Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2019)

Eine 
Ausnahme von dieser 
Faustregel kann gemacht 
werden, wenn ein Völker- 
mord oder eine massive Un- 
terdrückung religiöser oder ethni- 
scher Minderheiten stattfindet. In- 
teressen stehen nicht notwendiger- 
weise im Widerspruch zu den Wer- 
ten. Länder sollten jedoch gegen 
staatlich geförderte Aggressionen 
und Terrorismus sowie unfaire Han- 
delspraktiken Massnahmen ergrei- 
fen. Die Aussenpolitik europäischer 
Länder wurde jedoch durch wech- 
selnde Werte diffus. Diese Werte 
werden als Vorbilder gestellt, aber 
uneinheitlich angewendet. 
Die Ansätze unterscheiden sich be- 
reits zwischen den drei grössten eu- 
ropäischen Ländern – dem Vereinig- 
ten Königreich, Deutschland und 
Frankreich – und der Europäischen 
Kommission, die eher eine fiktive 
als reale Rolle spielt. Für ausländi- 
sche Partner ist diese Haltung un- 
zuverlässig. 
Eine Folge einer solchen wertorien- 
tierten Politik ist das europäische 
Geflecht von Beschränkungen für 
Rüstungsexporte. Diese Einschrän- 
kungen machen die Entwicklung ei- 
ner effizienten europäischen Vertei- 
digungsindustrie unmöglich und 
behindern damit die Fähigkeit Eu- 
ropas, sich selbst zu verteidigen. In- 
folgedessen mangelt es dem Konti- 
nent an internationaler Glaubwür- 
digkeit. 
Iran: Ein Weckruf 
Unter der Vernachlässigung ihrer 
eigenen Werte und ihrer langfristi- 
gen Interessen lehnen die meisten 
europäischen Länder die Politik der 
Trump-Administration gegenüber 
dem Iran ab und wollen das Atom- 
abkommen mit Teheran aus dem 
Jahr 2015 beibehalten. 
Washingtons Kritik an dem Abkom- 
men bezieht sich auf die folgenden 
zwei Punkte. Zuerst meinte das 
Weisse Haus, dass der Vertrag nicht 
ausreichend ist, um zu verhindern, 
dass der Iran eine Atommacht wird. 
Zweitens, und vor allem was am 
wichtigsten ist, hat das Abkommen 
die politische Strategie des Iran, 
Konflikte in der gesamten Region 
zu provozieren und Terrorismus zu 
fördern, nicht behandelt. 
Teheran bleibt dabei, dass Israel 
vernichtet werden muss und unter- 
stützt terroristische Aktivitäten im 
Ausland durch Hisbollah und ande- 
re Organisationen. 
Es hat den katastrophalen Bürger- 
krieg im Jemen ausgelöst und unter- 
stützt weiterhin die Houthi-Rebel- 
len vor Ort, die auch Saudi-Arabien 
bedrohen und zu einer Eskalation 
des Konflikts führten. 
Die europäische Aussenpolitik hat 
sich darauf konzentriert, das Ab- 
kommen unter Missachtung der 
oben genannten Bedenken zu ret- 
ten, obwohl iranisch gesponserte 
Terroristen mehrere Anschläge in 
europäischen Ländern wie Däne- 
mark und den Niederlanden geplant 
haben. Stattdessen haben es die eu- 
ropäischen Regierungen vorgezo- 
gen, Saudi-Arabien zu kritisieren.   
Die schreckliche Menschenrechts- 
situation im Iran findet bei den 
europäischen Medien und politi- 
schen Entscheidungsträgern weni- 
ger Beachtung. Jedoch werden die 
Menschenrechtsverletzungen in 
Saudi-Arabien verurteilt. 
Im Gegensatz zu Teheran hat Riad 
den Krieg im Jemen nicht begon- 
nen. Saudi-Arabien ist aus defensi- 
ven Gründen in den Konflikt verwi- 
ckelt, wird aber ständig wegen sei- 
ner Rolle kritisiert. Während es 
Raum für Kritik an den Aktionen 
Saudi-Arabiens im Jemen gibt, ver- 
dient das fundamentalistische Re- 
gime in Teheran mindestens eben- 
so viel Missbilligung. 
Der jüngste Angriff auf eine saudi- 
sche Aramco-Raffinerie sollte ein 
Weckruf sein. Dieser wurde mit 
grösster Wahrscheinlichkeit vom 
Iran gesponsert. Vielleicht däm- 
mert es jetzt den europäischen aus- 
senpolitischen Strategen, dass die 
Haltung der Trump-Administration 
nicht so fehl am Platz war, wie eini- 
ge angedeutet hatten. 
China: Ignorierte Werte 
Der Handelsstreit zwischen den 
USA und China ist ein weiterer der- 
artiger Fall. Politiker und Medien 
auf der östlichen Seite des Atlantiks 
(und einige in den USA) vertreten 
die Meinung, dass der Konflikt eher 
ein Hobby von US-Präsident Donald 
Trump sei als eine gültige Antwort 
auf Chinas Preisdumping, Wirt- 
schaftsspionage, Diskriminierung 
beim Marktzugang und Nichteinhal- 
tung der Rechte an geistigem Eigen- 
tum. Manche hatten die engstirnige 
Hoffnung, dass Europa von diesem 
Konflikt der Giganten profitieren 
und seinen Handel mit China stei- 
gern könnte. Die stets präsentierten 
Werte der europäischen Regierun- 
gen wurden «verdrängt». 
Über die Situation der Uiguren und 
die Verfolgung der Christen in der 
Volksrepublik wurde zu wenig be- 
achtet. Die jüngsten Ereignisse in 
Hongkong, obwohl sie im Vergleich 
zu den oben genannten Menschen- 
rechtsverletzungen geringfügig wa- 
ren, haben die europäische Öffent- 
lichkeit etwas aufgerüttelt. Viel- 
leicht wird eventuell Europa erken- 
nen, dass auch in Bezug auf China 
die US-Position nicht so falsch 
gewesen wäre und sie die US- 
Politik ernst nehmen. 
Sicherlich muss Europa nicht in al- 
len Aspekten der US-Politik folgen. 
Die Direktheit der Trump-Administ- 
ration mit ihrem unkonventionellen 
Kommunikationsstil schockiert 
zwar etablierte Diplomaten, jedoch 
ist das nicht der Kern des Problems. 
Die europäischen und US-amerika- 
nischen Interessen sind nicht im- 
mer gleich. 
Ein wirklich negativer Aspekt 
dieser Situation ist jedoch, dass ei- 
nige europäische Regierungen – mit 
starker Unterstützung der amerika- 
nischen Opposition, und zwar teil- 
weise in beiden Parteien – zu glau- 
ben scheinen, dass es wichtiger ist, 
Entscheidungen der Trump-Admi- 
nistration zu bekämpfen, als eine 
realistische Aussenpolitik zu füh- 
ren, welche die Interessen und 
Werte in Einklang bringt. 
Europas diff use Aussen- 
und Sicherheitspolitik   
«Nachhaltige Aussen-und Sicherheitspolitik wird vor allem von Interessen bestimmt. Sicherlich mögen Staaten Wertfragen berücksichtigen, aber eine Einmi- 
schung in interne politische und wirtschaftliche Systeme anderer Länder sollte vermieden werden»: Ein Kommentar von Prinz Michael von Liechtenstein. 
Übersieht die EU gefl issentlich Schandtaten des Iran? Unser Foto zeigt dessen Präsidenten Hassan Rohani (r.). Auf dem Bild: Irans geistlicher Führer Ali Khamenei. (Foto: Keystone) 
Über den Experten 
GIS-Gründer und IUF-VR-Präsident 
Prinz Michael von und zu Liechtenstein (Foto) ist VR-Präsident des Industrie- und Finanzkontor Ets., 
einem liechtensteinischen Treuhandunternehmen, das im Bereich der langfristigen Vermögenssiche- 
rung tätig ist. Er ist zudem Gründer und Chairman der Geopolitical Intelligence Services, GIS, einem 
geopolitischen Beratungs- und Informationsdienst mit Sitz in Vaduz. Seine Ausbildung als Magister 
in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften schloss er an der Wirtschaftsuniversität Wien 
ab. Prinz Michael ist auch Vorstandsmitglied der Treuhandkammer und Präsident des 
Thinktanks European Center of Austrian Economics Foundation. 
Das «Volksblatt» gibt Gastautoren Raum, 
ihre Meinung zu äussern. Diese muss nicht 
mit jener der Redaktion übereinstimmen. 
Copyright: Geopolitical Intelligence 
Services AG, GIS, Vaduz. 2019. 
Mehr auf www.gisreportsonline.com. 
FREITAG 
18. OKTOBER 
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