Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2009)

AUSLAND 
LÄNDER 
ZEITUNG 2 
10 MITTWOCH, 14. OKTOBER 2009 
Belgische Elitesoldaten warten auf 
den Besuch ihres Königs Albert II. in He- 
verlee. Verteidigungsminister Pieter De 
Crem hat angekündigt, 4000 Jobs in der Ar- 
mee zu streichen. 
Moskau unter Beobachtung 
MOSKAU – US-Aussenministerin Hillary 
Clinton hat russischen Menschenrechtlern 
auch für die Zukunft eine kritische Beglei- 
tung der russischen Politik zugesichert. An- 
lässlich ihres Besuchs in Moskau hat Clin- 
ton bei einem Treffen mit Menschenrechts- 
aktivisten und kritischen Journalisten ge- 
sagt, dass die US-Regierung trotz eines 
Neustarts in den amerikanisch-russischen 
Beziehungen die Politik Moskaus auch 
künftig genau verfolgen werde. 
Rätsel um Atommüll 
PARIS – Frankreich will die möglicherwei- 
se unsachgemässe Versendung von Hunder- 
ten Tonnen Nuklearabfällen nach Sibirien 
untersuchen lassen. Dort wurde der Abfall 
zuletzt angeblich auf einem Parkplatz offen 
gelagert. 
Rumänien: Regierung gestürzt 
BUKAREST – In Rumänien hat die links- 
liberale Opposition die bürgerliche Regie- 
rung von Ministerpräsident Emil Boc durch 
einen Misstrauensantrag gestürzt. Die Op- 
position hatte der Regierung vorgeworfen, 
illegal zu amtieren und das Land wirtschaft- 
lich und moralisch zu zerstören. Unabhän- 
gige Fachleute sollen die nächste Regierung 
bilden. 
Jüdischer Feiertag 
in Deutschland 
BERLIN – Der Zentralrat der Juden in 
Deutschland hat sich für einen jüdischen 
Feiertag im deutschen Schulkalender aus- 
gesprochen. «Das könnte Jom Kippur, das 
Fest der Versöhnung sein», sagte Generalse- 
kretär Stephan Kramer. 
NACHRICHTEN 
Im Tauziehen um die 
Billigung des EU-Reformver- 
trags von Lissabon erhöht die 
EU den Druck auf den tsche- 
chischen Präsidenten Vaclav 
Klaus. «Ich erwarte, dass Tsche- 
chien seine Verpflichtungen er- 
füllt», sagte EU-Kommissions- 
präsident José Manuel Barroso 
(rechts) gestern in Brüssel nach 
einem Treffen mit dem tsche- 
chischen Regierungschef Jan Fi- 
scher. Klaus will erreichen, dass 
für Tschechien – wie für Polen 
und für Grossbritannien – die 
EU-Grundrechtecharta ausge- 
setzt wird. Damit sollen Rückga- 
beforderungen von vertriebenen 
Sudetendeutschen verhindert 
werden. 
FOTO 
REUTERS 
CSU lehnt 
Gen-Mais ab 
BERLIN – Die CSU strebt 
bei den Koalitionsverhand- 
lungen von Union und FDP 
ein Veto gegen den Anbau 
von Gen-Pflanzen an. CDU 
und FDP wollen Forschung 
und Anbau von Gen-Pflan- 
zen fördern, die CSU ist da- 
gegen. 
Herbe Rüffel für britische Politiker 
Tory-Chef droht Spesensündern mit Karriere-Ende – Brown zahlt 
LONDON – Der britische Oppositi- 
onsführer David Cameron hat die 
vom Spesenskandal betroffenen 
Abgeordneten seiner Konserva- 
tiven Partei aufgefordert, reinen 
Tisch zu machen. 
Wer nicht uneingeschränkt mit 
dem Ethikbeauftragten des Parla- 
ments zusammenarbeite und zu 
viel in Rechnung gestellte Spesen 
zurückzahle, dürfe bei der nächs- 
ten Unterhauswahl nicht mehr kan- 
didieren, warnte Cameron seine 
Parteikollegen. 
Der Spesenskandal hat das Ver- 
trauen in die britische Politik 
schwer erschüttert. Hunderte Abge- 
ordnete müssen zu viel abgerech- 
nete Ausgaben zurückzahlen. Der 
Skandal hat auch die Regierung er- 
fasst. Premierminister Gordon 
Brown hatte am Montag angekün- 
digt, er werde strittige Aufwands- 
entschädigungen in Höhe von 
12 000 Pfund (20 000 Franken) zu- 
rückzahlen. 
Karriere mit väterlicher Hilfe 
Kritik an «Günstlingswirtschaft»: Präsident Sarkozy verhilft Sohn Jean zu Topjob 
PARIS – Frankreichs Präsident Ni- 
colas Sarkozy sieht sich mit dem 
schweren Vorwurf der Vettern- 
wirtschaft konfrontiert. 
Er kennt das schon, dass ihm der 
Wind um die Ohren bläst, nur weil 
er diesen Namen trägt. «Seit ich in 
die Politik gegangen bin, bin ich 
Kritik ausgesetzt», sagt Jean Sarko- 
zy, der französische Präsidenten- 
sohn. Dass sie diesmal so heftig 
ausfallen würde, hat der 23-jährige 
Regionalpolitiker wahrscheinlich 
nicht gedacht. Ohne Studienab- 
schluss und Berufserfahrung will 
Sarkozy junior die Leitung der ein- 
flussreichen Entwicklungsgesell- 
schaft EPAD übernehmen – damit 
würde er zum Herr über das grösste 
Geschäftsviertel in Europa, La De- 
fense westlich von Paris. 
Eigentlich hatte Jean Sarkozy mit 
der Schauspielerei geliebäugelt. 
Kurz vor seinem ersten Auftritt 
schmiss es der mittlere Sohn des 
französischen Präsidenten Nicolas 
Sarkozy aber hin. Und tat es lieber 
dem Vater nach, der auch früh in 
die Politik gegangen war. Gerade 
eineinhalb Jahre ist es her, dass 
Sarkozy junior das erste Amt als 
Lokalpolitiker übernahm, als Ver- 
treter eines Sprengels im Nobelvor- 
ort Neuilly-sur-Seine, wo er aufge- 
wachsen ist und sein Vater einst 
Bürgermeister war. 
Jetzt schickt er sich an, die EPAD 
zu führen, wie sein Vater vor eini- 
gen Jahren. Die Entwicklungsge- 
sellschaft hat ein Budget von 115 
Millionen Euro, rund 2500 Firmen 
haben in La Defense ihren Sitz. 
Um das grösste europäische Ge- 
schäftsviertel zu leiten, braucht es 
eine gestandene Persönlichkeit, 
«jemanden, der sich gut mit dem 
Geschäft auskennt», wie der frühere 
sozialistische Regierungschef Lau- 
rent Fabius sagt. Da komme der 
Präsidentensohn doch wie gerufen 
– «im zweiten Jahr im Jurastudi- 
um», höhnt er. 
Das Ausland mache sich bereits 
über Frankreich lustig, sagt der 
frühere Oppositionschef Francois 
Hollande. Bis nach China sei Jean 
Sarkozys Name schon bekannt und 
habe die Nachricht von der Günst- 
lingswirtschaft die Runde gemacht. 
Nicolas Sarkozy müsse endlich ein- 
sehen, dass die Wahl zum Präsi- 
denten keine «Beförderung zum 
Monarchen samt Familie» sei. 
Im Kurzbotschaftendienst Twit- 
ter machen sich Nutzer lustig über 
Sarkozy junior und schlagen vor, er 
solle doch gleich statt US-Präsident 
Obama den Friedensnobelpreis be- 
kommen. 
Breite Unterstützung 
Die konservative Mehrheit bis 
hin zu Regierungschef Francois 
Fillon stellt sich demonstrativ hin- 
ter Jean Sarkozy, auch sein Vater 
persönlich sprang ihm bei. Der prä- 
sidententreue Kommunalpolitiker 
Thierry Solere fand es im Übrigen 
«kein Wunder», dass Sarkozy juni- 
or derart frühreif sei: Schliesslich 
sei er «der Sohn eines politischen 
Genies». 
Nicolas Sarkozy mit seinem Sohn 
Jean (23). 
«Die Wahl zum Präsidenten ist kei- 
ne Beförderung zum Monarchen 
samt Familie.» 
Francois Hollande, 
ehem. Oppositionsführer 
HINTERGRUND: TSCHECHIENS STAATSPRÄSIDENT SETZT AUF «BENES»-KARTE ZUR BLOCKADE DES LISSABON-VERTRAGS 
Mit seiner überraschenden Forde- 
rung nach einer Ausnahme von der 
EU-Grundrechtecharta macht der 
tschechische Staatspräsident Vaclav 
Klaus eines der heikelsten Kapitel in 
der Geschichte seines Landes zum 
europäischen Thema. Klaus hatte er- 
klärt, dass andernfalls Klagen von 
den nach dem Zweiten Weltkrieg in 
der damaligen Tschechoslowakei 
enteigneten Sudetendeutschen droh- 
ten. Bereits vor sieben Jahren – vor 
dem EU-Beitritt Tschechiens – 
sorgten die Benes-Dekrete für Dis- 
kussionen und Gutachten in Brüssel 
– aber nicht für mehr. Trotz Forde- 
rungen aus Österreich und Deutsch- 
land machte die EU-Kommission die 
Dekrete des früheren tschechoslowa- 
kischen Staatspräsidenten Edvard 
Benes nicht zum Gegenstand der 
EU-Beitrittsverhandlungen mit Prag. 
Das EU-Parlament regte allerdings 
eine Geste der Versöhnung an. 
Was steckt dahinter? 
In Brüssel wird von vielen bezwei- 
felt, dass es Klaus tatsächlich um die 
Absicherung vor möglichen Entschä- 
digungsforderungen wegen der 
Benes-Dekrete geht. Die tsche- 
chische Regierung hat während der 
Verhandlungen um den EU-Reform- 
vertrag jedenfalls nicht um eine Aus- 
nahme von der Grundrechtecharta 
angesucht. In einer Erklärung zum 
Lissabon-Vertrag hielt Prag aller- 
dings u. a. fest, dass die Charta im 
Einklang mit den nationalen Verfas- 
sungstraditionen interpretiert werden 
müsse. 
Der streitbare EU-Skeptiker könnte 
in einem Rückzugsmanöver noch 
einmal die nationalistische Karte aus- 
spielen, um dem Brünner Verfas- 
sungsgericht neue Argumente gegen 
den Lissabon-Vertrag zu liefern, wird 
in EU-Kreisen spekuliert. Bemer- 
kenswert ist immerhin, dass Klaus 
den Lissabon-Vertrag selbst nicht 
mehr angegriffen hat. 
Das Brünner Gericht will sich am 
27. Oktober mit der Klage tsche- 
chischer Senatoren gegen den Lissa- 
bon-Vertrag befassen. Am 29. Okto- 
ber kommen die EU-Staats- und Re- 
gierungschefs in Brüssel zusammen, 
nach den Planungen des schwe- 
dischen EU-Ratsvorsitzes sollen da- 
bei die Weichen zum Inkrafttreten des 
Reformwerks gestellt und mit ihm 
neu geschaffene Posten wie jener des 
EU-Ratspräsidenten und des EU- 
«Aussenministers» besetzt werden. 
Tschechien nervt EU-Reformer 
Dekrete zur Enteignung der Sudetendeutschen bisher kein Hindernis 
Vaclav Klaus spielt noch einmal die nationalistische Karte aus, wird in EU- 
Kreisen vermutet. 
FOTO AP
	        

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