Wirtschaft | 17
FREITAG
5. JULI 2013
EZB belässt Leitzins auf Rekordtief
Lockere Zügel Europas
Währungshüter halten das
Geld im Euroraum extrem
billig. Allerdings senken sie
den Leitzins vorerst nicht
weiter. Denn das Ende der
Rezession scheint in Sicht.
Die
Europäische Zentralbank
(EZB) lässt den Leitzins im
Euroraum wie erwartet auf
dem Rekordtief von 0,5 Pro-
zent. Das beschloss der EZB-Rat nach
Angaben der Notenbank am Don-
nerstag in Frankfurt. Die meisten
Ökonomen hatten weder eine weitere
Senkung des Leitzinses noch zusätz-
liche Stützungsmassnahmen erwar-
tet. Denn seit der letzten Zinssen-
kung im Mai hat sich die Lage an der
Konjunkturfront etwas entspannt:
Das Geschäftsklima verbesserte sich
gerade auch bei Unternehmen in Kri-
senländern, und die Konsumenten-
stimmung im Euroraum kletterte im
Juni auf den höchsten Stand seit fast
zwei Jahren.
Ökonomen rechnen damit, dass der
Leitzins auf Monate auf seinem heu-
tigen Niveau verharren wird. Zumal
EZB-Präsident Mario Draghi erwar-
tet, dass sich die Konjunktur in der
zweiten Jahreshälfte 2013 allmählich
erholen wird. Ökonom Johannes
Mayr von der BayernLB sieht nach
den jüngsten Konjunkturdaten sogar
Chancen, dass sich die Wirtschaft
bereits im Sommer stabilisiert.
Keine baldige Änderung erwartet
Niedrige Zinsen sollen Investitionen
anschieben und damit die Konjunk-
tur in Schwung bringen. Doch das
funktioniert in den Krisenländern
derzeit nicht, weil die Finanzbran-
che das billige Geld nicht in Form
von Krediten an Unternehmen und
Konsumenten weiterreicht. Daher
glauben viele Ökonomen, dass noch
billigeres Geld im Kampf gegen die
Rezession wenig helfen würde.
Da der Preisdruck gering ist, steht
vorerst aber auch keine Zinserhö-
hung an. Ohnehin will die EZB an-
ders als die US-Notenbank Fed vor-
erst keine Pläne zum Ausstieg aus der
Krisenpolitik des billigen Geldes ver-
künden. Das hatte EZB-Direktor
Benoît Curé kürzlich betont: «Es soll-
te keine Zweifel geben, dass ein Ende
der lockeren Geldpolitik weit ent-
fernt ist.» Andere Sondermassnah-
men gegen die Wachstumsschwäche
im Währungsraum wie etwa Strafzin-
sen auf überschüssige Liquidität von
Geschäftsbanken gelten mittlerweile
als unwahrscheinlich.
Eher dürfte Draghi auf die Wirkung
seiner Worte bauen, um den Finanz-
märkten Entschlossenheit zu de-
monstrieren. Nach der Ankündi-
gung von Fed-Chef Ben Bernanke,
das Anleihenkaufprogramm lang-
sam zurückzufahren, zogen die Risi-
koprämien auf Staatsanleihen im
Euroraum wieder an.
Die EZB lässt sich allerdings eine
Hintertür für weitere Zinssenkungen
offen. Das aktuelle Rekordtief von
0,5 Prozent sei keine Untergrenze,
so Draghi, der gestern erstmals ei-
nen längeren Ausblick für die Zinsen
gegeben hatte: «Der EZB-Rat geht da-
von aus, dass die Schlüsselzinsen in
der Eurozone noch für eine längere
Zeit auf dem aktuellen oder einem
niedrigeren Niveau bleiben.» Kon-
kreter wurde er aber nicht: «Längere
Zeit heisst nicht sechs Monate, heisst
nicht zwölf Monate, sondern heisst
längere Zeit.» (sda)
Industrie
Oerlikon verkauft
Naturfasergeschäft
um 470 Mio. Franken
PFÄFFIKON/BALZERS Der Industrie-
konzern Oerlikon hat den Verkauf
seines Naturfasergeschäftes an die
chinesische Jinsheng Group abge-
schlossen. Er erwartet einen Netto-
Mittelzufluss nach Transaktionskos-
ten, Abzug von Schulden sowie Steu-
ereffekten von rund 470 Millionen
Franken. Der Industriekonzern mit
Fokus auf Maschinen- und Anlagen-
bau will sich im Textilgeschäft auf
das weniger zyklische Chemiefaser-
geschäft konzentrieren. Dieses neu
«Manmade Fibers» genannte Seg-
ment wird laut Mitteilung per sofort
von Stefan Kross geleitet. Clement
Woon, Leiter des ehemaligen Seg-
ments Textile, verlässt den Konzern.
Die verkauften Naturfaser-Ge-
schäftseinheiten erwirtschafteten
2012 einen Umsatz von 1,0 Milliar-
den Franken und beschäftigten
rund 3800 Mitarbeitende. Der Ge-
samtkonzern kam mit 12 700 Ange-
stellten auf 2,9 Mrd. Fr. Umsatz,
nachdem der einst finanziell ange-
schlagene Konzern nach rascher Ex-
pansion 2012 auch aus dem Solarge-
schäft ausgestiegen ist. (sda)
Erfolgreiches Jahr 2012
Messe Friedrichshafen
mit Rekordumsatz
FRIEDRICHSHAFEN Die Messe Fried-
richshafen GmbH hat im Geschäfts-
jahr 2012 erstmals die Umsatzmarke
von 30 Millionen Euro geknackt, wie
die Gesellschaft am Donnerstag mit-
teilte. Der Umsatz betrug 31,8 Millio-
nen Euro; das sind rund 3 Millionen
Euro oder gut 10 Prozent mehr als
im Vorjahr. Auch im laufenden Jahr
erwartet die Messe Friedrichshafen
gemäss Mitteilung ein gutes Ergeb-
nis. Bei den Besucherzahlen sei man
«gut im Rennen». Viel Publikum ver-
spricht sich die Geschäftsleitung von
den internationalen Messen Out-
Door und Eurobike, die im Juli und
im August stattfinden. (sda)
Musterschüler
EWR-Umsetzungsquote für
Liechtenstein bei 99,7 Prozent
VADUZ Liechtenstein zeigt sich in der
Umsetzung von EU-Binnenmarkt-
Richtlinien als regelrechter Muster-
schüler. Das Land hat 99,7 Prozent
der 1247 Richtlinien in nationales
Recht umgesetzt. Zu diesem Ergeb-
nis kommt die EFTA-Überwachungs-
behörde in ihrem jüngsten Umset-
zungsbericht, wie die Regierung in
Vaduz am Donnerstag mitteilte. Da-
mit hat sich das Fürstentum gegen-
über dem letzten Bericht um 0,1 Pro-
zentpunkte ver-
bessert.
Die beiden ande-
ren EWR/EFTA-
Staaten Island
und Norwegen
weisen eine Um-
setzungsquote auf
von 97,7 beziehungsweise 99,1 Pro-
zent. Die Anzahl der laufenden Ver-
fahren von Vertragsverletzung we-
gen einer verspäteten oder inkorrek-
ten Umsetzung der EU-Richtlinien
durch das Fürstentum ist von neun
auf zwölf gestiegen.
Der halbjährliche Umsetzungsbe-
richt gibt Auskunft über den Stand
der Umsetzungen in den drei EWR/
EFTA-Staaten. Parallel wird die Um-
setzungsleistung der EU-Staaten an-
hand des Binnenmarktanzeigers der
EU-Kommission gemessen.
Entscheidender Standortfaktor
«Für das exportorientierte Liechten-
stein ist der gleichberechtigte Zugang
zum Europäischen Binnenmarkt mit
seinen über 500
Millionen Einwoh-
nern von zentraler
Bedeutung. Auf-
grund unserer
breit diversifizier-
ten Wirtschafts-
struktur und dem
hohen Industrieanteil und des wa-
renproduzierenden Gewerbes an der
Bruttowertschöpfung ist der Zugang
zum Europäischen Binnenmarkt ein
entscheidender Standortfaktor für
Liechtenstein», wird Regierungschef
Adrian Hasler zitiert. (red/ikr)
Gegenüber dem
letzten EWR-
Umsetzungs-
bericht ist die
FL-Umsetzungs-
quote von 99,6
Prozent auf 99,7
Prozent leicht
gestiegen.
(Foto: Shutterstock)
«Der europäische Binnen-
markt ist für uns von
zentraler Bedeutung.»
ADRIAN HASLER
REGIERUNGSCHEF LIECHTENSTEIN
AmtlicheKundmachungen
AusschreibungzumReferendum
DerLandtaghat inseinerSitzungvom19. Juni 2013beschlossen:
– Finanzbeschlussvom19. Juni 2013überdieGewährungeinesLandesbeitragesan
dieAufwendungendesVerkehrsbetriebsLIECHTENSTEINmobil fürdasJahr2014
GemässArt. 66Abs. 1der Verfassungvom5. Oktober 1921, LGBl. 1921Nr. 15, in
derFassungdesVerfassungsgesetzesvom3. Mai 1996, LGBl. 1996Nr. 85, undArt.
75desGesetzesvom17. Juli 1973überdieAusübungderpolitischenVolksrechtein
Landesangelegenheiten(Volksrechtegesetz,VRG),LGBl.1973Nr.50,inderFassung
des Gesetzes vom15. November 1984, LGBl. 1985Nr. 4, unddes Gesetzes vom
3. Mai 1996, LGBl. 1996Nr. 84, kanndagegeninnerhalbvon30Tagennachdieser
Kundmachung, dasist biszum5. August 2013einschliesslich, dasReferendumer-
griffenwerden.
DasReferendumkommtzustande, wennwenigstens1000stimmberechtigteLandes-
bürgeroderwenigstensdrei GemeindeninFormübereinstimmenderGemeindever-
sammlungsbeschlüssedasBegehrenumeineVolksabstimmungstellen. Sammelbe-
gehrenumeineVolksabstimmungmüssennebst derAngabederGemeindevonden
dasBegehrenstellendenStimmberechtigtendurcheigenhändigunterzeichneteEin-
gaben, diemit demAnfangsdatumder Unterschriftenzeichnungauf jedemBogen
versehenseinmüssen, bei derRegierungeingereicht werden, wobei Stimmberech-
tigungundUnterschrift vonderGemeindevorstehungderjenigenGemeinde, inwel-
cherdieselbenihrepolitischenRechteausüben, bescheinigt seinmüssen.
Landtagsbeschlüsse können bei der Regierungskanzlei eingesehen und bezogen
oder unter www.llv.li/amtsstellen/llv-rk-amtsgeschaefte-referendumsvorlagen.htm
abgerufenwerden.
Vaduz, 5. Juli 2013
6266.410 RECHTSDIENSTDERREGIERUNG
ANZEIGE
Weiter 0,5 Prozent
Bank von England
hält mit neuem
Chef Carney Kurs
LONDON Der neue britische Noten-
bankgouverneur Mark Carney
verzichtet auf einen furiosen Start
ins Amt. Bei der ersten Zinsent-
scheidung unter seiner Führung
bestätigte die Bank von England
am Donnerstag ihren Leitzins bei
0,5 Prozent. Auch die Staatsanlei-
henkäufe, mit denen die Zentral-
bank versucht hat, mehr Geld in
die darbende Wirtschaft zu pum-
pen, werden vorerst nicht ausge-
weitet. Der Kanadier Carney ist
seit dem 1. Juli im Amt und folgt
Mervyn King, der zehn Jahre an
der Spitze der Zentralbank stand.
Für die kommenden Monate rech-
nen Fachleute damit, dass Carney
noch mehr Anleihen aufkaufen
könnte. Unter Carneys Vorgänger
King hat die Bank von England
bislang insgesamt für 375 Mrd.
Pfund (540 Mrd. Fr.) Bonds ge-
kauft. (sda)
EZB-Präsident Mario Draghi geht davon aus, «dass die Schlüsselzinsen noch für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben». (Foto: RM)