14 | Politik
SAMSTAG
1. JUNI 2013
Hintergrund
Pistolen in Pink: Immer mehr US-Frauen begeistern sich für Waffen
VON FABIENNE FAUR
«Das hat Spass gemacht», ruft Sha-
ron Schaefer und wedelt stolz mit
der Zielscheibe, die sie soeben mit
Kugeln durchsiebt hat. Die 62-Jähri-
ge ist noch ganz ausser Atem von der
ersten Schiessübung ihres Lebens.
«Gut gemacht, Sharon!», lobt Traine-
rin Teresa Ovalle, eine ehemalige
Soldatin der US-Armee. Es ist Don-
nerstagabend, Damentag im Schiess-
stand von Fredericksburg, 80 Kilo-
meter südwestlich von Washington.
Gekleidet in pinke T-Shirts greifen
die «Pistolen-Ladies» zur Waffe. In
ihrem kostenlosen Kurs will Ovalle
den Frauen beibringen, «wie man
Schusswaffen sicher handhabt».
Pinke Pistolen und BH-Halfter
Die «Pistolen-Ladies» sind keine Aus-
nahmeerscheinung in den Vereinig-
ten Staaten. In Virginia üben die
«Schiessenden Diven», in North Ca-
rolina die «Schiesspulver-Gören»,
und einer von Tausenden weiteren
Frauenschiessvereinen nennt sich
«Ein Mädchen – eine Knarre».
Immer mehr Frauen in den USA be-
geistern sich für Pistolen und Ge-
wehre. Besassen 2005 nach Anga-
ben des Meinungsforschungsinsti-
tuts Gallup 13 Prozent von ihnen ei-
ne eigene Waffe, so waren es 2011
bereits 23 Prozent. Das sind immer
noch nur halb so viele wie bei den
Männern, doch der Markt reagiert
bereits auf die wachsende Nachfrage
– mit eigenen Zeitschriften, pinken
Pistolen und BH-Halftern.
Das Interesse der Frauen an Waffen
«wächst seit zehn Jahren beständig»,
sagt Mary Zaiss Stange, die am Skid-
more College lehrt und Bücher über
Frauen und Waffen geschrieben hat.
Die Vorstellung, Frauen seien zu
emotional, um eine Waffe zu haben
und müssten von Männern beschützt
werden, gehöre der Vergangenheit
an. «Mit einer Waffe umzugehen ist
eine Art der Selbstbehauptung für
Frauen», sagt Zaiss Stange.
«Frauen liegt die Sicherheit ihrer Fa-
milie sehr am Herzen», erklärt Bill
Brassard, Sprecher des US-Sport-
schützenverbandes, das Phänomen.
Zu schiessen «liegt den Amerika-
nern einfach in den Genen», ist Trai-
nerin Ovalle überzeugt. Und in den
USA habe nun mal jeder «das Recht,
eine Waffe zu kaufen und sich selbst
zu schützen», sagt die Ex-Soldatin.
Der Amoklauf von Newton Mitte De-
zember scheint die Waffenbegeiste-
rung der «Pistolen-Ladies» nicht ge-
trübt zu haben. Der Amokläufer tö-
tete 20 Grundschüler und sechs Er-
wachsene. In der Folge versuchte
US-Präsident Barack Obama das
Waffenrecht zu verschärfen, schei-
terte damit jedoch im April im Se-
nat. Sie lasse sich von niemandem –
auch nicht vom Präsidenten – ihr
Recht auf eine Waffe streitig ma-
chen, sagt Schaefer, der Neuling am
Schiessstand in Fredericksburg.
Aus Spass und zum Schutz
«Schiessen hat mir schon immer
Spass gemacht», sagt ihre Kamera-
din Elizabeth Timms bei den «Pisto-
len-Ladies». Nach ihrer Scheidung
lebt die Beamtin allein, ihre Waffe
trägt sie immer bei sich, damit fühlt
sie sich sicherer. «Wenn ich in un-
mittelbarer Gefahr wäre, hätte ich
keine Probleme, die Waffe zu zü-
cken», sagt sie.
Dedra Brown wiederum hat sich nie
für Waffen interessiert, im Gegenteil:
«Ich habe alles gehasst, was nach Ge-
wehr aussah», sagt die Immobilien-
maklerin. Bis sie eines Tages auf offe-
ner Strasse bedroht wurde. «Ich fühl-
te mich so hilflos», sagt sie. Seither
verlässt sie das Haus nur noch be-
waffnet. «Jetzt
habe ich keine
Angst mehr.»
Die Eurozone als Tempomacher
Vorwärts Schritt für Schritt
entwickelt sich die Eurozone
zum Kern der EU. Nachdem
bereits 2011 regelmässige Gip-
fel und ein Eurozonen-Prä-
sident beschlossen wurden,
schlagen Deutschland und
Frankreich nun vor, noch
einen Schritt weiter zu gehen.
Nach
der Europawahl im
Sommer 2014 und mit Be-
ginn der Arbeit der nächs-
ten EU-Kommission im
Herbst 2014 sollen die 17 Länder der
Eurozone nun noch enger zusam-
menarbeiten. Dazu soll es nicht nur
einen hauptamtlichen Chef für die
Euro-Finanzminister geben. Auch
andere Ressorts sollen regelmässig
miteinander diskutieren, um die Ho-
mogenität in der Währungsunion zu
vergrössern. Zudem soll es ein eige-
nes Budget geben.
Am meisten mediale Aufmerksam-
keit fand der Vorschlag für einen
hauptberuflichen Eurogruppen-
Chef, der allerdings von den drei ge-
nannten Punkten wohl die geringste
Bedeutung hat. Denn auf Chef-Ebene
gibt es mit Herman van Rompuy be-
reits einen ständigen Eurozonen-
Präsidenten. Nur fiel das bisher
nicht auf, weil er gleichzeitig EU-
Ratspräsident für alle 27 EU-Staaten
ist. Gerade van Rompuy zeigt zu-
dem, dass ein Vollzeit-Präsident
nicht unbedingt mächtiger sein
muss als der jetzige Vorsitzende, der
niederländische Finanzminister
Jeroen Dijsselbloem.
Im Gegenteil hat van Rompuy mehr
administrative Aufgaben, er soll in
allen Mitgliedsstaaten Positionen er-
klären und repräsentieren. Dennoch
wird ein Vollzeit-Posten auch für die
Finanzminister als wichtig angese-
hen, um eine intensivere, kontinu-
ierlichere Arbeit zu ermöglichen.
Angst vor Sonderabsprachen
Wesentlich wichtiger an den
deutsch-französischen Vorschlägen
ist aber, dass künftig auch die ande-
ren Ministerien in der Eurozone zu-
sammenarbeiten sollen. Denn dies
bedeutet die Ausweitung der Arbeit
in der Währungszone auf Bereiche,
die bisher alle 27 EU-Staaten betref-
fen. Ausdrücklich nennen Merkel
und Hollande die Arbeits-, Sozial-,
Forschungs- und Wirtschaftsminis-
ter. In Polen oder Schweden müss-
ten die Alarmglocken schrillen.
Denn es gibt schon heute die ständi-
ge Angst vor Sonderabsprachen und
davon, bei der Integration abge-
hängt zu werden. Angesichts einer
solchen Intensivierung der Abspra-
chen in der Eurozone muss gerade
die Bundesregierung aufpassen,
dass sich die Währungszone nicht
entkoppelt. Bisher pochte Berlin im-
mer auf «Eurozonen plus»-Lösun-
gen, bei denen möglichst viele ande-
re Nicht-Euro-Staaten bei Reform-
projekten mitgezogen werden. So
machen etwa beim Fiskalpakt 25 EU-
Staaten mit.
Hintergrund der Vorschläge ist trotz
der Gefahr einer Spaltung zum ei-
nen die Erkenntnis, dass die Euro-
länder sich die grossen Diskrepan-
zen in ihren Politiken nicht mehr
leisten können. Zum anderen hatten
Länder wie Grossbritannien viele In-
tegrationsschritte im 27er-Rahmen
und damit der EU-Verträge verhin-
dert. Die französische Seite argu-
mentiert, dass mit diesem Voran-
schreiten der Währungsunion Staa-
ten eher angelockt werden, doch
beim Euro mitzumachen.
Am wichtigsten dürfte der Vorschlag
sein, einen gemeinsamen Fonds für
die Eurozone aufzulegen. Die Idee
hatte Bundeskanzlerin Merkel be-
reits 2012, um Länder in verbindli-
che Reformzusagen zu locken. Aus
diesem Fonds, der ihrer Meinung
nach aus den Einnahmen der Fi-
nanztransaktionssteuer gespeist
werden könnte, könnten Länder mit
besonders schweren Probleme wie
hoher Jugendarbeitslosigkeit kurz-
fristig Hilfe erhalten.
Zuckerbrot und Peitsche
Der Vorschlag war vorübergehend
fallen gelassen worden, weil die EU-
Kommission sofort begann, über ei-
nen ständigen, auf 150 Mrd. Euro
aufgeblähten Fonds nachzudenken.
Nun ist ein typisch deutsch-französi-
scher Zuckerbrot-und-Peitschen-
Kompromiss entstanden: Der Sozia-
list Hollande akzeptiert erstmals
schriftlich, dass es künftig verbindli-
che Reformverträge mit der EU-
Kommission in verschiedenen die
Wettbewerbsfähigkeit betreffenden
Politikbereichen geben soll. Merkel
stimmt dafür im Gegenzug dem Soli-
daritätsfonds zu.
Beide wissen: Geht es um Geld, ist
die Integrationswirkung am stärks-
ten. Denn dann bedarf es auch neu-
er Gremien in der Eurozone, die
über die Verwendung des Geldes
entscheiden. (sda)
EU-Kommission
Vornehme Zurückhaltung
gegenüber Euro-Präsident
BRÜSSEL Die EU-Kommission hat
zurückhaltend auf die deutsch-
französische Forderung reagiert,
die Führung der Eurogruppe ei-
nem Vollzeit-Präsidenten zu über-
tragen. Die EU-Kommission sei
überzeugt, dass eine Vertiefung
und eine stärkere Steuerung der
europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion nötig sei, sagte
eine Sprecherin am Freitag in
Brüssel. Der Kommission sei es
aber auch wichtig, den «Zusam-
menhalt» aller 27 EU-Länder zu
erhalten und die Gemeinschafts-
methode innerhalb der Europäi-
schen Union zu respektieren.
Die Sprecherin der EU-Kommissi-
on verwies zudem auf ein Papier
der Kommission mit Vorschlägen
zur Stärkung der europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
vom November des vergangenen
Jahres. Darin wird immer wieder
die Rolle der EU-Kommission be-
tont. In dem Dokument wird un-
ter anderem die Notwendigkeit
angemahnt, die Eurogruppe in-
ternational – etwa beim Internati-
onalen Währungsfonds (IWF) –
geschlossen zu vertreten.
Dies solle durch die EU-Kommissi-
on in Zusammenarbeit mit der
EZB geschehen. Eine mögliche «Fi-
nanzverwaltung» der Wirtschafts-
und Währungsunion solle eben-
falls bei der Kommission angesie-
delt werden, heisst es in dem
«Blaupause» genannten Papier. An
der Spitze solle ein «hochrangiges
Kommissionsmitglied» stehen wie
der für Wirtschaft, Währung und
den Euro zuständige Vizepräsi-
dent. (sda)
Bereits im zarten Kindesalter
lernen in den USA Mädchen
den Umgang mit Waff en. (Foto: RM)
Nach anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten ziehen Angela Merkel und François Hollande wieder in eine gemeinsame Richtung. (Foto: RM)
Kritik an Russland
Waff enlieferung
an Syrien geplant
DAMASKUS Über mögliche Waffenlie-
ferungen Russlands an die syrische
Führung herrscht derzeit Unklar-
heit: Die UNO-Vetomacht hat den
Verkauf mehrerer Kampfflugzeuge
angekündigt. Die scharf kritisierte
Lieferung von S-300-Flugabwehrsys-
temen aus Moskau an Damaskus
scheint sich allerdings zu verzögern.
Mitten in der Diskussion um eine
Friedenskonferenz kündigt Moskau
die Lieferung von «mehr als zehn»
Kampfflugzeugen an Damaskus an.
Mit dem Verkauf der Maschinen vom
Typ MiG-29 M/M2 werde ein Vertrag
erfüllt, sagte der Chef der Herstel-
lerfirma, Sergej Korotkow, laut rus-
sischen Nachrichtenagenturen. «Ei-
ne syrische Delegation ist derzeit in
Moskau und handelt die Details
aus», ergänzte Korotkow. (sda)
Prozess
Gaddafi -Sohn soll
vor Weltstrafgericht
DEN HAAG Der Sohn des getöteten li-
byschen Diktators Muammar al-Gad-
dafi, Saif al-Islam, muss nach dem
Willen der Richter vor den Internati-
onalen Strafgerichtshof in Den Haag
gestellt werden. Das entschieden die
Richter des Weltstrafgerichtes am
Freitag in Den Haag. Sie wiesen da-
mit einen Antrag der Anwälte aus Li-
byen zurück, die Gaddafi in Libyen
den Prozess machen wollen. Saif al-
Islam werden Verbrechen gegen die
Menschlichkeit während des Volks-
aufstandes gegen die Diktatur seines
Vaters 2011 vorgeworfen. (sda)
Portugal in der Krise
Gewerkschaft ruft
zu Generalstreik auf
LISSABON Im Krisen-Euroland Por-
tugal ist erneut ein Generalstreik ge-
gen die Sparpolitik der Mitte-Rechts-
Regierung ausgerufen worden. Der
grösste Gewerkschaftsdachverband
des Landes, der CGTP, rief am Frei-
tag in Lissabon zu einer allgemei-
nen Arbeitsniederlegung für den 27.
Juni auf. Man werde für Neuwahlen
und eine neue Wirtschafts- und So-
zialpolitik protestieren, teilte der
CGTP nach einer Sitzung des Natio-
nalrats der Organisation mit. Es ist
bereits der fünfte Generalstreik,
den der CGTP vor dem Hintergrund
der Eurokrise seit Ende 2010 im
ärmsten Land Westeuropas organi-
siert. Genauso viele hatte die
800 000 Mitglieder starke Organi-
sation bis 2010 in den 36 Jahren seit
dem Ende der «Nelkenrevolution»
von 1974 ausgerufen. Der zweit-
grösste Arbeitnehmerbund des Lan-
des, der gemässigtere UGT, hatte zu-
vor erklärt, dass man sich einem
eventuellen Streikaufruf des CGTP
anschliessen könne. (sda)