gemeinden
– Aufgabenerfüllung im Spannungsfeld zwi-
schen Autonomie und Fusion»
Februar 2018: «Fokus Arbeitsmarkt: Fit für
die Zukunft?»
August 2017: «Finanzierung der Alterspflege
– Handlungsbedarf und Lösungsansätze»
Dezember 2016: «Knacknuss Wachstum und
Zuwanderung»
Juni 2016: «Finanzausgleich – Argumente für
eine Neuausrichtung»
Oktober 2015: «Zukunftsradar 2015»
Finanzierung Eine Förder-
stiftung finanziert Zukunft.
li. Die Unabhängigkeit von
den Geldgebern sei aber ein
fundamentales Prinzip der
Stiftung, erklären Florian
Marxer und Jürgen Hilti, Prä-
sident der Förderstiftung.
VON DANIELA FRITZ
«Volksblatt»: Im Oktober 2014 fiel
der Startschuss für die Stiftung Zu-
kunft.li. Wie kam es zur Idee, dass
Liechtenstein einen Thinktank
braucht?
Jürgen Hilti: Dass es mit Liechten-
stein in den vergangenen 80 Jahren
immer aufwärts ging und so weiter
gehen soll, ist nicht gottgegeben.
Deshalb haben wir darüber nachge-
dacht, was wir tun können, damit es
auch der nächsten Generation so
gut geht. Gleichzeitig beobachten
wir grosse weltweite Veränderun-
gen in der Politik und Wirtschaft. Es
braucht mutige Entscheidungen, um
Liechtenstein so aufzustellen, dass
wir langfristig so weitergedeihen
können. In der Schweiz setzt sich
Avenir Suisse, in Österreich die
Agenda Austria und in Deutschland
die Bertelsmann Stiftung mit dersel-
ben Frage auseinander, was die Ge-
sellschaft verändern muss, um die
künftigen Herausforderungen be-
wältigen zu können. Das hat uns
veranlasst, auch in Liechtenstein ei-
nen solchen Thinktank zu gründen.
Wir wollten Liechtenstein etwas zu-
rückgeben. Gemeinsam mit Klaus
Tschütscher habe ich das Projekt
aufgegleist und wir haben nach
zweijähriger Vorbereitungszeit Part-
ner gefunden, die uns unterstützen.
Florian Marxer: Meine Familie ist
kontaktiert worden, als das Konzept
und die Ideen bereits sehr konkret
waren. Uns hat die Idee sehr gut ge-
fallen, darum haben wir uns auch
als Stifter beteiligt. Das Projekt geht
vor allem auf Jürgen Hilti zurück,
weshalb er auch Präsident der För-
derstiftung ist.
Sie wollten Liechtenstein also etwas
zurückgeben. Wie würden Sie aber
dem Bürger erklären, was ihm die
Stiftung Zukunft.li bringt?
Jürgen Hilti: Das ist nicht leicht zu
erklären. Wir befassen uns mit den
Schwerpunktthemen der Zukunft:
Wo es heute noch nicht weh tut,
aber morgen weh tun wird. Die Poli-
tik befasst sich vor allem mit aktuel-
len Themen, die kurzfristig eine Lö-
sung brauchen. Die grossen und
langfristigen Herausforderungen
die ebenfalls bewältigt werden müs-
sen, geraten dabei oft ins Hintertref-
fen. Wir sehen es als unsere Aufgabe
an, dass wir uns frühzeitig mit ge-
nau diesen Themen befassen. Kurz-
fristig spürt der Bürger das Fehlen
dieser Aktivitäten im Normalfall
nicht, aber in zehn Jahren schon.
Bei der Finanzierung der Al-
terspflege beispielswei-
se wird es Jahre benö-
tigen, bis das Problem
gelöst wird, deshalb
sollten wir bereits heu-
te damit anfangen.
Finanziert wird Zukunft.li von einer
Förderstiftung. Schaut man sich die
Namen der Stifter so an, sind sowohl
«Rote» als auch «Schwarze» vertreten.
Ich nehme an, das ist kein Zufall?
Jürgen Hilti: Die Stiftung ist gewollt
überparteilich angelegt, weil unsere
Themen nicht parteipolitisch sind.
Florian Marxer: Zukunft.li ist keine
politische Institution, sondern ein
Thinktank mit liberaler Grundhal-
tung. Darum sind alle Menschen als
Spender willkommen, natürlich
auch mit kleineren Beträgen.
Jeder der fünf Stifter steuerte in den
vergangenen Jahren 500 000 Fran-
ken aus dem privaten Vermögen bei.
Warum ist Ihnen die Stiftung so
wichtig?
Jürgen Hilti: Wir glauben, dass die
Vergangenheit nicht in die Zukunft
projiziert werden kann. Die Zukunft
muss gestaltet werden. Das kostet
Geld. Damit unsere Nachfahren
ebenfalls eine positive Zukunft ha-
ben, geben wir das Geld aus. Man
darf aber nicht vergessen, dass wir
nicht nur Grossspender, sondern
auch einige mittelgrosse und kleine-
re Spender haben. Jeder ist willkom-
men, solange er die Unabhängigkeit
und liberale Geisteshaltung von Zu-
kunft.li akzeptiert.
Florian Marxer: Dem kann ich nur
beipflichten. Meine Familie sieht die
Stiftung als sehr wichtigen Treiber
für die positive Entwicklung des
Landes.
Werden Sie die Stiftung Zukunft.li
auch die nächsten fünf Jahre wieder
finanziell unterstützen?
Jürgen Hilti: Von den fünf Stiftern
haben sich vier Stifter verpflichtet,
auch die nächsten fünf Jahre mit
demselben Betrag weiter zu finan-
zieren. Auch einige Gross- und Klein-
spender haben bereits zugesagt,
sich finanziell zu beteiligen. Ich be-
tone nochmals: Jeder ist bei uns
willkommen. Wir wollen die Stif-
tung auf breitere Basis stellen, weil
es eine Institution für Liechtenstein
und nicht für einige wenige ist. Des-
halb sind wir auch politisch neutral.
Wesentlich ist aber, dass wir vom
Staat unabhängig sind.
Florian Marxer: Auf jeden Fall wer-
den wir wieder dabei sein. Die Stif-
tung Zukunft.li ist ein langfristig an-
gelegtes Projekt. Wichtig wäre es,
dass sie in Zukunft breiter abge-
stützt ist als jetzt und viele Men-
schen zu ihrem Erfolg beitragen.
Zukunft.li ist eine Denkfabrik, die
sich um wichtige Themen für Liech-
tenstein kümmert. Ist das nicht die
Aufgabe der Politik?
Florian Marxer: Die Politik braucht
Ideengeber, die Themen ausserhalb
politischer Realitäten aufgreifen, be-
arbeiten und Lösungen präsentieren.
Der Thinktank Zukunft.li basiert auf
einer liberalen Grundhaltung, die
meiner Familie und vielen im Land
entspricht. Deshalb denken wir, dass
die Stiftung eine notwendige und
wichtige Institution im Land ist.
Jürgen Hilti: Die Politik denkt leider
oft eher etwas kurzfristig. Die lang-
fristigen Themen bringen im Mo-
ment keine Stimmen und werden
auf die lange Bank geschoben. Das
ist nicht nur bei uns so. Erst, wenn
etwas nicht mehr funktioniert, wird
am System geschraubt. Dabei weiss
man schon zehn Jahre vorher, dass
es so weit kommen wird. Wir möch-
ten die langfristigen – und damit we-
sentlicheren – Themen anschneiden.
Inwiefern reden Sie eigentlich mit,
welche Themen denn nun wesent-
lich sind und somit auf der Agenda
von Zukunft.li stehen?
Florian Marxer: Die Unabhängig-
keit der Stiftung Zukunft.li gegen-
über den Stiftern und den Geldge-
bern ist ein fundamentales Prinzip
unseres Systems. Das ist für uns
Geldgeber, aber auch für die Akzep-
tanz der Stiftung in der Bevölkerung
und der Politik zentral. Selbst wenn
Ideen der Stiftung Zukunft.li nicht
den Ideen einzelner oder aller Stif-
ter entsprechen, reden wir nicht
drein. Wichtig ist nur, dass die Stif-
tung eine liberale Grundhaltung
hat.
Jürgen Hilti: Es gibt eben die För-
derstiftung, welche für die Finanzie-
rung zuständig ist, und die Stiftung
Zukunft.li, welche die operative Lei-
tung übernimmt. Die Stiftung Zu-
kunft.li entscheidet selbst, welche
Themen bearbeitet werden. Sie ist
unabhängig, die Finanziers können
dabei nicht mitreden. Es soll nicht
heissen, die Geldgeber bestimmen
die Zukunft. Wir geben das Geld, da-
mit die Zukunft erarbeitet wird.
Sind Sie denn mit der Arbeit von Zu-
kunft.li zufrieden?
Florian Marxer: Ich bin sogar sehr
zufrieden. Der Erfolg gibt der Stif-
tung recht. Sie ist sehr präsent in
den Medien, als Thinktank hat sie ei-
nen festen Platz in der liechtenstei-
nischen Öffentlichkeit und viele
Themen werden von den politischen
Organen aufgegriffen und sind auf
dem Weg zur Umsetzung. Das ist für
die ersten fünf Jahre ein sehr gutes
Resultat und darum machen wir mit
Freude weiter.
Jürgen Hilti: Weil die Umsetzung in
der Politik immer länger dauert, län-
ger als wir gedacht haben, muss die
Finanzierung auch langfristig ange-
legt sein. Ansonsten stossen wir Pro-
jekte zwar an, sie werden aber nicht
umgesetzt. Jetzt kommen wir in eine
Phase, in der die von uns angestos-
senen Projekte hoffentlich auch po-
litisch umgesetzt werden. An den
tatsächlich realisierten Projekten
messen wir unseren Erfolg.
Über die Förderstiftung
Die Förderstiftung Zukunft.li ist für die dauer-
hafte Unterstützung der gemeinnützigen Stif-
tung Zukunft.li mit finanziellen Mitteln zustän-
dig. Zu diesem Zweck sammelt die Förderstif-
tung Vermögen. In den ersten fünf Jahren wid-
meten die bisherigen Stifter – die Toni Hilti Fa-
milien-Treuhänderschaft, Heiner
Hilti, Peter Marxer und seine Er-
ben, die Hilti Familienstiftung
sowie die Morscher Familien-
stiftung – jeweils 500 000 Fran-
ken. Zudem kommen grössere
und kleinere Beiträge von
Spendern. Die För-
derstiftung und
die Stiftung Zu-
kunft.li sind von-
einander unab-
hängig.
Jürgen Hilti: «Es braucht mutige
Entscheidungen, damit Liechtenstein
langfristig so weitergedeihen kann»
Florian Marxer (li.) und Jürgen
Hilti (re.) wollen Liechtenstein
gemeinsam mit den anderen
Stiftern etwas zurückgeben.