WAHLEN 2009
VOLKSBLATT
3 MONTAG, 9. FEBRUAR 2009
«Volk will Grosse Koalition»
VU kündigt Zusammenarbeit mit FBP an – Freie Liste verliert Fraktionsstatus
VADUZ – Trotz absoluter Mehrheit
setzt die VU auf eine Fortsetzung
der Grossen Koalition. Die FBP will
zuerst ein allfälliges Angebot prü-
fen, die Freie Liste verliert im
Landtag bedeutend an Einfluss.
• Michael Benvenuti
Selbstverständlich gelte das, was die
VU vor den Wahlen gesagt hat, auch
danach, sagte Klaus Tschütscher im
Rahmen der Elefantenrunde: «Wir
werden mit einem fairen Angebot
auf die FBP zugehen und wollen ge-
meinsam mit ihr eine Koalition bil-
den.» Die kommenden vier Jahre
seien keine einfachen, betonte
Tschütscher, deshalb müssten die
Kräfte im Land gebündelt und
schnellstmöglich eine neue Regie-
rung ausverhandelt werden.
Einer allfälligen Koalition mit der
Freien Liste erteilte Klaus Tschüt-
scher eine deutliche Absage: «Das
Volk will eine Grosse Koalition, das
wurde mit diesem Wahlergebnis ein-
drücklich bestätigt.» Ob die FBP
das Angebot zur Bildung einer ge-
meinsamen Regierung annehmen
werde, hänge von der Qualität des
VU-Vorschlags ab, erklärte FBP-
Parteipräsident Marcus Vogt: «Wir
werden das Angebot der VU prüfen
und schauen, wie fair es ist.»
Zuerst gelte es allerdings, sich
«innerhalb der Partei zu finden» und
die Wahlniederlage zu erörtern. Dass
die Niederlage, vor allem in dieser
Höhe, völlig unerwartet kam, gab
Vogt unumwunden zu: «Ich habe
heute elf Mal den Hammer auf den
Kopf bekommen.»
Pepo Frick als Einzelkämpfer
Auch Regierungschef Otmar
Hasler, der sich aus der Politik zu-
rückziehen wird, sprach von «einer
schweren Stunde». Seinem Kontra-
henten Klaus Tschütscher gratu-
lierte er aufrichtig zum Wahlsieg
und wünschte ihm für die Zukunft
«eine glückliche Hand». Liechten-
stein stehe zwar vor schwierigen
Zeiten, gemeinsam könne das Land
die Probleme aber lösen, ist Otmar
Hasler überzeugt.
Bitter enttäuscht vom Wahlergeb-
nis zeigten sich die Vertreter der
Freien Liste, die mit dem Verlust
zwei ihrer drei Mandate auch den
Fraktionsstatus verlor. «Die Hetz-
jagd gegen die Freie Liste hat of-
fenbar ihre Wirkung gezeigt», zog
Parteipräsidentin Claudia Heeb-
Fleck Bilanz und sprach von einem
«herben Verlust». Kritische Stim-
men im Land hätten nun «deut-
licher weniger Einfluss als bisher».
Dass eine Partei – nun die VU – die
absolute Mehrheit innehabe, tue ei-
ner Demokratie nicht gut.
Pepo Frick, er ist künftig der ein-
zige weisse Vertreter im Landtag,
sprach von einem «Rückfall ins Jahr
2001». Grund für die heftige Klat-
sche konnte der Arzt keinen nennen:
«Ich weiss nicht, weshalb.» Die
FBP hatte für ihre Niederlage eben-
falls keine plausible Erklärung pa-
rat. Ob das optimistische Wahlziel
«50+» bei den Wählern schlecht an-
kam? «Vielleicht war das ein Fak-
tor», so Marcus Vogt.
Tschütscher dankt Hasler
Zumindest die VU glaubte die Ur-
sachen für ihren Erdrutschsieg zu
kennen. «Wir haben das Volk früh in
den Wahlkampf eingebunden, haben
mit den Bürgern in der Öffentlich-
keit diskutiert. Die Wähler haben
dieses ‹gemeinsame Miteinander›
goutiert», analysierte VU-Parteiprä-
sident Adolf Heeb das Ergebnis aus
seiner Sicht.
Mit einem Sieg in dieser Höhe
hatte Heeb aber ebenso wenig ge-
rechnet wie Klaus Tschütscher. Die-
ser nahm die Elefantenrunde noch
zum Anlass, um Regierungschef Ot-
mar Hasler für die vergangenen acht
Jahr zu danken, «als er das Land po-
litisch prägen und nach vorne brin-
gen durfte». Die Leistung Otmar
Haslers sei auch eine Verpflichtung
für die kommenden Jahre, sagte
Tschütscher.
Vier Verlierer, zwei Sieger: Pepo Frick, nun einziger FL-Abgeordneter im Landtag, FL-Parteipräsidentin Claudia Heeb-Fleck, FBP-Parteipräsident Mar-
cus Vogt, Regierungschef Otmar Hasler, der erfolgreiche VU-Kandidat Klaus Tschütscher und VU-Parteipräsident Adolf Heeb (von links).
FOTO
MICHAEL
ZANGHELLINI
Liebe Wählerinnen
Liebe Wähler
Sie haben mit Ihrer Wahl entschieden, dass
die Fortschrittliche Bürgerpartei mit 11
Mandaten im Landtag vertreten sein wird.
Dafür bedanke ich mich bei Ihnen im Na-
men aller Kandidatinnen und Kandidaten
und auch in meinem persönlichen Namen
recht herzlich. Wie ich bereits vor der Wahl
angekündigt habe, werde ich politisch nicht
mehr zur Verfügung stehen und damit einen
Erneuerungsprozess in der Fortschrittlichen
Bürgerpartei einleiten.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Va-
terländischen Union zu ihrem Wahlsieg gra-
tulieren. Die nächsten Jahre werden für die
Zukunft Liechtensteins von zentraler Be-
deutung sein und mutige Entscheidungen
für die anstehenden Herausforderungen
sind gefragt.
Mein Dank gilt allen, die mit der Teilnah-
me an der Landtagswahl ihre Bürgerpflicht
wahrgenommen haben und damit zum Aus-
druck bringen, dass unser Land über eine
aktive und lebendige demokratische Kultur
verfügt. Besonders gefreut hat mich, dass
auch dieses Jahr die Wahlbeteiligung wie-
der sehr hoch war.
Die Fortschrittliche Bürgerpartei wird
auch nach dem Verlust der Mehrheitsverant-
wortung ihre Aufgabe für Liechtenstein
wahrnehmen und mit konstruktiven Ideen
und Konzepten unter Einbezug der Bevöl-
kerung und in Zusammenarbeit mit den po-
litischen Mitbewerbern umsetzen.
Vielen herzlichen Dank!
Otmar Hasler
HERZLICHEN DANK
«Ich möchte der FBP
die Hand reichen»
«Volksblatt»: Herr Tschüt-
scher, jetzt ist klar: Sie werden
neuer Regierungschef. Wie
geht es Ihnen dabei?
Klaus Tschütscher: Mir geht
es hervorragend. Ich habe eine
Riesenfreude, dass die Arbeit,
die wir geleistet haben, honoriert
wurde. Ich möchte gleich mei-
nen Dank aussprechen, an die
Wählerinnen und Wähler und
auch an alle Kandidaten, die sich
für den Landtag aufstellen lies-
sen. Leider können nicht alle den
Sprung schaffen.
Waren auch Sie von dem kla-
ren Ergebnis überrascht?
Wir haben uns diesen Wahler-
folg sicher nicht in diesem Aus-
mass erwartet. Dass wir in allen
Gemeinden so stark zulegen
können, konnte niemand voraus-
sehen.
Haben Sie eine Erklärung für
diesen Erdrutschsieg?
Ich glaube, wir waren nah bei
den Menschen. Sie haben ge-
spürt, dass hier Politiker am Werk
sind, die sich um die Menschen
und ihre Interessen kümmern.
Das hat sich sicher im Wahlresul-
tat niedergeschlagen. Darüber
sind wir natürlich sehr glücklich.
Ein Wort an den politischen
Gegner?
Ich möchte der FBP die Hand
reichen. Aus Erfahrung weiss
ich, wie es ist, wenn man auf der
Verliererseite steht. Das ist keine
einfache Situation. Wir wollen
gemeinsam mit der FBP das
Land in die Zukunft führen.
«Gemeinsam», «Miteinander»,
das waren die Schlagworte der
VU im Wahlkampf. Werden
diese Werte auch gelebt?
Selbstverständlich. Wir befin-
den uns in schwierigen Zeiten, der
Höhepunkt der Finanzkrise hat
uns noch nicht erreicht. In einem
kleinen Land wie Liechtenstein
braucht es in so einer Situation
alle Kräfte. Wir müssen zusam-
menarbeiten. Ich glaube, dass
Land hat diese Zusammenarbeit
noch nie so nötig gehabt wie jetzt.
(Stefan Lenherr)
KURZINTERVIEW MIT KLAUS TSCHÜTSCHER
Hasler: «Müssen an
die Zukunft denken»
Otmar Hasler zieht sich aus Politik zurück
VADUZ – Die FBP sehe sich weiter
dem Wohl Liechtensteins ver-
pflichtet, sagt Otmar Hasler. Einen
Blankoschein für die VU gebe es
allerdings nicht.
• Michael Benvenuti
«Volksblatt»: Herr Regierungs-
chef Hasler. Die FBP hat ihr
Wahlziel deutlich verfehlt. Wie
gross ist Ihre Enttäuschung?
Otmar Hasler: Wenn man auf
Sieg gesetzt hat und die Wahlen
verliert, ist die Enttäuschung natür-
lich gross und ein herber Moment.
Aber wir müssen an die Zukunft
denken. Wir werden uns neu orga-
nisieren und uns neu aufstellen.
Allerdings ohne den Politiker Ot-
mar Halser.
Ja, ich werde
mich aus der
Politik ins Pri-
vatleben verab-
schieden.
FBP und VU haben vor den
Wahlen angekündigt, die Grosse
Koalition weiterführen zu wollen.
Eine Aussage, die Sie auch heute
noch bedingungslos unterschrei-
ben würden?
Jetzt haben wir ganz neue Verhält-
nisse. Die VU hat eine absolute
Mehrheit. Man wird sehen, welches
Koalitionsangebot die FBP von der
VU erhält. Das haben wir dann zu
bewerten. Und je nachdem, werden
wir dann zusagen oder nicht.
Sind die Gräben, die im Wahl-
kampf ausgehoben wurden, so
schnell wieder zuzuschütten?
Man muss immer wieder vorwärts
schauen, im Dienste des Landes den
richtigen Weg wählen und aufeinan-
der zugehen. Dass dies nicht immer
leicht fällt, ist ganz klar. Aber wir
sehen uns als FBP dem Land Liech-
tenstein verpflichtet.
Aber es besteht die Möglichkeit,
dass die FBP in die Opposition ge-
hen wird?
Man kann von uns natürlich nicht
verlangen, dass wir jedes Angebot
annehmen. Es muss schon ein Ange-
bot sein, das akzeptabel ist für die
FBP. Wir können der VU natürlich
keinen Blankoschein ausstellen.
Wahlen bringen oft überraschende Resultate.
Die absolute Mehrheit für die VU hat wohl
niemand erwartet, sogar die VU wurde von
der Wucht des Resultates zu ihren Gunsten
überrascht. Die «Elefantenrunde» im Lan-
deskanal gestern Abend hat diese Überra-
schung deutlich illustriert.
Wird nun alles anders?
Niemand war in der Lage, den Erdrutsch
der Wählerentscheidung auf ein paar plausi-
ble Erklärungen zu reduzieren. Wie es in
einem demokratischen Staatswesen üblich
ist, gilt es, die Entscheidung der Wählerinnen
und Wähler zu akzeptieren. Einig sind sich
die politischen Kräfte, wie an der «Elefanten-
runde» bekräftigt, dass Liechtenstein mög-
lichst bald zu einer neuen Regierung kommen
sollte, damit man wieder zur politischen Ta-
gesordnung übergehen kann.
Liechtenstein steht vor grossen Herausfor-
derungen. Die internationale Finanz- und
Wirtschaftskrise bedroht auch unser Land. Die
Ansprüche einiger Staaten auf den Informati-
onsaustausch in Finanzfragen sind nicht vom
Tisch, längerfristig gilt es, Sozialstaat und
Wohlstand abzusichern. Für diese Bereiche
hat Regierungschef Otmar Hasler die entspre-
chenden Grundlagen geschaffen, einen Re-
formkurs eingeleitet, ohne zu verschweigen,
dass es auch Opfer geben würde.
Nun liegt es an Klaus Tschütscher, das Land
durch die kommenden schwierigen Zeiten zu
führen. Nun wird sich zeigen, ob das von der
VU versprochene «Gemeinsame Miteinander
für Liechtenstein» mehr ist als nur ein Wahl-
kampfslogan.
In einem sind sich die Liechtensteinerinnen
und Liechtensteiner über die Parteigrenzen ei-
nig: Die Probleme, die auf unser Land zukom-
men, können nur gemeinsam gelöst werden.
Heinz Zöchbauer KOMMENTAR