Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2019)

  
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9. MAI 2019 null 
Kurt Schädler: Ich möchte noch- 
mals das vorgängig beschriebene 
Dispositionspapier erwähnen. Auf 
diesem waren acht Abteilungen mit 
Namen von Mitarbeitern, die im 
Verwaltungsrat diskutiert wurden. 
Dabei wurde auch festgestellt, dass 
in einzelnen Abteilungen zu viel 
Personal vorhanden ist. Die Milch- 
hof AG hat in den letzten Jahren 
häufig Mitarbeiter «auf Vorrat» ein- 
gestellt. Der Grund ist für mich 
nachvollziehbar: Im Hinblick auf 
das geplante Wachstum wurden 
Fachleute, die 
sich beworben 
haben, einge- 
stellt. Denn 
Fachleute in der 
Milchbranche 
sind äusserst 
schwierig zu re- 
krutieren. Nach 
dem Entscheid 
des Verwaltungsrates wurde drei 
Mitarbeitern gekündigt, einer hat 
von sich aus gekündigt, da er mit 
der Optimierung des Produktions- 
prozesses mit unterschiedlich lan- 
gen Schichten nicht einverstanden 
war. Weitere Kündigungen aus wirt- 
schaftlichen Gründen sind nicht ge- 
plant. Zukünftige Kündigungen 
durch Mitarbeiter oder durch die 
Milchhof AG wären operativer Na- 
tur und werden im Normalfall auch 
wiederbesetzt. Der Titel im «Vater- 
land» «Milchhof beginnt mit Stel- 
lenabbau» sollte eigentlich heissen 
«Milchhof hat Stellenabbau been- 
det». 
Das heisst, der Milchhof hatte an- 
fangs «zu viel» Personal, von dem 
man sich nun trennt. Halten Sie dies 
für menschlich vertretbar? 
Heimo Wohlwend: Die Inbetrieb- 
nahme eines Verarbeitungsbetriebs 
benötigt in der Regel zusätzliche 
Ressourcen. Aufgrund der Verbes- 
serung der Produktivität, durch die 
Stabilisierung der Produktionsanla- 
gen in dieser In- 
betriebnahme- 
phase und die 
effiziente Verar- 
beitung von 
Milch zu Käse 
kann heute 
mehr Milch mit 
weniger Perso- 
nalressourcen 
verarbeitet werden. Da das Wachs- 
tum mit der Effizienzsteigerung 
nicht mitgehalten hat, wurden Res- 
sourcen frei. Natürlich steht hinter 
jeder einzelnen Kündigung ein 
Mensch und dessen Schicksal. Es ist 
jedoch keine Lösung, solche Mass- 
nahmen aufzuschieben, wenn da- 
durch weitere Arbeitsplätze gefähr- 
det werden. 
Um dies ganz deutlich zu machen: 
Wie viel Stellenprozente waren dies 
zum Jahresanfang, wie viel sind es 
jetzt und wie sieht hier die weitere 
Planung aus? 
Kurt Schädler: Das kann ich Ihnen 
genau sagen. Ende 2018 hatten wir 
27 Mitarbeiter mit 
2510 Stellenpro- 
zenten, im Mai 
2019 sind es 24 
Mitarbeiter mit 
2180 Stellenpro- 
zenten. Dabei 
sind die beiden im 
Herbst aufgrund 
der Re-Organisation eingestellten 
Aussendienstmitarbeiter berück- 
sichtigt. Ich möchte an dieser Stelle 
betonen, dass wir auch die Möglich- 
keit von Teilzeitstellen anbieten. Zu- 
künftig werden weitere Stellen, ins- 
besondere in der Produktion und im 
Verkauf, geschaffen, wenn dies die 
Entwicklung des Geschäftsgangs er- 
fordert. 
800 Tonnen Käse könnte der Milch- 
hof maximal produzieren – davon 
sind Sie aktuell weit entfernt. Die 
Qualität der Produkte steht wohl 
nicht zur Diskussion – diese konn- 
ten regelmässig Auszeichnungen 
gewinnen – insofern scheint der 
Schuh im Vertrieb zu drücken. Was 
wiederum dazu passt, dass Sie 
grös sere Abnehmer in der Schweiz 
verloren haben sollen. Welche Ur- 
sachen hat dies? 
Heimo Wohlwend: Das Konzept 
sieht vor, dass schlussendlich die 
gesamte Liechtensteiner Milch 
beim Milchhof verarbeitet wird. Da- 
von sollen rund 8 Mio. Kilogramm 
Milch zu 800 Tonnen Käse verar- 
beitet werden. Die 
dem Projekt zu- 
grundeliegende 
Erfolgsplanrech- 
nung sieht vor, 
dieses Ziel inner- 
halb von neun Ge- 
schäftsjahren zu 
erreichen. Durch 
Verzögerungen 
beim Projektstart und beim Bau- 
projekt hat sich der Vertriebsstart 
auf der Zeitachse nach hinten ver- 
schoben. Diese Verzögerung kön- 
nen wir nicht mehr aufholen und 
hat auch Geld gekostet. 
Kurt Schädler: Bei den «grösseren 
Abnehmern», die Sie ansprechen, 
handelt es sich um die grossen De- 
tailhändler in der Schweiz. Hier 
geht es jedoch nicht um Käse, son- 
dern vorwiegend um die Milchpro- 
dukte. Dieses Geschäft ist viel 
schnelllebiger. Die Detailhändler 
schreiben jährlich ihr gesamtes 
Sortiment aus. Wir verlieren dabei 
immer wieder Produkte, gewinnen 
aber neue dazu. Von einem Verlust 
eines Auftragsvolumens von vier 
bis fünf Millionen kann aber nicht 
die Rede sein. Richtig ist, dass wir 
bei drei Detailhändlern und zu- 
meist Teilumsätze von zusammen 
etwa 1,5 Mio. gegenüber dem Vor- 
jahr verlieren werden. An der Gene- 
ralversammlung vom 25. April 2019 
konnten wir für die ersten Monate 
2019 bereits wieder einen Zuwachs 
gegenüber dem Budget verzeich- 
nen. 
Vor allem Deutschland hat den Ruf 
der tiefsten Lebensmittelpreise in 
Europa: Ich habe vorhin mal nach- 
gesehen: Da ist in Supermärkten die 
Rede von Kilopreisen von 6 bis 8 
Euro die Rede, für – sagen wir – «all- 
tägliche» Käsesorten. Da werden Sie 
Mühe haben, Ihre Produktionskos- 
ten zu decken: Wie wollen Sie in 
Deutschland so signifikant Geld ver- 
dienen? 
Heimo Wohlwend: Der Käsemarkt 
ist wie jeder andere Markt segmen- 
tiert. Der Grossteil der Käse, welche 
aus der Schweiz und auch aus Liech- 
tenstein exportiert wird, gelangt 
nicht als portionierter Käse in die 
Discounter, sondern als Käselaib in 
die Käsetheken. Deshalb empfehle 
ich, unseren Käse «Liechtensteiner 
fürstlich gut» dort zu suchen. In 
Liechtenstein wird der Käse natür- 
lich neben den Fachgeschäften mit 
Käsetheken auch portioniert im De- 
tailhandel angeboten. 
Kurt Schädler: Wir bieten effektiv 
drei verschiedene Linien an: unse- 
ren Premium Kä- 
se «Liechtenstei- 
ner fürstlich gut», 
eine mittlere Li- 
nie und Industrie- 
käse. In Deutsch- 
land haben wir 
vor allem mit der 
Premium-Linie 
sowie mit der mittleren Linie Erfolg. 
Für uns ist dies ein interessantes Ge- 
schäft. Mit der Billiglinie von deut- 
schen Discountern wollen wir gar 
nicht konkurrieren. 
Und in anderen Ländern? Finnland 
klingt angesichts der dortigen Kauf- 
kraft vielleicht noch realistisch. 
Aber Polen, Slowenien, die Slowa- 
kei, Russland, China? Glauben Sie 
wirklich, dass die Kunden dort be- 
reit sind, viel Geld für vergleichs- 
weise teuren Käse aus Liechtenstein 
auszugeben? 
Kurt Schädler: Finnland hat sich 
durch Zufall ergeben. Polen, Slowe- 
nien, Slowakei sehen wir nicht als 
primäre Zielmärkte. Aber unser Ver- 
triebspartner in Deutschland ist 
auch in diesen Ländern tätig, wes- 
halb er diese Länder «mitnehmen» 
kann. Unser Hauptmarkt ist derzeit 
der deutschsprachige Raum, primär 
natürlich Deutschland. Wenn wir 
diesen abgedeckt haben, was noch 
etwas dauert, werden wir uns in den 
kaufkräftigen Regionen in Europa 
wie Skandinavien weiter etablieren. 
Auch die Bene- 
luxländer und 
sogar Frankreich 
könnten interes- 
sant sein, da wir 
mit unserem 
Hart- und Halb- 
hartkäse durch- 
aus etwas ande- 
res anbieten kön- 
nen. Die BRICS-Länder, allen voran 
Russland und China stehen auf un- 
serer Wunschliste, aber die dortigen 
Hürden wie das europäische Embar- 
go gegenüber Russland sowie in bei- 
den Ländern die hohen Anforderun- 
gen an Zertifikaten, und dies in den 
Landessprachen, hält uns von einem 
Direktvertrieb ab. Wir planen, zu- 
künftig in diesen Ländern mit unse- 
ren Handelspartnern aufzutreten. 
Käse aus Liechtenstein mag zwar 
für gewisse Kundenschichten inte- 
ressant klingen. Für bestimmte 
Käsesorten in der Schweiz wird re- 
lativ aggressive Werbung betrie- 
ben. Hier dürften grosse finanziel- 
le Mittel eine Rolle spielen, über 
die Sie kaum verfügen werden. 
Wie also wollen Sie im Ausland er- 
folgreich sein und damit ein wich- 
tiges Standbein zur Überlebensfä- 
higkeit des Milchhofes gewährleis- 
ten? 
Heimo Wohlwend: Der Vertrieb un- 
seres Käses funktioniert im Ausland 
über Partnerschaften mit Käsegross- 
händlern, welche über das Ver- 
triebsnetzwerk verfügen. Der Käse- 
markt ist ein Geschäft, welches auf 
Vertrauen gründet, welches sorgfäl- 
tig aufgebaut werden muss und bei 
Gelingen stetig wächst. 
Kurt Schädler: Es stimmt, unsere fi- 
nanziellen Mittel sind begrenzt, 
aber allein das Wort «Liechtenstein» 
öffnet uns Tür und Tor. Unser Land, 
unser Fürstenhaus, unsere Berge, 
unsere Kühe und Landschaften ha- 
ben in Deutschland einen hervorra- 
genden Ruf. Damit kommen wir bei 
den Käsegrosshändlern immer ins 
Gespräch. 
Überlebensfähigkeit ist vielleicht 
ein gutes Stichwort, noch einmal zu- 
sammengefasst: Wie ist die aktuelle 
wirtschaftliche Situation des Milch- 
hofes und welche Prognose geben 
Sie zumindest für den weiteren Jah- 
resverlauf ab? 
Kurt Schädler: Wie erwähnt ma- 
chen wir keinen Hehl daraus, dass 
die wirtschaftliche Situation ange- 
spannt ist. Dabei ist nicht ein dro- 
hender Konkurs das Thema. Viel- 
mehr haben wir durch den verzö- 
gerten Einstieg in den Käseverkauf 
einen Rückstand gegenüber dem 
ursprünglichen Zeitplan. Das hat 
uns nicht nur weniger Geld ge- 
bracht, sondern auch Geld gekos- 
tet. Zudem ist der Preisdruck auf 
die Produzenten gestiegen. Ausser- 
dem macht uns die aktuelle «Käse- 
schwemme» in Deutschland zu 
schaffen. «Käseschwemme» des- 
halb, weil viel mehr Käse aus der 
Schweiz nach Deutschland expor- 
tiert wurde und zudem im süddeut- 
schen Raum viele kleine Käsereien 
eröffnet haben, welche den regio- 
nalen Markt abdecken. Wir haben 
deshalb auch Massnahmen ergrif- 
fen, um die Produktionsprozesse zu 
optimieren, Energiekosten zu spa- 
ren und vor allem Verluste zu mini- 
mieren. Für das laufende Jahr rech- 
nen wir, wie Herr Wohlwend oben 
erwähnt hat, zum ersten Mal mit ei- 
nem positiven operativen Ergebnis. 
Wir sind optimistisch, dies errei- 
chen zu können. Aber alles steht 
und fällt damit, ob wir den Käsever- 
kauf deutlich steigern können. Die 
Marktentwicklung spielt dabei eine 
entscheidende Rolle. 
Für das laufende Jahr rechnet die Milchhof AG 
in Schaan zum ersten Mal mit einem positiven 
 operativen Ergebnis, wie Interims-Geschäftsführer 
Kurt Schädler (links) und VR-Präsident Heimo 
Wohlwend erklären. (Foto: Michael Zanghellini) 
«Es ist jedoch keine Lösung, 
solche Massnahmen aufzu- 
schieben, wenn dadurch wei- 
tere Arbeitsplätze gefährdet 
werden.» 
HEIMO WOHLWEND 
VR-PRÄSIDENT 
«Mit der Billiglinie von 
deutschen Discountern 
wollen wir gar nicht 
konkurrieren.» 
KURT SCHÄDLER 
INTERIMS-GESCHÄFTSFÜHRER 
«Für das laufende Jahr 
rechnen wir zum ersten 
Mal mit einem positiven 
operativen Ergebnis.» 
KURT SCHÄDLER 
INTERIMS-GESCHÄFTSFÜHRER www.volksblatt.li
	        

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