Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2013)

MITTWOCH 
29. MAI 2013 
27 Kultur 
TAK 
Weltmusik 
auf Ladinisch 
Raffinierte Popmusik der 
drei Ladinerinnen aus dem 
La Val im Südtirol, zusam- 
mengeschlossen in der Band 
«Ganes», gibt es um 20.09 
Uhr im TAK in Schaan. 
Löwensaal Hohenems 
Eva Croissant feat. 
Thomas Pegram 
Die beiden Singer-Songwri- 
ter Eva Croissant und Tho- 
mas Pegram laden um 20 
Uhr in den Löwensaal nach 
Hohenems zu einer gemein- 
samen Unplugged-Konzert. 
Heute 
www.volksblatt.li 
«Schürzennäherinnen» 
Jolanda Spirig 
stellt Buch vor 
BUCHS Heute stellt Jolanda Spirig 
im Werdenberger Kleintheater 
Fabriggli um 20 Uhr ihr aktuelles 
Buch « Schürzennäherinnen»  in 
einer Lesung und im Gespräch 
vor. Die Rheintaler Autorin Jolan- 
da Spirig ist eine brillante Erzäh- 
lerin. Sie greift Alltagsgeschich- 
ten auf, Themen, die in Verges- 
senheit geraten, verdrängt sind 
und schlägt eine Brücke von der 
Vergangenheit zum Jetzt. Dies 
auch mit ihrem neuesten Buch 
«Schürzennäherinnen», das be- 
reits in der 3. Auflage vorliegt 
und in dem Spirig ein Kapitel re- 
gionaler Textilgeschichte in Erin- 
nerung ruft. 
Schürzen für Akris 
«Spricht man heute von Akris, 
denkt man an Glamour und un- 
verwechselbaren Purismus. Doch 
es ist kaum vorstellbar, wie einst 
blutjunge Landmädchen in einer 
kalten Stube an ihren Maschinen 
hockten und Schürzen für Akris 
nähten», resümierte der «Tages- 
Anzeiger». Akris, das bekannte 
Modelabel, dessen Ursprünge Jo- 
landa Spirig beschreibt, wurde 
1922 in St. Gallen gegründet. Zwi- 
schen 1946 und 1966 betrieb 
Akris eine kleine Schürzennähe- 
rei in Kriessern. Spirig hat neun 
ehemalige Näherinnen porträ- 
tiert. Im Anschluss ist ein Doku- 
mentarfilm über die Kriessner Nä- 
herin Rösli Lutz-Weder zu sehen. 
Freier Eintritt; Kollekte. (red/pd) 
Schramm: «Der Kapitalismus hat 
alle Lebensbereiche durchdrungen» 
Interview Georg Schramm gilt seit Jahren als einer der besten, zumal schärfsten deutschsprachigen Kabarettisten. 
Vor zwei Wochen trat der 64-Jährige im TAK auf; wir nutzten die Gelgenheit, uns ausführlich mit ihm zu unterhalten.   
VON SEBASTIAN GOOP 
«Volksblatt»: Herr Schramm, Sie sind 
gerade in Schaan aufgetreten. Wie 
haben Sie das Liechtensteiner 
Publikum erlebt? 
Georg Schramm: Sensationell. Es war 
ein aussergewöhnlicher Abend, was 
auch stark mit dem Raum zusammen- 
hing – das TAK verfügt über einen 
technisch und atmosphärisch unge- 
wöhnlich guten Raum. Doch auch das 
Publikum war aussergewöhnlich: Kon- 
zentriert, bei der Sache. Es hat mich 
so getragen, dass ich – ganz ehrlich – 
einen meiner besten Abende auf der 
Bühne hatte. 
Was geht Ihnen durch den Kopf, 
wenn Sie «Liechtenstein» hören? 
Der erste Gedanke ist natürlich «Steu- 
eroase». Logisch. Herr Batliner, Hel- 
mut Kohl, schwarze Kassen, Zumwin- 
kel, Betrug am braven Steuerzahler in 
Deutschland und am Gemeinwohl. 
Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass 
ich früher durch Liechtenstein gewan- 
dert bin. Da habe ich festgestellt: Hier 
leben ja ganz normale Menschen. 
Menschen, die geradeaus denken und 
mit den Tresorfächern der Deutschen 
nichts zu tun haben. 
Habgier, Opportunismus, mediale Ver- 
blendung, ein fehlgeleitetes, unsolida- 
risches ökonomisches System, unge- 
rechte Verteilung von Wohlstand, 
politische Phrasendrescherei ohne 
Inhalte. Dies sind einige der Themen, 
mit denen sie sich auf der Bühne aus- 
einandersetzen. Wo liegt die Ursache 
dieser Phänomene? 
Ich glaube, dass das kapitalistische Er- 
folgssystem und Prinzip alle Lebens- 
bereiche durchdrungen hat – auch je- 
ne, in die es gar nicht reingehört. Der 
Kapitalismus ist nicht dem Gemein- 
wohl verpflichtet, wir aber sind auf 
das Gemeinwohl angewiesen. Der Ka- 
pitalismus hat uns 
nicht nur Wohlstand 
gebracht, sondern 
auch eine Grundidee, 
die verhängnisvoll ist. 
Beschleunigt wurde 
das ganze dadurch, dass sich der Fi- 
nanzkapitalismus in den letzten Jah- 
ren von der realen Wirtschaft abge- 
koppelt und eine Eigendynamik ent- 
wickelt hat, die nicht mehr beherrsch- 
bar ist. Goethes Faust handelt vom 
faustischen Pakt; man hat sich dem 
Geld verschrieben, das Geld löst alle 
anderen Werte ab. Und das ist unser 
Verhängnis. 
Sie bestechen als Kabarettist durch 
fundiertes Wissen in den Bereichen 
Wirtschaft und Politik. Wie informie- 
ren Sie sich? 
Ich bin alles andere als ein profunder 
Kenner der wirtschaftlich-politischen 
Verhältnisse; ich verzweifle oft an 
meiner Unkenntnis. Ich habe ja Psy- 
chologie studiert, aber das war nicht, 
was mich wirklich interessierte. Von 
klein auf begeisterten mich Gesell- 
schaftspolitik und Geschichte sowie, 
das kam später, deren Durchdrin- 
gung durch das Wirtschaftliche. Vor 
10 oder 15 Jahren hätte ich in einer 
Zeitung niemals den Wirtschaftsteil 
gelesen, ich hätte auch nichts ver- 
standen. Mittlerweile lese ich ihn. 
Wenn ich noch einmal auf die Welt 
kommen würde, würde ich Volks- 
wirtschaft studieren. 
Man könnte den Eindruck gewinnen, 
dass ihr Publikum Sie liebt, weil Sie 
Dinge aussprechen, die viele Men- 
schen auch gern aussprechen würden, 
es sich aber nicht 
leisten können: 
Kann das sein? 
Das kann gut sein, da 
liegen Sie sicherlich 
nahe dran. Aber Sie 
müssten die Leute fragen. Denn ei- 
gentlich sind es ja keine Themen, die 
man abends gern hört, es ist ja gruse- 
lig. Es ist schon etwas, das ich oft hö- 
re: «Sie sprechen aus, was mich um- 
treibt.» Im Fernsehen habe ich diese 
Resonanz oft bekommen. Da hiess es: 
«Endlich mal einer, der den Mumm 
hat, den Zorn, den wir alle mit uns he- 
rumtragen, zu artikulieren. 
Sie werden als einer der ganz Grossen, 
wenn nicht als der grösste politische 
Kabarettist im deutschsprachigen 
Raum gefeiert, haben Zehntausende 
Menschen unterhalten und aufge- 
wühlt. Wie fühlt es sich an, so viel 
Anerkennung zu ernten? 
Ich spüre es nicht richtig. Ich spüre es 
manchmal im Einzelfall und freue 
mich dann sehr. Auch wenn ich da- 
von lese, dass ich ei- 
ner der bedeutends- 
ten oder der bedeu- 
tendste politische 
Kabarettist sein soll, 
spüre ich meine Be- 
deutung nicht. Das ist in meinem Kör- 
per und in meinem Lebensgefühl ei- 
gentlich gar nicht drin. 
Sie haben angekündigt, sich Ende Jahr 
zurückzuziehen. Wohin führt der Weg 
ab Januar 2014? 
Ich weiss es nicht genau und das ist 
sehr erfreulich. Schliesslich war ich 
jetzt 25 Jahre lang ununterbrochen 
mit Soloprogrammen unterwegs und 
habe zehn Jahre lang Fernsehen ge- 
macht. Ich werde als Gelegenheitska- 
barettist auftreten. Wenn sich also die 
Gelegenheit ergibt, werde ich etwas 
machen und zwischendurch werde ich 
gar nichts machen.Ich freue mich dar- 
auf, keine grosen Pläne zu haben. 
Es gab bereits Anfragen von politi- 
schen Parteien, Sie haben abgelehnt. 
Bleiben Sie dabei? 
Ich habe leichtsinnigerweise vor eini- 
gen Tagen in einem Interview gesagt: 
Wenn in Deutschland durch eine 
Grundgesetzänderung entschieden 
würde, dass der Bundespräsident vom 
Volk gewählt wird, so würde die 
«Bild»-Zeitung wahrscheinlich Gün- 
ther Jauch zum Kandidaten ernennen. 
Und gegen den würde ich antreten. 
Wie kann man die Welt verändern? 
Ich weiss es nicht. Ich habe nicht die 
geringste Ahnung. Man kann sich nur 
um Kopf und Kragen reden und gegen 
die Dinge anrennen, damit man nicht 
das Gefühl hat, es über sich ergehen 
zu lassen. Es ist Not- 
wehr. Wenn sie mich 
ernsthaft fragen: Ich 
glaube, dass die klei- 
nen Verbesserungen, 
die manchen gelingen, 
nicht Schritt halten können mit den 
gewaltigen Verschlechterungen. 
Einen Videobeitrag zum Thema fi nden 
Sie im Media Center auf www.volksblatt.li 
Machte einen Abstecher in die «Volksblatt»-Redaktion: Georg Schramm. (Foto: Patrik Dentsch) 
«Das Geld löst alle 
anderen Werte ab. Das 
ist unser Verhängnis.» 
Frauen bei der Abreit. (Foto: ZVG) 
Georg Schramm 
Entlarvend und 
kompromisslos 
Georg Schramm (* 1949), mehrfach 
preisgekrönter politischer Kabarettist 
aus Deutschland, studierte ursprünglich 
Psychologie und war zwölf Jahre in ei- 
ner Klinik tätig. Bislang entstanden 
sechs kabarettistische Soloprogramme. 
Sein Bühnenpersonal besteht aus ent- 
larvenden Charakterstudien, sein hin- 
tergründig-kompromissloser Witz trägt 
seinem Ruf, der schärfste deutschspra- 
chige Kabarettist zu sein, bei. Einem 
breiten Publikum wurde Schramm 
durch sein Engagement im «ARD Schei- 
benwischer» bekannt. Seit 2007 setzt 
er für das ZDF mit Urban Priol die Polit- 
satire «Neues aus der Anstalt» um. 
«Ich bin früher 
durch Liechtenstein 
gewandert.» 
Dröhnende Motoren zum Finale der Schlossmediale 
Abschluss Der Schlussakt 
der diesjährigen Schlossme- 
diale erfolgte als Dreitakt. 
Ein Dreitakt nach Mass, der 
die künstlerische Vielfalt bot, 
die man seit Jahren von der 
Schlossmediale gewohnt ist. 
Und die offenkundig den Geschmack 
des Publikums trifft, denn die Zu- 
schauerzahlen sind gegenüber dem 
Vorjahr noch einmal gestiegen. Eine 
futuristisch anmutende stählerne 
Wendeltreppe in einem dunkel ausge- 
leuchteten Innenraum war Ort des 
Auftakts. Der Schlagzeuger Alexand- 
re Babel verbindet in seiner Perfor- 
mance « Panoptikum » audiovisuelle 
Elemente mit einer unüberhörbaren 
Freude an ungewohnten Klangspie- 
len. Der Eisenplastiker Silvan Köppel 
hat mit dieser « Figur » für Alexandre 
Babel ein Instrument geschaffen, das 
ganz neue Klangfarben erlaubt. Kie- 
selsteine gleiten oder stürzen in ble- 
cherne Eimer hinab, Stahlwinden 
kurven an gewundenen Rohren zu 
Boden, Ketten rasseln. Das Herausra- 
gende dabei: auch für den ungeübten 
Laien ist die metronomische Präzisi- 
on herauszuhören, mit der Alexandre 
Babel dabei vorgeht. 
Den Taktstock – um im Bild zu bleiben 
– gab er dann weiter für das Konzert 
«sangue»: Blut in einer Burg! Für ein- 
mal nicht tief unten im Verlies, son- 
dern im obersten Stock. Auch hier 
zeigt sich die avangardistische Kunst 
auf allerhöchstem Niveau. Montever- 
dis «Combattimento di Tancredi e 
Clorinda » greift einen blutigen Zwist 
auf aus Torquato Tassos Epos «Geru- 
saleme liberata». Zu seiner Zeit revo- 
lutionierte Monteverdi mit seinen 
Werken die Musikwelt. Und die Musi- 
ker verstanden es meisterhaft, die 
Brüche und Härten herauszuarbeiten, 
die bei gefälligeren Inszenierungen 
oft unter dem Klangteppich einer so- 
genanten Alten Musik überhört wer- 
den. Ungemein rhythmisch, ja tänze- 
risch wird aufgespielt, dazu passend 
liefert die Mezzosopranistin Hilde- 
gard Rützel ein Meisterstück ab. 
Stimmlich und auch mimisch werden 
die Leiden in einer Qualität und In- 
tensität dargeboten, die Monteverdis 
Musik verdient und fordert. Zuweilen 
stockt den Zuhörern schier der Atem, 
so fesselnd wird hier musiziert. 
Zu Recht hochgelobte Veranstalter 
Den Schlusstakt bildete dann das 
Konzert für 9 Harley Davidson, Trom- 
pete und Synthesizer von Dieter 
Schnebel: die Besetzung ist so frech 
wie gelungen und: musikalisch bes- 
tens arrangiert für ein fulminantes Fi- 
nale mit Aussicht auf neue, schräge 
Klang- und Bilderwelten in der 
Schlossmediale 2014. Auf die dürfen 
sich alle Liebhaber des künstlerisch 
Subtilen schon jetzt freuen. Um was 
es gehen wird? Eine Gretchenfrage: 
Mehr verraten die zu Recht hochge- 
lobten Veranstalter nicht.   (kk) 
Die diesjährige Schlossmediale war 
ein voller Erfolg. (Foto: ZVG) www.volksblatt.li
	        

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