10 | Politik
DIENSTAG
12. FEBRUAR 2013
Mindestens zwölf Tote bei einer
Explosion an türkisch-syrischer Grenze
Gewalt Bei der Explosion
eines Autos an der türkisch-
syrischen Grenze sind am
Montag mindestens zwölf
Menschen getötet worden.
28 Menschen seien verletzt
worden, 13 von ihnen schwer,
sagte der stellvertretende
türkische Ministerpräsident
Bülent Arinc am Montag.
Zuvor
war von rund 50 Ver-
letzten die Rede gewesen.
Bei den Todesopfern handelt
es sich laut Arinc um 3 Tür-
ken und 9 Syrer. Wegen der hohen
Zahl der Verletzten rechneten die
türkischen Behörden damit, dass die
Zahl der Toten noch ansteigen werde.
Es ist der schwerste Zwischenfall an
der Grenze seit dem Beginn des Auf-
standes in Syrien vor knapp zwei Jah-
ren. Die Detonation ereignete sich am
Grenzübergang Cilvegözü in der süd-
lichen Provinz Hatay. Das explodier-
te Fahrzeug hatte laut Augenzeugen
ein syrisches Kennzeichen und stand
zum Zeitpunkt der Explosion in einer
Warteschlange von Hilfstransportern
auf der türkischen Seite der Grenze.
Ursache der Explosion noch unklar
Ein Vertreter des türkischen Aussen-
ministeriums sagte, rund 15 Fahrzeu-
ge seien beschädigt worden, darun-
ter auch Transporter mit Hilfsgütern
für die syrische Bevölkerung. Was
die Explosion des Kleinbusses ausge-
löst hatte, war Arinc zufolge offen. Es
werde in alle Richtungen ermittelt,
auch ob es sich um einen Selbstmord-
anschlag handle, sagte er. Laut ei-
nem Regierungsvertreter könnte die
Explosion auch durch eine Granate
ausgelöst worden sein, die von der
syrischen Seite abgefeuert wurde. In-
folge des Bürgerkrieges in Syrien gab
es in den vergangenen Monaten wie-
derholt grenzüberschreitende Zwi-
schenfälle. Anfang Oktober wurden
in der Türkei fünf Zivilisten durch
Granaten getötet, die aus Syrien über
die Grenze gefeuert worden waren.
Seit Kurzem sind Luftabwehr-Rake-
ten mehrerer NATO-Länder an der
Grenze stationiert, mit denen die
Türkei vor möglichen Raketenangrif-
fen aus Syrien geschützt werden soll.
Im Nordosten Syriens kamen am
Montag bei Selbstmordanschlägen 14
Mitarbeiter der syrischen Geheim-
dienste ums Leben, wie die syrische
Beobachtungsstelle für Menschen-
rechte in London mitteilte. Die Atten-
täter sprengten sich den Angaben zu-
folge mit ihren Autos vor den Nieder-
lassungen des Inlands- und des mili-
tärischen Geheimdienstes in die Luft.
Arabische Liga will Treffen
Die Arabische Liga sucht derweil wei-
ter nach einer diplomatischen Lö-
sung des Konflikts. Sie will ein Tref-
fen zwischen dem syrischen Vizeprä-
sidenten Faruk al-Scharaa und der
Opposition organisieren, wie die ara-
bische Tageszeitung «Al-Sharq Al-Aw-
sat» berichtete. Ihren Informationen
zufolge wurde dies bei einem Treffen
des Generalsekretärs der Liga, Nabil
al-Arabi, und dem Syrienvermittler
der UNO und der Liga, Lakhdar Bra-
himi, am Sonntag in Kairo bespro-
chen. Ein Teil der Opposition sieht in
Vizepräsident al-Scharaa einen mög-
lichen Verhandlungspartner. Dieser
war nach Beginn des Aufstandes ge-
gen Präsident Baschar al-Assad im
März 2011 von der Bildfläche ver-
schwunden. Es heisst, er lehne die
Gewalt gegen die Regimegegner ab.
Assad selbst zeigte sich am Montag
erneut unnachgiebig. Beim Besuch
einer jordanischen Delegation sagte
er, seine Staatsführung werde ihre
«Prinzipien» gegen jede Art von
«Komplott» aufrechterhalten. Syrien
bleibe das «pochende Herz der arabi-
schen Welt» und werde sich durch
keine Art des «Drucks» erschüttern
lassen. (sda/dpa/afp/reuters)
Dieses Foto wurde zehn Minuten vor der Explosion an der syrisch-türkischen Grenze aufgenommen. (Foto: AP)
Frankreichs Präsident
will Dschihadisten in
Mali keinen Raum lassen
Sicherung Einen Monat nach dem Einmarsch französischer
Truppen in Mali sieht Präsident François Hollande nun den
Beginn einer Phase der Sicherung im westafrikanischen Land.
Der wichtigste Teil des malischen
Territoriums ist gemäss Hollande
von den Dschihadisten befreit. «Kei-
ne Stadt ist mehr besetzt von den
Terroristen», sagte Hollande am
Montag – auf den Tag genau einen
Monat nach Beginn des französi-
schen Militäreinsatzes in Mali – nach
einem Treffen mit dem nigeriani-
schen Staatschef Goodluck Jonathan
in Paris. Die Islamisten seien nicht
mehr in der Lage, eine Offensive zu
führen. Inzwischen gehe es daher
nicht mehr um «die Befreiung» Malis
von den Islamisten, sondern um die
«Sicherung» des Territoriums. «Es ist
die Pflicht Frankreichs, die Operati-
on zu Ende zu bringen, damit kein
einziger Teil des Territoriums in Ma-
li unter der Kontrolle der Terroristen
verbleibt», sagte Hollande. Vor rund
einer Woche hatte er angekündigt,
im März die ersten Soldaten abzuzie-
hen. Nach Angaben des französi-
schen Präsidenten sind inzwischen
mehr afrikanische Soldaten als fran-
zösische Truppen im Einsatz in Mali.
Gebäude in Gao bombardiert
Am Montag bombardierte die fran-
zösische Armee ein von Dschihadis-
ten genutztes Kommissariat in der
nordmalischen Stadt Gao. Das Ge-
bäude sei am Morgen aus einem Ar-
meehelikopter beschossen worden,
berichteten Augenzeugen. Laut ei-
nem AFP-Journalisten wurde das Ge-
bäude komplett zerstört. Um das Ge-
bäude herum lagen die Überreste
zahlreicher Leichen. Ein malischer
Offizier sagte, beim Einsatz seien
«mindestens zwei Terroristen» getö-
tet worden. Ein Augenzeuge berich-
tete, im Innern des Gebäudes habe
sich zudem ein Islamist in die Luft
gesprengt. Das Kommissariat war
der frühere Sitz der von der Bewe-
gung für Einheit und Dschihad in
Westafrika (Mujao) im vergangenen
Jahr eingerichteten «islamischen Po-
lizei». Zuletzt hatten dschihadisti-
sche Kämpfer das Gebäude besetzt
und von dort aus auf malische Solda-
ten geschossen. Nach der Bombar-
dierung vom Montag versammelten
sich Hunderte Menschen vor dem
Gebäude, um den Schlag gegen die
Islamisten zu feiern. Die Gefahr von
Überfällen und Bombenanschlägen
bestehe weiter, erklärten die Mili-
tärs allerdings. Die Malier gingen
nun «Haus für Haus, Häuserblock
für Häuserblock» auf ihrer Suche
nach Islamisten vor, sagte ein fran-
zösischer Armeesprecher.
(sda/dpa/afp)
Französische
Soldaten bauen
Sicherheitswälle
am Senou-Flug-
hafen. (Foto: EPA)
Kabinettsumbildung
Tunesien vor
off enem Machtkampf
TUNIS Tunesien steht vor einem offe-
nen Machtkampf an der Spitze des
Landes. Die regierende islamistische
Ennahda-Partei hat die Bildung einer
von Ministerpräsident Hamadi Jebali
geforderten Expertenregierung abge-
lehnt. Fathi Ayadi, Vorsitzender der
wichtigsten Ennahda-Kommission,
wies die Pläne des Regierungschefs of-
fiziell zurück. «Die Kultur der Zusam-
menarbeit und des Konsenses muss
weitergehen», sagte Ayadi. Dieser Weg
solle auch nach der Ermordung des
Oppositionspolitikers Chokri Belaïd
weiter beschritten werden. Der als mo-
derat geltende Jebali hatte angekün-
digt, sein Amt niederzulegen, falls En-
nahda der von ihm geplanten Bildung
einer Regierung aus parteiunabhängi-
gen Experten im Wege stehe. (sda/dpa)
Festnahme
Feministinnen an
Klagemauer verhaftet
JERUSALEM Zehn jüdische Feminis-
tinnen, die entgegen der Religions-
gesetze an der Klagemauer Gebets-
schals und eine Thorarolle trugen,
sind von der Polizei festgenommen
worden. Wie Sprecherin Luba Samri
von der Reformgruppe Frauen von
der Mauer berichtete, waren am
Montag rund Hundert Frauen be-
deckt mit Schals mit Zipfelquasten
zur Klagemauer gezogen, um dort
zu beten und zu singen. Am Ende
der Zeremonie seien zehn von ihnen
beim Verlassen des abgesperrten
Geländes in der Jerusalemer Altstadt
festgenommen und verhört worden.
Die Frauen von der Mauer treten
einmal pro Monat mit solchen Aktio-
nen für die Gleichberechtigung der
gläubigen Jüdinnen beim Gebet am
heiligsten Ort ihres Glaubens ein.
Der Oberste Gerichtshof Israels hat-
te bekräftigt, dass die Gebetsschals
mit den Schaufäden und das Tragen
der Gebetsrolle den Haredim, also
den männlichen ultra-orthodoxen
Juden, vorbehalten ist. (sda/afp)
Rabbi Susan Silverman, die Schwester
der US-Komikerin, war unter den fest-
genommenen Frauen. (Foto: EPA)
Proteste gegen Mursi
Zweiter Jahrestag von Mubaraks Rücktritt
KAIRO Mehr als zehntausend Aktivis-
ten haben in Ägypten am zweiten
Jahrestag des Rücktritts von Präsi-
dent Husni Mubarak gegen die neue
islamistische Regierung demonst-
riert. In Kairo blockierten Angehöri-
ge der Anarchisten-Bewegung «Black
Block» am Montag die U-Bahn. An-
dere Demonstranten verbarrikadier-
ten den Eingang der zentralen Mel-
debehörde am Tahrir-Platz. Das
Ägyptische Museum, das auf der ge-
genüberliegenden Seite des Platzes
liegt, wurde geschlossen, um mögli-
che Zerstörung
oder Diebstahl zu
verhindern. Der
Protest stand unter
dem Motto «Das
Volk will den Sturz
des Regimes». Zu
den Protestmär-
schen in Kairo hatten mehrere Par-
teien und Revolutionsgruppen auf-
gerufen. Sie kritisieren die Politik
der Regierung des islamistischen
Präsidenten Mohammed Mursi. Ihr
Protest richtete sich auch gegen das
Innenministerium. Sie werfen ihm
vor, seine Polizisten griffen heute
noch immer zu den gleichen bruta-
len Methoden wie einst unter Muba-
rak. Auf einer Nil-Brücke riefen jun-
ge Demonstranten: «Wach auf Mursi,
heute ist dein letzter Tag (im Amt)!».
Aufklärung gefordert
Die Jugendbewegung 6. April versam-
melte sich erst auf dem Platz vor der
Börse und blockierte danach das Bü-
ro des von Präsident Mursi neu einge-
setzten Generalstaatsanwaltes Talaat
Abdullah. Die Aktivisten forderten
die Aufklärung
des Todes ihres
Mitgliedes Gaber
Saleh, genannt
«Gika». Sie riefen:
«Verschwinde,
verschwinde, Mur-
si.» Saleh, dessen
Name seine Mitstreiter inzwischen
auf Hunderte Wände in Kairo ge-
sprüht haben, war bei einer Demons-
tration im November ums Leben ge-
kommen. Angeblich erschoss ihn die
Polizei. In Alexandria, der zweit-
grössten Stadt Ägyptens, zogen Ange-
hörige mehrerer Parteien durch die
Strassen. Sie verteilten nach Angaben
des ägyptischen Nachrichtenportals
«youm7» eine Erklärung, in der sie
beklagten: «Zwei Jahre ist es jetzt her,
dass das korrupte alte Regime ge-
stürzt wurde, doch wir stellen nicht
fest, dass sich seither etwas geändert
hätte. Damals wie heute spielt der
Wille des Volkes eine entscheidende
Rolle.» Mubarak war nach fast 30 Jah-
ren an der Macht am 11. Februar 2011
vom Militär zum Rücktritt gezwun-
gen worden. Er wurde später inhaf-
tiert und wegen der Tötung von De-
monstranten zu lebenslanger Haft
verurteilt. Das Urteil ist jedoch nicht
rechtskräftig. Der Prozess soll dem-
nächst wiederholt werden. Die staatli-
che ägyptische Nachrichtenwebsite
«Egynews» berichtete am Montag, die
Staatsanwaltschaft wolle den bekann-
ten islamischen Prediger Mahmud
Schaaban verhören, der zur Ermor-
dung von Oppositionellen aufgerufen
hatte. Ein Anwalt hatte zuvor Anzeige
gegen Schaaban erstattet, der in Kai-
ro an der islamischen Al-Azhar-Uni-
versität unterrichtet. (sda/dpa)
«Damals wie heute spielt
der Wille des Volkes eine
entscheidende Rolle.»
ERKLÄRUNG VON DEMONSTRANTEN