Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2013)

  Inland | 9 
SAMSTAG 
26. JANUAR 2013 
Wieslaw Piechocki auf Reisen 
So entwickelte sich das Schloss Feldsberg 
Serie Heute widmet sich 
unser Autor erneut dem 
Schloss Feldsberg, das bis 
1945 dem Hause Liechten- 
stein gehörte. 
VON WIESLAW PIECHOCKI 
Wer 
hätte je geahnt, dass 
in einem winzigen 
Städtchen in der heu- 
tigen Tschechischen 
Republik die Soldaten verschiedener 
Armeen lagerten, überwinterten, 
plünderten und eher nicht zur Ruhe 
und Verschönerung der Gegend bei- 
trugen? In Feldsberg (oder tsche- 
chisch Valtice, sprich WAL-ti-zä) 
weilten in zahlreichen Kriegen die 
Heere der Hussiten, Ungarn, Tür- 
ken, Schweden, Preussen und Rus- 
sen. Diese Liste erhebt freilich kei- 
nen Anspruch auf Vollständigkeit. 
Wenn wir noch die drei Grossbrände 
in der Neuzeit dazurechnen, ist es 
verwunderlich, dass das prächtige 
Barockschloss des Hauses von Liech- 
tenstein weiter steht – und Millionen 
von Touristen, die aus der ganzen 
Welt hierher pilgern, erfreut. 
Mich  erfreut auch der bezaubernde 
Barockbau. Ich stehe auf dem Markt- 
platz und merke sofort, dass das 
Stadtkaliber bis heute nicht zum 
Schloss passt. Der Bau ist kontrastiv 
riesig im Vergleich zur kleinen Stadt, 
die ihren historischen Ruhm einem 
Geschlecht verdankt, das heutzuta- 
ge in den Alpen angesiedelt ist.   
Das Haus Liechtenstein kommt 
Schon sehr früh stand hier ein 
Schloss, oder besser gesagt eine 
Burg mit Befestigungen, Wassergrä- 
ben und fünfeckigen Bastionen. La- 
tent war damals die Gefahr nächster 
Türkenangriffe. 
Vom Marktplatz aus bräuchte ich 
bloss zwei Schritte zum auf dem Hü- 
gel dominierenden Palast. Jedenfalls 
wäre es vor Jahrhunderten so gewe- 
sen. Aber die Burg existiert nicht 
mehr, weil eben die Epochen zu un- 
ruhig waren. Den riesigen Komplex, 
den wir nun sehen, begann man am 
Anfang des 17. Jahrhunderts zu er- 
richten. Nobel waren aber die An- 
fänge, weil in der Feldsberger Burg 
König Rudolf von Habsburg im Au- 
gust 1278 als Gast übernachtete. Das 
besagen die uralten Dokumente. 
Argwöhnisch beobachtete hundert 
Jahre später Herzog Albrecht III. von 
Habsburg die wachsende Macht der 
er von Liechtenstein. Sie war ihm 
ein Dorn im Auge. Seinen eigenen 
Hofmeister Johann von Liechten- 
stein liess er 1394 sogar einsperren! 
Leider wissen wir bis heute nicht 
warum. Neid? Rache? Wut? Dann 
kam plötzlich eine wesentliche Wen- 
de: Elisabeth von Puchheim, Jo- 
hanns dritte Gemahlin, bestimmte 
in ihrem Testament: «Wenn ich frü- 
her als mein Gemahl sterbe, soll 
Feldsberg ihm gehören.» Und es 
geschah so! 
Seit 1395 bis 1945 gehörte das Schloss 
zu Feldsberg praktisch ununterbro- 
chen dem Hause Liechtenstein. 550 
Jahre lang! Ein seltener Rekord in 
Europa! Übrigens nicht nur das 
Schloss, sondern auch die benach- 
barte Region: Rabensburg, Mistel- 
bach, Ringleinsdorf, Ulrichskirchen, 
Edelsberg und Riedegg. Und: Jahr- 
hundertelang  wurde Feldsberg mit 
Niederösterreich assoziert. Bis 1. Au- 
gust 1920. Nach dem ersten Welt- 
krieg, konkreter nach dem Vertrag 
von Saint-Germain, ging diese Regi- 
on an die Tschechoslowakei, obwohl 
1910 die Bewohner von Feldsberg zu 
97 Prozent Deutsch sprachen! 
Die eigentlichen wesentlichen Bauän- 
derungen begannen unter Fürst Karl 
1608, später führte sie dessen Sohn, 
Karl Eusebius von Liechtenstein, 
fort. Aus der Burg wurde allmählich 
ein «Palazzo in fortezza», also ein 
Festungspalast. Das muss auf italie- 
nisch beschrieben werden, schliess- 
lich wurden nur die berühmtesten 
Architekten jener Zeit, also Italiener, 
engagiert: Giovanni M. Filippi als In- 
nenarchitekt und Giovanni B. Carlo- 
ne der Ältere aus Venedig als Haupt- 
baumeister. 
Doppelter Herkules schützt besser 
Wie jeder Gast, der das Schloss be- 
sichtigen will, werde ich von zwei 
Statuen begrüsst, die auf den So- 
ckeln Herkules darstellen. Interes- 
sant! Ein doppelter Herkules – eine 
Seltenheit!  Rechts steht er mit dem 
Nemeischen Löwen und links mit 
dem vielköpfigen Zerberus, der von 
ihm gefangen genommene Unter- 
welthund. Die Symbolik ist klar: Es 
sind die erste und die zwölfte, letzte 
Herkules-Arbeit, also der Anfang 
und das Ende, oder Alfa und Omega! 
Betonte damit das Haus Liechten- 
stein die vollkommene Herrschaft in 
der Region? 
Karls Sohn, Karl Eusebius von Liech- 
tenstein, selbst ein Architektur-Ama- 
teur, hatte Ausbauideen im Kopf ge- 
habt und sie realisiert. Wieder ein 
namhafter Italiener, Giovanni Ten- 
calla, begann die formvollendete be- 
nachbarte Pfarrkirche zu bauen. Der 
Fürst betete da, als man sie am 23. 
Oktober 1638 einweihte. Es entstan- 
den am Schloss zwei Seitentürme, 
Reitschulen und elegante Marställe. 
Immer grösser, immer breiter. 
Der Reigen der Architekten setzte 
sich am Anfang des 18. Jahrhunderts 
fort. Nicht nur Domenico Martinelli 
trug zur Barockpracht des Baus bei, 
sondern vor allem der vor 290 Jah- 
ren verstorbene Gigant, Johann 
Bernhard Fischer von Erlach, seit 
1694 Hofarchitekt beim Kaiser, der 
vor allem in Salzburg (Mirabellgar- 
ten, Dreifaltigkeitskirche, Schloss 
Klesheim) und in Wien (Palais 
Schwarzenberg, Sommerresidenz 
Schönbrunn und Pläne für das Wie- 
ner Stadtpalais des Prinzen Eugen 
von Savoyen) tätig war. 
Ein paar Jahre nach seinem Tod 
wurden die Malarbeiten in der wun- 
derbaren Schlosskapelle beendet. 
Überdies begannen die Arbeiten für 
einen Theatersaal, die 1790 beendet 
wurden. 
Südmähren wurde nach dem ersten 
Weltkrieg tschechisch (wie bereits 
erwähnt gehörte es bis 1. August 
1920 zu Niederösterreich), das Felds- 
berger Schloss blieb aber fest in 
Liechtensteiner Hand. Jedenfalls bis 
1945. Bis heute wird übrigens das in 
der Ornamentik dynamische Stadt- 
wappen von Feldsberg mit gold-ro- 
ten, fürstlichen Farben geschmückt. 
Alles ändert sich 
Der zweite Weltkrieg brachte eine 
wesentliche Zäsur: Die Regierung 
der Tschechoslowakei konfiszierte 
das Schloss entschädigungslos. Es 
kamen schlimme Zeiten, nicht nur 
für die hier lebenden Tschechen, die 
1948 nach verfälschten Wahlen den 
Moskauer Kommunismus akzeptie- 
ren mussten, sondern auch für das 
Feldsberger Schloss: Ab 1949 wurde 
hier ein Straflager für Frauen einge- 
richtet, also praktisch ein Gefäng- 
nis! In der Reitschule wurde ein 
Hopfenlager hergerichtet. Alles ram- 
poniert. Im Schlossgarten pflegte 
die sowjetische Rote Armee ihre 
Gegner im Garten zu erschiessen. 
O, Zeiten, o, Sitten! 
Die Gartenanlage wurde noch in den 
Barockzeiten so schön und mit Pie- 
tät vom Franzosen Dominic Girard, 
der in Versailles und im Wiener Bel- 
vedere arbeitete, entworfen. Er 
plante geometrische Alleen, gepfleg- 
te Buschlabyrinthe, spritzende 
Springbrunnen, mehrere Fischtei- 
che und einen chinesischen Pavillon 
ein. Alles leider nur Erinnerungen, 
die wir nur auf verwelkten Zeich- 
nungen und Stichen entziffern kön- 
nen. Monsieur Girard würde sich im 
Grabe umdrehen. 
Jetzt lehne ich mich aus dem Fenster 
hinaus, das mir auf die Parkseite 
den Blick erlaubt. Es ist fast nichts 
nach ursprünglichem Glanz und 
Glamour übriggeblieben … Keine 
Gartenarchitektur, keine Geldsprit- 
ze. Noch keine. Nach der Konfiszie- 
rung hatte der Staat der Tschechen 
und Slowaken grössere Probleme als 
die Rettung des Schlosses, das einer 
Dynastie gehörte, die westwärts, in 
Richtung Alpen und Rheintal aus- 
wandern musste. 
Dann, langsam, fing die Regierung 
der Tschechischen Republik an, sich 
um das Schloss zu Feldsberg zu 
kümmern. Sie kaufte sogar Bilder, 
Mobiliar, um die ausgeplünderten 
Säle auszufüllen. 1996 kam das 
Schloss auf die Weltkulturerbeliste 
der UNESCO! In den einst prächti- 
gen Räumlichkeiten wurde ein Mu- 
seum eröffnet. 
2007, dem Schengen-Abkommen sei 
Dank, fielen jegliche Grenzkontrol- 
len zwischen Österreich und Tsche- 
chien weg. Das Schloss der Liechten- 
steins in Feldsberg ist normal zu- 
gänglich und besuchenswert – die 
europäischen Politiker gaben dazu 
grünes Licht. So grün wie das Gras 
im Park, so grün wie die Hoffnung. 
Wieslaw Piechocki auf Reisen: Der freie 
Mitarbeiter des «Volksblatts» reist gern und 
oft. Dabei entdeckt er Spuren Liechtensteins an 
Orten, die man bisher nicht mit dem Fürstentum 
assoziiert hat. In dieser Serie, die das «Volks- 
blatt» in loser Folge publizieren wird, erläutert 
Piechocki seine interessantesten «Funde». 
Das Schloss Feldsberg 
(links) war bis 1945 im 
Besitz der Familie 
Liechtenstein. Erbaut 
von italienischen 
Meistern diente 
es auch als Festungs- 
palast. Rechts: Tor 
zwischen Hauptmarkt 
und Schloss, inklusive 
Liechtenstein-Wappen. 
(Foto: Wieslaw Piechocki) 
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