10 | Politik
SAMSTAG
13. APRIL 2013
USA warnen Nordkorea
vor einem Raketenstart
Fehler Im Konflikt um das
nordkoreanische Atompro-
gramm haben die USA das
Land vor einem möglichen
Raketenstart gewarnt und
ein Ende der kriegerischen
Rhetorik verlangt.
Ein Raketenstart wäre ein «grosser
Fehler», sagte US-Aussenminister
John Kerry bei einem Besuch in Süd-
korea. Nordkorea hatte nach einem
neuerlichen Atomtest in Februar in
den vergangenen Wochen wieder-
holt Angriffsdrohungen gegen Süd-
korea und die USA ausgesprochen.
Nun drohte Nordkorea auch Japan
mit einem atomaren Vergeltungs-
schlag. Viele Beobachter rechnen
für die kommenden Tage – rund um
den Geburtstag von Nordkoreas
Staatsgründer Kim Il Sung am kom-
menden Montag – mit dem Start ei-
ner nordkoreanischen Rakete. Bis-
lang hat das Land dies aber nicht of-
fiziell angekündigt. Sollte Nordkore-
as Staatschef Kim Jong Un einen Ra-
ketenstart beschliessen, ignoriere er
damit «bewusst die gesamte interna-
tionale Gemeinschaft», sagte Kerry.
Nordkorea verfügt jedoch nach Ein-
schätzung der US-Regierung bislang
nicht über Atomraketen. Pjöngjang
habe «keine Fähigkeit demonstriert,
eine nuklear bewaffnete Rakete ein-
zusetzen», sagte der Sprecher des
Weissen Hauses, Jay Carney, am
Freitag in Washington.
Er widersprach damit einem Bericht
vom Vortag, demzufolge der US-Ge-
heimdienst Defense Intelligence
Agency davon ausgeht, dass das
nordkoreanische Regime «derzeit
über Nuklearwaffen verfügt, die von
ballistischen Raketen getragen wer-
den können». Zuvor hatte bereits das
US-Verteidigungsministerium diesen
Bericht als unkorrekt bezeichnet.
Bans Appell an Kim
Kerry sicherte am Freitag in Seoul
Südkorea angesichts der nordkorea-
nischen Drohungen jegliche Unter-
stützung der USA zu – auch die Ver-
teidigung. Die USA würden eine ato-
mare Bewaffnung Nordkoreas auf
keinen Fall hinnehmen. «Die Rheto-
rik, die wir von Nordkorea hören, ist
nach jedem Massstab einfach inak-
zeptabel», sagte Kerry nach einem
Treffen mit der südkoreanischen
Präsidentin Park Geun Hye und den
Kommandanten der 28 000 im Land
stationierten US-Soldaten.
US-Präsident Barack Obama hatte
am Donnerstag nach einem Treffen
mit UNO-Generalsekretär Ban Ki
Moon gesagt, es sei «an der Zeit,
dass Nordkorea seinen aggressiven
Ansatz» beende. Ban zeigte sich «zu-
tiefst besorgt» über das Säbelrasseln
auf der koreanischen Halbinsel.
Die USA setzen derzeit vor allem auf
China, um Nordkorea vom Kriegs-
pfad abzubringen. Die Regierung in
Peking habe «ein enormes Potenzial,
um bei diesem Thema etwas zu be-
wegen», sagte Kerry. (sda)
Deutscher Ex-Präsident Wulff
wegen Bestechlichkeit angeklagt
Premiere Das gab es in Deutschland noch nie: Anklage gegen einen früheren Bundespräsidenten. Wegen Bestechlichkeit. Es
geht um 770 Euro. Nun muss das Landgericht Hannover entscheiden, ob es zu einem Prozess gegen Christian Wulff kommt.
Der
Vorgang ist historisch
einmalig: Erstmals soll sich
in Deutschland ein frühe-
rer Bundespräsident we-
gen Bestechlichkeit vor Gericht ver-
antworten. Die Staatsanwaltschaft
Hannover erhob am Freitag Anklage
gegen Christian Wulff . Ob das Ver-
fahren gegen ihn eröffnet wird, ist
allerdings nicht sicher. Zunächst
muss das Landgericht Hannover dar-
über entscheiden, ob es die Anklage
zulässt.
Oktoberfestbesuch im Zentrum
Hintergrund ist Wulffs Verbindung
zu dem Filmproduzenten David Groe-
newold, den die Staatsanwaltschaft
zeitgleich wegen Bestechung anklag-
te. Groenewold übernahm 2008 teil-
weise die Kosten für einen Oktober-
festbesuch des Ehepaares Wulff in
München. Der damalige niedersäch-
sische Ministerpräsident wusste da-
von nach eigenen Angaben nichts.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll-
te Wulff so motiviert werden, bei Sie-
mens-Chef Peter Löscher für ein
Filmprojekt Groenewolds um Geld zu
werben, was er einige Wochen später
auch tat. Am Dienstag hatten Wulff
und Groenewold ein Angebot der
Staatsanwalt zur Einstellung des
Verfahrens gegen Geldauflagen ab-
gelehnt. Wulff hätte 20 000 Euro
zahlen und damit auch strafrechtli-
che Verantwortung übernehmen
sollen. Darauf wollte er nicht einge-
hen – der 53-Jährige will es lieber auf
einen Prozess ankommen lassen.
Jetzt liegt es in der Hand des Land-
gerichts Hannover, ob es tatsächlich
zum Prozess kommt. Eine schnelle
Entscheidung zeichnet sich nicht ab.
Zunächst werde den Beschuldigten
Frist zu einer Stellungnahme gege-
ben, sagte Gerichtssprecher Martin
Grote. Wie lang diese sein werde, sei
völlig offen, da es dafür keinerlei ge-
setzliche Vorgaben gebe. «Es werden
wohl mehrere Monate vergehen, bis
feststeht, ob es zu einem Hauptver-
fahren kommt.»
Von vielen Vorwürfen bleibt einer
Die Anklageschrift der Staatsanwalt-
schaft gegen Wulff umfasst 79 Seiten,
es werden 25 Zeugen benannt und 7
Aktenordner schriftliche Unterlagen
als Beweismittel angeführt. Gegen-
stand des Ermittlungsverfahrens wa-
ren ursprünglich Wulffs sämtliche
Beziehungen zu vermögenden Freun-
den. Von den diversen Vorwürfen
blieb zuletzt aber nur der im Zusam-
menhang mit dem Oktoberfestbe-
such übrig. Produzent Groenewold
übernahm nach Angaben der Staats-
anwaltschaft für Wulff und seine Fa-
milie 510 Euro Hotel- und Babysitter-
kosten, rund 210 Euro für ein Abend-
essen sowie 3209 Euro für einen
Festzeltbesuch mit den Wulffs und
weiteren sieben Gästen – insgesamt
war zuletzt die Rede von rund 770
Euro gewesen. Groenewold klagen
die Ermittler ausser wegen Beste-
chung auch wegen Abgabe einer fal-
schen eidesstattlichen Versicherung
an. Der Anwalt des Filmproduzen-
ten, Christian-Oliver Moser, sagte
der Nachrichtenagentur dpa: «Die
Anklage überrascht uns nicht.»
Wulff war Mitte Februar 2012 nur ei-
nen Tag nach der Aufnahme des Er-
mittlungsverfahrens zurückgetreten
und hatte dabei seine Unschuld be-
teuert. (sda)
So schnell kann
es gehen: Vom
umjubelten
Politstar zum
Angeklagten: Der
frühere deutsche
Bundespräsi-
dent Christian
Wulff . (Foto: RM)
Vorschlag aus Luxemburg
Automatischer Informationsaustausch
soll zum weltweiten Standard werden
DUBLIN Am Rande des Treffens der
Euro-Finanzminister in Dublin sind
am Freitag auch die neusten Ent-
wicklungen beim Bankgeheimnis
besprochen worden. So verlangte
der luxemburgische Finanzminister
den automatischen Informations-
austausch als internationalen Stan-
dard. Die Diskussion ins Rollen ge-
bracht hatte Luxemburg, das diese
Woche ankündigte, per 1. Januar
2015 den automatischen Informati-
onsaustausch einzuführen.
Der luxemburgische Finanzminister
Luc Frieden gab an, das System der
Quellensteuer gegenüber dem auto-
matischen Informationsaustausch
zwar zu bevorzugen, «aber der in-
ternationale Trend geht in eine an-
dere Richtung». Luxemburg sei
überzeugt, dass nur mit dem ange-
kündigten Schritt der Finanzplatz
erhalten und ausgebaut werden kön-
ne. Damit steht nun Österreich in-
nerhalb der EU isoliert da.
Fekter: Quellensteuer soll bleiben
Die österreichische Finanzministe-
rin Maria Fekter zeigte sich am Frei-
tag durchaus bereit, den Anwen-
dungsbereich der EU-Zinsbesteue-
rungsrichtlinie auszuweiten, «etwa
auf Kapitalerträge», wie sie sagte.
Das Prinzip der Quellensteuer soll
jedoch beibehalten werden. Da-
durch kann das Bankgeheimnis ge-
wahrt bleiben.
In der von Fekter angesprochenen
EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie ist
der automatische Informationsaus-
tausch unter den EU-Ländern festge-
halten. Gemäss einer Übergangsre-
gelung dürfen Luxemburg und Ös-
terreich als einzige EU-Mitglieds-
staaten eine anonyme Quellensteuer
von 35 Prozent erheben – analog zur
Schweiz.
Die Ankündigung Luxemburgs und
die Offshore-Leaks haben das Steu-
erthema wieder weit nach oben auf
die politische Agenda katapultiert.
Auf dem Tisch liegt etwa ein Vor-
schlag der fünf grössten EU-Länder
Deutschland, Frankreich, Grossbri-
tannien, Spanien und Italien, den
automatischen Informationsaus-
tausch über die EU-Zinsrichtlinie
auf Kapitaleinkünften zu erweitern.
Ausserdem kündigte am Freitag EU-
Ratspräsident Herman von Rompuy
an, das Thema Steuerflucht auf die
Agenda des nächsten EU-Gipfels am
22. Mai zu setzen. (sda)
Österreichs Finanz-
ministerin Maria
Fekter im Gespräch
mit Luxemburgs
Finanzminister Luc
Frieden und dem
deutschen Finanz-
minister Wolfgang
Schäuble. (Foto: RM)
US-Waffendebatte
Obama überlässt
Newtown-Opfer die
wöchentliche Rede
WASHINGTON In der Debatte über
schärfere Waffengesetze verschafft
US-Präsident Barack Obama den Op-
ferfamilien des Massakers an der
Grundschule in Newton (Connecti-
cut) öffentliches Gehör. An diesem
Wochenende werde an seiner Stelle
die Mutter eines bei dem Amoklauf
ermordeten Knaben die wöchentli-
che Ansprache ans Volk halten. Das
ist ein äusserst seltener Vorgang. Seit
seinem Amtsantritt vor gut vier Jah-
ren wurde Obama dabei bislang
höchstens von seinem Vize Joe Biden
vertreten. Für dieses Mal habe er
Francine Wheeler ausgewählt, die im
vergangenen Dezember ihren sechs
Jahre alten Sohn Ben verloren hatte,
als ein Amokläufer in der Schule in
Newtown 20 Kinder und 6 Erwachse-
ne erschoss. Die Rede wird im Radio
und Fernsehen ausgestrahlt und ist
zudem im Internet abrufbar. Obama
setzt sich seit dem Massaker in New-
town gegen den Widerstand konser-
vativer Kreise für ein strengeres Waf-
fenrecht ein. (sda)
Chinesin verliert Prozess
Keine Entschädigung
für Arbeitslager
PEKING Im Kampf um Entschädigung
für einen Aufenthalt im Arbeitslager
hat eine Chinesin am Freitag eine
Niederlage einstecken müssen. Das
Gericht in der zentralen Provinz Hu-
nan habe die Entschädigungsforde-
rungen abgelehnt. Tang Hui war im
vergangenen Jahr zu 18 Monaten
Umerziehung verurteilt worden,
nachdem sie öffentlich höhere Stra-
fen für die Vergewaltiger ihrer Toch-
ter gefordert hatte. Insgesamt sieben
Männer hatten 2006 Tangs damals
elfjährige Tochter entführt, verge-
waltigt und zur Prostitution ge-
zwungen. Im Juni 2012 wurden zwei
der Täter zum Tode verurteilt, vier
erhielten lebenslange Haftstrafen
und einer sollte 15 Jahre in Haft.
Tang forderte härtere Strafen und
kritisierte, die Polizei habe Beweise
gefälscht, um die Strafen zu verrin-
gern. Zwei Monate später wurde sie
ins Arbeitslager geschickt. (sda)