Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2009)

LANDTAGSWAHL 2009 
VOLKSBLATT 
DIENSTAG, 10. FEBRUAR 2009 5 
Frauen im Testgelände 
Knapp jeder vierte Abgeordnete im Liechtensteiner Parlament ist weiblich 
SCHAAN – Ob in der neuen Regie- 
rung erneut zwei Frauen sitzen? 
Das liegt in der Hand derer, die 
über eine grosse Koalition ver- 
handeln. Im liechtensteinischen 
Parlament bleibt das Bild mit 
sechs Frauen, wie es ist. 
• Kornelia Pfeiffer 
Immerhin – fast jeder vierte Kopf im 
Landtag gehört einer Frau. Im Jahr 
25 des Frauenwahlrechts in Liech- 
tenstein. Mit 6 von 25 Abgeordneten 
liegt der Kleinstaat fast schon im eu- 
ropäischen Mittelfeld. «Wir müssen 
zufrieden sein», sagt Martha Spie- 
gel-Oehri, Vorsitzende der Kommis- 
sion für die Gleichstellung von 
Mann und Frau. Auch wenn sie sich 
insgeheim ein oder zwei Sitze mehr 
erhofft hatte. 20 Frauen hatten für 
den Landtag kandidiert: 6 für die 
Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP), 
8 für die Vaterländische Union (VU), 
6 für die Freie Liste (FL). Übrig 
blieben für den neuen Landtag: 4 
von der VU und 2 von der FBP. Die 
Spitzenkandidatin der FL musste ei- 
ne herbe Ohrfeige einstecken. Mit 
der absoluten VU-Mehrheit der 
Mandate im Unterland ging ihr FL- 
Mandat verloren. 
Gestandene Frauen gewählt 
Frauen für die Politik zu gewin- 
nen, sei immer noch ein Problem 
für die Parteien, räumt Spiegel- 
Oehri ein. Tatsächlich sind Frauen 
in Rollenverhalten, Arbeitswelt und 
gesellschaftlichem Bewusstsein 
von der faktischen Gleichberechti- 
gung noch ein gutes Stück entfernt. 
Zwar ist der Frauenanteil am Liech- 
tensteinischen Gymnasium von et- 
wa 10 Prozent 1970 auf über 50 
Prozent 2005 gestiegen, besagt die 
Statistik. Auch studieren heute 42 
Prozent Frauen an Hochschulen, im 
Vergleich zu 5 Prozent 1970. Da- 
nach aber wird das Gesellschafts- 
bild von gestern immer noch deut- 
lich bestätigt: Fast alle Männer 
sind im Beruf, 75 Prozent der 
Frauen in der Familienar- 
beit und zu 50 Prozent in 
Teilzeitarbeit zu Hause. 
Der Mensch denkt, was 
er liest und was andere vor- 
denken. In Frauenzeit- 
schriften bildet der Mann den 
natürlichen Mittelpunkt allen 
Strebens. Frauen sollten 
Diät halten, Pilates vor 
dem Fernseher machen, 
sich eine trickreiche 
Kommunikationsstrate- 
gie überlegen. Und in 
den liechtensteinischen 
Landeszeitungen werden 
Frauen – ausser in Wahl- 
kampfzeiten – weitge- 
hend ausgeblendet. So be- 
stätigen denn auch die Par- 
lamentswahlen 2009 eine 
Studie der Stabsstelle für 
Chancengleichheit: Die 
gewählten Frauen-Abge- 
ordneten sind im gestandenen Alter, 
stehen im Berufsleben und verfügen 
über politische Erfahrung. Mit zwei 
Ausnahmen, die nur teilweise die 
Regel bestätigen. 
Zwei Frauen in der Regierung? 
Zwar stufenweise stetig, aber lang- 
sam steigt die Zahl der Frauen in po- 
litischer Verantwortung in Liechten- 
stein, seit im Juli 1984 das Frauen- 
stimmrecht eingeführt wurde. Kam 
1986, 1989, im Februar 1993 je- 
weils nur eine 
Frau auf zuerst 14 und dann 24 
Männer, waren es im Oktober 1993 
schon 2 Frauen. 1997 freilich schaff- 
te es wieder nur 1 Frau, 2001 dann 
schon 3 und 2005 schliesslich 6, wo- 
mit 24 Prozent der Abgeordneten in 
Vaduz weiblich sind. 2009 bleibt die 
Zahl, wie sie ist – und das, obwohl 
die Kommission für die Gleichstel- 
lung von Frau und Mann die Par- 
teien bei der Suche nach Kandida- 
tinnen unterstützte und die Kandida- 
tinnen dann auch begleitete. 
Die Zahl der Frauen in der Regie- 
rung freilich könnte sich 2009 zum 
zweiten Mal in der Geschichte 
Liechtensteins auf zwei verdop- 
peln. Schon einmal, ab Dezember 
1993 bis Frühjahr 1997, sassen 
zwei Frauen, Cornelia Gassner 
(FBP) und Andrea Willi (VU), 
mit drei Männern am Regie- 
rungstisch. 
Ob sich im Frühjahr 
2009 Aurelia Frick (FBP) 
als zweite Frau zu Renate 
Müssner (VU) gesellt, 
werden die Koalitionsver- 
handlungen in den nächs- 
ten Tagen und Wochen zei- 
gen. Zum ersten Mal in ihrer 
Geschichte hatte die FL Re- 
gierungskandidaten vorgestellt 
– davon eine Frau. Auch 
kämpfte sich die Newcomerin 
Helen Konzett Bargetze im 
Oberland auf Platz zwei der 
Freien Liste – für ein Man- 
dat aber reichte das nicht. 
Vieles beim Alten 
im neuen Landtag 
Weiterhin nur sechs Frauen im Parlament 
SCHAAN – 11 neue Gesichter wer- 
den künftig den politischen Weg 
Liechtensteins im Landtag mit- 
prägen. Trotz dieser Erneuerung 
bleibt im Liechtensteiner Parla- 
ment vieles, wie es war. 
• Stefan Lenherr 
Weiterhin werden im Landtag 6 
Frauen Platz nehmen. Josy Bieder- 
mann (FBP), die nicht mehr kandi- 
dierte, sowie Andrea Matt (FL), die 
nicht wiedergewählt wurde, fallen 
weg. Deren Sitze erben die Union- 
Kandidatinnen Diana Hilti und Gi- 
sela Biedermann, die beide zum 
ersten Mal angetreten sind. Insge- 
samt fällt auf, dass die Chancen 
von Frauen, ins Parlament gewählt 
zu werden, gering sind. Von 20 
Kandidatinnen schafften bloss zwei 
den Sprung in den Landtag. 
Weiterhin keine U30-Abgeordnete 
Knapp gescheitert ist Marion 
Kindle von der VU, die damit auch 
knapp an einem Eintrag in die Ge- 
schichtsbücher vorbeigeschrammt 
ist. Noch nie schaffte es ein unter 
30-jähriger Kandidat den Sprung 
ins Parlament. Der 29-jährigen 
Triesnerin, die sich zum ersten Mal 
zur Wahl stellte, fehlten jedoch ge- 
rade einmal 32 Stimmen. 
Altersschnitt bleibt bei 46,5 
Der Altersschnitt der 25 Abge- 
ordneten hat sich trotz der elf Wech- 
sel  nicht verändert. Durchschnitt- 
lich sind die Liechtensteiner Parla- 
mentarier 46,5 Jahre alt. Jüngster 
Abgeordneter ist Thomas Vogt 
(VU). Der 32-jährige Neuling 
schaffte den Einzug souverän. Die 
älteste im Plenum ist mit 62 Jahren 
Doris Frommelt von der FBP. 6 der 
25 Volksvertreter sind kinderlos. 
Trotzdem haben die Landtagsabge- 
ordneten im Durchschnitt 1,96 
Kinder. 
Schellenberg «übervertreten» 
Die meisten Abgeordneten kom- 
men aus Schaan, nämlich deren 5. 
Schellenberg, die flächenmässig 
kleinste Gemeinde, ist mit seinen 3 
Abgeordneten genau genommen 
übervertreten. Im Vergleich: Die 
Hauptstadt Vaduz ist ebenfalls mit 3 
Sitzen vertreten. Mauren, das im al- 
ten Landtag noch 4 Abgeordnete 
stellte, ging bei den Wahlen leer aus. 
Dafür nehmen mit 4 Abgeordneten 
so viel Triesner im Landtag Einsitz 
wie noch nie. 
FOTO 
MICHAEL 
ZANGHELLINI 
Ich 
bin vor allem vom 
Ausmass der Deutlichkeit 
überrascht. Mich erinnert 
das sehr an den Wahlkampf 
in Österreich zwischen 
Schüssel und Gusenbauer, 
der dann gewonnen hat. 
Man vermutet, dass die 
übertriebene Abbildung von Schüssel zu des- 
sen Niederlage geführt hat. Hier war es ähn- 
lich, in den letzten Wochen sah man prak- 
tisch nur noch Otmar Hasler, den ich persön- 
lich zwar sehr schätze, doch ich glaube, dass 
ihm dies eher geschadet hat. 
  Walter-Bruno Wohlwend, Planken 
Vom 
Ergebnis der Wah- 
len bin ich wirklich 
sehr überrascht. Ich hätte 
es nie gedacht. Vielleicht 
liegt es daran, dass die FBP 
keine Perspektiven aufge- 
zeigt hat, und einfach wei- 
tergemacht hat wie seit Jah- 
ren. Sie müssen nun viel ändern. Doch 
wahrscheinlich wird es keine grossen Ände- 
rungen mit der neuen Regierung geben. 
Harald Eckstein, Triesen 
Ich 
bin eigentlich nicht 
überrascht von den Ergeb- 
nissen der Wahlen. Ich habe 
mir bereits gedacht, dass die 
Roten sehr gut abschneiden. 
Obwohl mich das Ausmass 
des Vorsprunges doch etwas 
erstaunt hat. Obwohl ich 
nicht immer ganz auf dem Laufenden war, ist 
die VU meiner persönlichen Ansicht nach 
stärker in der Öffentlichkeit aufgetreten. 
  Sandro Thoeny, Vaduz 
Überrascht 
bin ich abso- 
lut nicht. Man hat 
zwar immer gesagt, es wä- 
re ein Kopf-an-Kopf-Ren- 
nen, aber für mich war im- 
mer klar, dass die VU die 
Mehrheit bekommt, ob- 
wohl vielleicht nicht gera- 
de die Absolute. Klaus Tschütscher hat eine 
hervorragende Ausbildung, ist sehr versiert 
und Otmar Hasler hat meiner Ansicht nach 
zu wenig bewirkt in den letzten acht Jahren. 
Doch es wird eine gute Koalition geben, die 
miteinander viel bewirken kann. 
Hans Gassner, Vaduz 
Ehrlich 
gesagt bin ich 
schon etwas überrascht 
von den Ergebnissen, ob- 
wohl ich mir diesen Wahl- 
ausgang erhofft habe. Ich 
war mir nämlich nicht 100 
Prozent sicher, dass die VU 
so zulegen wird, und kann 
auch nicht erklären, weshalb die Ergebnisse 
so eindeutig sind. Ich denke aber, das Volk 
hat die richtige Entscheidung getroffen, wir 
sind sicher gut bedient mit der neuen Regie- 
rung. 
Simone Faust, Triesenberg 
Ein 
Machtwechsel in der 
Regierung wird sicher 
nicht schaden. Deshalb bin 
ich auch nicht allzu über- 
rascht. Die Schwarzen wa- 
ren wirklich sehr lange an 
der Spitze. Der neue Regie- 
rungschef wird sicher viel 
Neues einbringen. Darüber freue ich mich 
sehr. 
  Maria Martinez, Vaduz 
D 
as Wahlergebnis ist ein 
herber Rückschlag. Ich 
persönlich stehe auf der Sei- 
te der FBP und wir haben 
ein wesentlich besseres Er- 
gebnis erwartet. Vor allem 
der extreme Vorsprung hat 
uns überrascht. Wir analy- 
sieren gerade die Gründe der Niederlage. Es 
wird innerhalb der Partei einiges ändern. 
Aber wir werden auf jeden Fall Teil der Re- 
gierung sein und sind gespannt, wie die Ge- 
spräche um die Koalition ausgehen. 
Alfons Hassler, Triesen 
UMFRAGE ZUR WAHL 
Bald gemeinsam in der neuen Regierung? 
Renate Müssner und Aurelia Frick (rechts). 
   1. Ruanda 56,3 % 
   2. Schweden   47,0 % 
   3. Kuba 43,2 % 
   4. Finnland 41,5 % 
   5. Niederlande 41,3 % 
   6. Argentinien 40,0 % 
   7. Dänemark 38,0 % 
   8. Angola 37,3 % 
   9. Costa Rica 36,8 % 
 10. Spanien 36,3 % 
 15. Island 33,3 % 
 18. Deutschland 32,2 % 
 26. Schweiz 28,5 % 
 29. Österreich 27,3 % 
 37. Andorra 25,0 % 
 39. Liechtenstein 24,0 % 
 42. Luxemburg 23,3 % 
 69. USA 17,4 % 
 79. San Marino 15,0 % 
107. Türkei 9,1 % 
Quelle: Interparlamentarische Union 
FRAUEN IM PARLAMENT
	        

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