Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2019)

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31. MAI 2019 
Österreich bekommt erste Kanzlerin 
Richtungsweisend Wenige Tage nach dem Sturz der Regierung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat Österreichs Bundesprä- 
sident die Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein als künftige Kanzlerin auserkoren. 
Die 
69-Jährige wird damit 
die erste Frau in Österreich 
in diesem wichtigen Staats- 
amt. Bierlein – eine Spitzen- 
juristin mit tadellosem Lebenslauf 
– war bisher Präsidentin des öster- 
reichischen Verfassungsgerichtshofs. 
Bierlein wechselt ins Kanzleramt, 
nachdem SPÖ und FPÖ am Montag 
die gesamte Regierung von ÖVP-Chef 
Sebastian Kurz per Misstrauensvo- 
tum im Parlament abberufen hatten. 
Kurz hatte davor nach dem Skandal- 
Video rund um Ex-Vizekanzler Heinz- 
Christian Strache die Regierung aus 
Österreichischer Volkspartei ÖVP 
und Freiheitlicher Partei (FPÖ) aufge- 
kündigt. Damit verlor er die Mehrheit 
im Parlament. 
«Ich habe Frau Präsidentin Bierlein 
in den letzten Jahren und Monaten 
als umsichtige, weitsichtige und in 
höchstem Masse kompetente Per- 
sönlichkeit kennen und schätzen ge- 
lernt», sagte Bundespräsident Alex- 
ander Van der Bellen über die künf- 
tige Kanzlerin. «Ich beauftrage so- 
mit Frau Präsidentin Bierlein mit der 
Bildung einer Bundesregierung.» 
Amtszeit wohl von kurzer Dauer 
Bierlein selbst erklärte in einem ers- 
ten, sehr ruhig und konzentriert vor- 
getragenen Statement, dass sie es als 
ihre staatspolitische Verantwortung 
ansehe, «in dieser bisher einmaligen 
Situation in der Geschichte der Zwei- 
ten Republik meinen Teil beizutra- 
gen und diese hohe Verantwortung 
zu übernehmen». Sie wolle das Ver- 
trauen der im Parlament vertretenen 
Parteien gewinnen. «Ebenso gilt das 
für Sie, geschätzte Österreicherin- 
nen und Österreicher.» Das wichtigs- 
te Ziel sei derzeit, zur Beruhigung 
und zum wechselseitigen Vertrau- 
ensaufbau beizutragen. Die 69-Jähri- 
ge gab zudem ganz offen zu, dass die 
vergangenen Tage auch für sie eine 
Herausforderung waren. Richter sei- 
en ja üblicherweise selten um Worte 
verlegen. Als der Bundespräsident 
ihr das Kanzleramt angeboten habe, 
sei das für sie «zu diesem Zeitpunkt 
ein wenig anders» gewesen. «Ich ha- 
be mir einige Stunden Bedenkzeit er- 
beten und bin zum Ergebnis gelangt, 
dass ich für das Wohl Österreichs 
diese so verantwortungsvolle Aufga- 
be übernehmen werde.» Der Sturz 
des 32 Jahre alten bisherigen Kanz- 
lers war der vorläufige Höhepunkt 
der schweren Regierungskrise, die 
mit dem skandalösen «Ibiza-Video» 
ihren Anfang genommen hatte. Der 
Bundespräsident hatte nach dem 
Sturz der Regierung die Aufgabe, ei- 
nen Übergangskanzler zu finden, der 
eine neue Regierung in den kom- 
menden Monaten anführen soll. Die 
Amtszeit von Bierlein endet damit 
voraussichtlich nach der Bildung ei- 
ner neuen Koalition nach der Neu- 
wahl im September. Bierlein, am 25. 
Juni 1949 in Wien geboren, wollte ei- 
gentlich Kunst studieren, wurde 
dann aber doch Juristin. 1975 legte 
sie ihre Richteramtsprüfung ab und 
wurde zunächst Richterin am Be- 
zirksgericht in der Wiener Innen- 
stadt. Von 1977 an arbeitete sie dann 
als Staatsanwältin, von 1990 bis 2002 
war sie Generalanwältin in der Gene- 
ralprokuratur, der höchsten Staats- 
anwaltschaft der Alpenrepublik. An- 
schliessend folgte der Wechsel an 
den Verfassungsgerichtshof, wo sie 
von 2003 bis 2018 zunächst Vizeprä- 
sidentin und dann Präsidentin war. 
Der 69-Jährigen werden der österrei- 
chischen Nachrichtenagentur APA 
zufolge gute Kontakte zur ÖVP und 
auch zur FPÖ nachgesagt. In öster- 
reichischen Medien wurde speku- 
liert, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi- 
Wagner zugestimmt haben könnte, 
weil so die erste Frau ins Kanzleramt 
rückt. Dass Bierlein Kanzlerin wird, 
hatte der Bundespräsident zuvor 
auch mit dem designierten FPÖ-Chef 
Norbert Hofer und mit Ex-Kanzler 
Kurz besprochen. «Vielen Dank an 
Brigitte #Bierlein für die Bereit- 
schaft, sich noch stärker in den 
Dienst unseres Landes zu stellen, so 
etwas ist nicht selbstverständlich», 
twitterte Kurz. 
Personalsuche hat begonnen 
Ihre offizielle Ernennung zur Kanz- 
lerin wird nach den Worten Van der 
Bellens in den nächsten Tagen statt- 
finden, eine Abstimmung im Parla- 
ment ist dazu nicht nötig. Bis dahin 
begebe sie sich auf die Suche nach 
Kandidaten für ihr Kabinett, sagte 
Bierlein, die freundlich und be- 
stimmt wirkte. Ausserdem werde sie 
noch vor der Ernennung aus ihrem 
Amt als Präsident des Verfassungs- 
gerichtshofs ausscheiden. «Frau 
Bierlein und ich haben uns darauf 
verständigt, dass vor allem erfahre- 
ne Beamte mit ausgezeichnetem Ex- 
pertenwissen die Amtsgeschäfte 
führen werden», sagte der Bundes- 
präsident. Zwei Personalien sind 
schon fix. Der ehemalige Präsident 
des Verwaltungsgerichtshofs, Cle- 
mens Jabloner, wird neuer Vizekanz- 
ler und Justizminister. Neuer Aus- 
sen- und Europaminister wird Alex- 
ander Schallenberg, derzeit Leiter 
der Europa-Sektion im Bundeskanz- 
leramt. Auslöser der Regierungskri- 
se waren die von «Spiegel» und «Süd- 
deutscher Zeitung» am 17. Mai veröf- 
fentlichten Aufnahmen von 2017, die 
den damaligen FPÖ-Chef Heinz- 
Christian Strache im Gespräch mit 
einer angeblichen russischen Inves- 
torin zeigen. Strache stellt dabei un- 
ter anderem Staatsaufträge für 
Wahlkampfhilfe zugunsten der FPÖ 
in Aussicht und spekuliert über die 
vorteilhaften Folgen eines Kaufs der 
einflussreichen «Kronen-Zeitung» 
durch die Investorin. Strache trat ei- 
nen Tag nach der Veröffentlichung 
von allen politischen Ämtern zu- 
rück, die ÖVP-FPÖ-Regierung zer- 
brach. Die von Kurz angeführte 
Übergangsregierung hatte dann kei- 
ne Mehrheit mehr im Parlament, 
weil die Opposition ihm nicht zu- 
letzt eine gewisse Mitverantwortung 
an der Regierungskrise nach dem 
Skandal-Video vorwarf. Ausserdem 
soll er bei der Bewältigung der Krise 
nicht ausreichend auf die anderen 
Parteien zugegangen sein. (dpa/red) 
Nach der schweren Regierungskrise und dem Skandal-Video von Ibiza wird Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein die erste 
Kanzlerin Österreichs. (Foto: RM) 
China schwingt die «Rohstoff keule» 
Druck Im Handelskrieg mit 
den USA hat China mit einer 
Verknappung der Seltenen 
Erden gedroht. Ein hoher 
Regierungsbeamter sowie 
Staatsmedien machten am 
Mittwoch deutlich, dass Chi- 
na die wichtigen High-Tech- 
Metalle als Waffe im Handels- 
konflikt und im Kampf gegen 
das Vorgehen der USA gegen 
den Telekom-Riesen Huawei 
einsetzen könnte. 
«Sagt hinterher nicht, wir hätten 
euch nicht gewarnt», schrieb das 
Parteiorgan «Volkszeitung». Exper- 
ten warnten, dass Lieferengpässe 
auch starke Auswirkungen auf die 
Weltwirtschaft hätten. China ist der 
weltgrösste Produzent. Die 17 Metal- 
le, zu denen Neodym, Lanthan und 
Cer gehören, werden besonders in 
der High-Tech-Industrie benutzt – et- 
wa für Smartphones, Computer, 
Bildschirme und andere Elektroge- 
räte oder Windkraftanlagen und Au- 
tos. Die USA beziehen 80 Prozent 
aus China. Die USA wollten mit eige- 
nen Produkten, die aus Seltenen Er- 
den hergestellt würden, gegen Chi- 
nas Entwicklung ankämpfen und 
diese «unterdrücken», schrieb die 
«Volkszeitung». «Das chinesische 
Volk wird das niemals zulassen.» 
Ähnlich äusserte sich ein Sprecher 
der mächtigen Entwicklungs- und 
Reformkommission (NDRC), in ei- 
nem Interview der «Global Times»: 
«Ohne Kooperation kann keine Ent- 
wicklung und kein Fortschritt er- 
reicht werden.» 
Gar nicht so selten 
«Die Industrieketten zwischen den 
USA und China sind höchst integ- 
riert und ergänzen sich in starkem 
Masse gegenseitig», schrieb die 
«Volkszeitung». «Es gibt keinen Ge- 
winner in einem Handelskrieg.» Die 
USA sollten Chinas Fähigkeiten, sei- 
ne eigenen Entwicklungsinteressen 
zu schützen, «nicht unterschätzen». 
Anders als der Name vermuten lässt, 
sind die Seltenen Erden gar nicht so 
selten, doch ist ihr Abbau sehr auf- 
wendig und umweltschädlich. Ein 
Lieferengpass hätte «fatale Wirkun- 
gen» für die Weltwirtschaft, warnte 
das Institut der deutschen Wirt- 
schaft (IW) in Köln und sprach von 
Chinas «Rohstoff-Keule im Handels- 
streit». Seit 2011 stehen Seltene Er- 
den auf der Liste kritischer Rohstof- 
fe für die EU. Der europäische Staa- 
tenverbund ist komplett auf Importe 
von ausserhalb angewiesen. Eine 
Verknappung würde unter anderem 
die Preise steigen lassen. US-Präsi- 
dent Donald Trump hatte den Han- 
delskrieg in den vergangenen Wo- 
chen noch verschärft, indem er die 
Sonderzölle auf China-Importe er- 
höhte und den chinesischen Tele- 
kom-Riesen Huawei auf eine 
«schwarze Liste» setzte. Damit un- 
terliegen dessen Geschäftsbeziehun- 
gen zu US-Partnern strengen Kon- 
trollen. Trump begründet seine 
Schritte mit Sicherheitsbedenken 
gegen Technik aus China. Der gröss- 
te Netzwerkausrüster und zweit- 
grösste Smartphone-Hersteller der 
Welt kritisierte das Vorgehen der 
USA als «gefährlichen Präzedenz- 
fall». Er beantragte vor einem Ge- 
richt im US-Bundesstaat Texas eine 
Beschleunigung seiner vorliegenden 
Klage gegen die «illegalen» Be- 
schränkungen seines USA-Geschäft, 
wie Chefjurist Song Liuping am Mitt- 
woch am Firmensitz in Shenzhen in 
Südchina mitteilte. 
Huawei unter Druck 
Der juristische Schritt soll die im 
März vorgebrachte Klage vor dem 
texanischen US-Bezirksgericht 
schneller voranbringen. Damit wird 
die Verfassungsmässigkeit des Ab- 
schnitts 889 des National Defense 
Authorization Act (NDAA) der USA 
infrage gestellt. Demnach wird US- 
Behörden der Kauf und Einsatz von 
Huawei-Technologie und Diensten 
untersagt. Auch dürfen sie keine Ge- 
schäftsbeziehungen zu Dritten un- 
terhalten, die Huawei-Ausrüstung 
einsetzen. Mit den neuen Sonderzöl- 
len und dem US-Vorgehen gegen Hu- 
awei liegen die Handelsgespräche 
zwischen den beiden grössten Volks- 
wirtschaften auf Eis. An diesem 
Freitag treten um Mitternacht als 
Vergeltung für die US-Sonderzölle 
angekündigte Zusatzabgaben Chinas 
auf Importe aus den USA im Wert 
von 60 Milliarden US-Dollar in Kraft. 
Die Zölle steigen auf 10 bis 25 Pro- 
zent. Es ist eine Reaktion auf die Er- 
höhung von US-Zusatzzöllen auf 25 
Prozent auf China-Importe im Wert 
von 200 Milliarden US-Dollar An- 
fang Mai, was die Gespräche platzen 
liess. Huawei steht in den USA auch 
wegen der Affäre um die Tochter 
des Unternehmensgründers Ren 
Zhengfei unter Druck: Meng Wanz- 
hou, die Finanzchefin, sitzt unter 
strengen Auflagen in Kanada fest. 
Die USA haben ihre Auslieferung be- 
antragt. Ihr wird Bankbetrug bei der 
Verletzung von Sanktionen gegen 
den Iran vorgeworfen. Der Fall be- 
lastet auch die Beziehungen zwi- 
schen Kanada und China.  (dpa/red) 
Neuwahl im September 
Netanjahu scheitert 
JERUSALEM Schwere politische Krise 
in Israel: Das Parlament in Jerusalem 
hat sich nur einen Monat nach seiner 
Vereidigung wieder aufgelöst. Die 
Abgeordneten stimmten in der Nacht 
zum Donnerstag für eine Neuwahl 
am 17. September. Dem rechtskonser- 
vativen Ministerpräsidenten Benja- 
min Netanjahu war es zuvor nicht ge- 
lungen, innerhalb einer sechswöchi- 
gen Frist eine tragfähige Koalition zu 
schmieden. Zentraler Streitpunkt 
zwischen Netanjahus potenziellen 
Koalitionspartnern war ein Gesetz, 
das schrittweise mehr strengreligiö- 
se Männer zum Wehrdienst ver- 
pflichten soll. Die Palästinenser rech- 
nen nun mit einem weiteren Auf- 
schub des US-Friedensplans, der 
nach der Regierungsbildung in Israel 
vorgestellt werden sollte. Saeb Ere- 
kat, Generalsekretär der Palästinen- 
sischen Befreiungsorganisation PLO, 
teilte am Donnerstag mit, es handle 
sich nun offenbar um den «Deal des 
nächsten Jahrhunderts». Er bezog 
sich damit auf den lange angekündig- 
ten «Jahrhundert-Deal» des US-Präsi- 
denten Donald Trump zur Lösung 
des Konflikts zwischen Israel und 
den Palästinensern.   (sda/dpa/afp) 
www.volksblatt.li 
Machtkampf 
Parlament 
gegen Rücktritt 
KIEW Im Machtkampf mit dem Parla- 
ment in Kiew hat der neue ukraini- 
sche Präsident Wolodymyr Selenskyj 
eine Niederlage erlitten. Mit grosser 
Mehrheit lehnten die Abgeordneten 
einen Rücktritt von Regierungschef 
Wolodymyr Groisman ab. Damit 
bleibt auch dessen Regierung einst- 
weilen im Amt. Selenskyj war am 20. 
Mai als neuer Präsident vereidigt 
worden. Da der Politikneuling über 
keine Mehrheit im Parlament ver- 
fügt, rief er für den 21. Juli vorgezoge- 
ne Neuwahlen aus. Zudem forderte 
er die Regierung zum Rücktritt auf. 
Nach Selenskyjs Vereidigung hatte 
Groisman, der als enger Vertrauter 
von Selenskyjs Vorgänger Petro Poro- 
schenko gilt, seinen Rücktritt ange- 
boten. Er bedankte sich nun bei den 
Abgeordneten dafür, dass sie ihn im 
Amt belassen wollen. Nach ukraini- 
schem Gesetz muss eine Regierung 
nach einem Präsidentenwechsel 
nicht automatisch zurücktreten. Se- 
lenskyj war mit 72 Prozent der Stim- 
men zum Präsidenten gewählt wor- 
den. In den Meinungsumfragen liegt 
die neue Partei des bisherigen Schau- 
spielers ebenfalls vorn, doch ist un- 
klar, ob sie auch die Mehrheit be- 
kommt.   (sda/afp) 
Flüchtlinge 
Marine rettet rund 
hundert Menschen 
VALLETTA Die italienische Marine hat 
rund hundert Flüchtlinge im Mittel- 
meer gerettet. Unter den Geflüchte- 
ten, die von einem Aufklärungsflug- 
zeug der deutschen Hilfsorganisation 
Sea Watch entdeckt worden waren, 
seien 17 Frauen und 23 Minderjähri- 
ge, erklärte die Marine. Das Patrouil- 
lenschiff «Cigala Fulgosi» habe die 
Menschen 90 Seemeilen vor der liby- 
schen Küste aufgegriffen. Zuvor sei 
ein fünfjähriges Kind auf dem Boot 
gestorben, erklärte Sea Watch via 
Twitter. Die Hilfsorganisation be- 
mängelte, dass das italienische Mari- 
neschiff gezögert habe, bis es sich auf 
die Suche nach dem Schlauchboot 
gemacht habe. Dadurch sei viel Zeit 
verloren worden. Die italienische Ma- 
rine erklärte dagegen, es sei kein 
Mensch ums Leben gekommen. Die 
italienische Verteidigungsministerin, 
Elisabetta Trenta, wies zudem den 
Vorwurf zurück, die italienische Ma- 
rine habe sich mit starker Verspätung 
auf die Suche nach den Migranten be- 
geben, mehrere Stunden lang, nach- 
dem diese um Hilfe gebeten hatte. 
  (sda/afp/apa)
	        

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