WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN FÜR DAS RHEINTAL
WIRTSCHAFT
Neustart am
Tiefpunkt: Zwi-
schenruf von Ur-
sula Bachmann-
Ospelt
Wirtschaft / 15
Donnerstag, 1. Oktober 2009 Seite 13
Blaues Auge für Finanzbranche
Geringere Verluste – Aber: Bei Banken schlummern noch riesige Abschreibungssummen
WASHINGTON – Die Finanzbranche
kommt glimpflicher davon als be-
fürchtet. Der IWF hat seine Pro-
gnose über die weltweiten Einbus-
sen durch Ramschpapiere und
faule Kredite zurückgenommen.
Erstmals seit Ausbruch der Finanz-
misere nimmt der IWF damit den
Fuss vom Gas und rechnet wieder
mit 3,4 Billionen Dollar Einbussen.
Vor einem Jahr noch schätzte der In-
ternationale Währungsfonds IWF
die Gesamtverluste durch Giftpa-
piere und faule Kredite auf 1,4 Billi-
onen Dollar, dann auf 2,2 Billionen,
am Ende lautete die Prognose auf
unvorstellbare 4,0 Billionen Dollar.
Grund für die Korrektur seien in-
zwischen gestiegene Preise für pro-
blematische Vermögenswerte, heisst
es in einer am Mittwoch in Istan-
bul veröffentlichten IWF-Studie
zur Stabilität der internationalen
Finanzmärkte. Entwarnung für die
Branche will der IWF allerdings
noch nicht geben.
«Sind auf gutem Weg»
Allein für die Banken der Euro-
zone rechnet der Weltwährungs-
fonds zwischen 2007 und 2010 nun
mit Abschreibungen und Verlusten
bei Krediten sowie Giftpapieren in
Höhe von 814 Mrd. Dollar. US-
Banken liegen demnach mit rund
einer Billion Dollar Einbussen nur
knapp darüber. Amerikanische
Geldinstitute hätten derweil bereits
mehr als die Hälfte der erwarteten
Verluste verbucht, berichtete der
IWF. Sie seien somit den europä-
ischen Geldhäusern voraus.
«Wir sind auf dem Wege der Er-
holung, was aber nicht bedeutet,
dass die Risiken verschwunden
sind», sagte der Chef der IWF-Ka-
pitalmarktabteilung, José Viñals.
Noch immer hätten die Banken
nicht ausreichend Kapital, um ge-
nügend Kredite zur Verfügung zu
stellen, damit die Konjunkturerho-
lung vorankomme. Es gebe weiter
Engpässe bei der Kreditvergabe,
die Gesundung der Wirtschaft wer-
de voraussichtlich nur schleppend
verlaufen, warnt der Bericht.
Nicht zügig genug
Der Ökonom bemängelte über-
dies, dass die Bankbilanzen nicht
zügig genug von Ramschpapieren
gesäubert werden: «Hier sind die
Fortschritte nicht ausreichend.» Der
Fonds warnte davor, angesichts der
besseren Lage bei den angestrebten
Finanzreformen zurückzurudern.
«Selbstzufriedenheit mit Blick
auf die Neuordnung des Banken-
wesens gibt Anlass zur Sorge»,
heisst es in dem Bericht. «Wenn
wir die nach wie vor bestehenden
Herausforderungen für das Finanz-
system in der derzeitigen Krise
nicht meistern, riskieren wir, dass
die Risiken für das System wieder-
kehren», sagte Viñals.
Der Fonds erwartet ein Ende des
Preisverfalls auf dem wichtigen
US-Immobilienmarkt, dessen Zu-
sammenbruch die Finanz- und
Wirtschaftskrise wesentlich mit
ausgelöst hatte. Die Hauspreise
werden laut IWF-Prognose im
kommenden Jahr noch einmal um
vier Prozent fallen, bevor sie end-
gültig ihren Tiefpunkt erreichen.
Der Internationale Währungsfonds
und die Weltbank treffen sich in der
kommenden Woche in Istanbul zu
ihrer traditionellen Herbsttagung.
Im Mittelpunkt stehen dabei Strate-
gien für die Zeit nach der schwersten
Wirtschafts- und Finanzkrise seit
Jahrzehnten. Zu der Zusammen-
kunft am Bosporus werden rund
13 000 Teilnehmer erwartet.
Die von der Insolvenz der Lehman Brothers im September 2008 verschärfte Finanzkrise trifft die Finanzbranche
nun doch nicht so stark wie erwartet. Der Grund: Die jüngste Erholung der Weltwirtschaft.
FOTO
KEYSTONE
Auszeichnung für Zumtobel
Wirtschaft / 15
Börse schliesst leicht im Plus
Wirtschaft / 16
NEWSMIX
Italienische Firma versteckte
70 Mio. Euro in Liechtenstein
LUGANO/COMO/VADUZ – Die Finanz-
polizei der italienischen Grenzstadt Como
hat vier Personen wegen Steuerbetrugs an-
gezeigt. Das Quartett soll in Liechtenstein
über 70 Millionen Euro vor dem italie-
nischen Fiskus versteckt haben. Als Kopf
der Bande gilt ein Luganeser Anwalt. Dieser
sei der Architekt des Betrugsnetzes gewe-
sen, teilte die Guardia di Finanza von Como
am Mittwoch mit. Die mutmasslichen Steu-
ersünder hätten in Liechtenstein eine Firma
für Home-Fitness-Geräte unterhalten. Diese
sei in Tat und Wahrheit jedoch in Italien ge-
führt und verwaltet worden. Mittels kom-
plexer Methoden sei es dem Inhaber gelun-
gen, sämtliche Gewinne auf betrügerische
Weise am italienischen Fiskus vorbei nach
Liechtenstein abzuführen. (sda)
US-Wirtschaft hat Ende der
schweren Rezession vor Augen
WASHINGTON – Die US-Wirtschaft nä-
hert sich dem Ende ihrer schweren Rezessi-
on. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im
zweiten Quartal mit einer auf das Jahr hoch-
gerechneten Rate von 0,7 Prozent, wie das
Handelsministerium am Mittwoch nach
endgültigen Berechnungen mitteilte. Zu-
nächst war ein Minus von 1,0 Prozent ermit-
telt worden. Zu Jahresbeginn hatte es noch
einen Einbruch von 6,4 Prozent gegeben.
Experten gehen davon aus, dass die welt-
grösste Volkswirtschaft im dritten Quartal
wieder gewachsen ist. Die USA befinden
sich seit Ende 2007 in der Rezession. (sda)
Deutsche Arbeitslosenzahl im
September deutlich gesunken
NÜRNBERG – Der Arbeitsmarkt in
Deutschland hat sich im September besser
entwickelt als erwartet. Im Vergleich zum
August sank die Erwerbslosenzahl um
125 000 auf 3,346 Millionen. Die Arbeitslo-
senquote fiel um 0,3 Punkte auf 8,0 Prozent
ab. Vor einem Jahr hatte sie bei 7,4 Prozent
gelegen. Trotz der guten September-Zahlen
rechnen Fachleute mit einer Verschärfung der
Lage am deutschen Arbeitsmarkt in den
nächsten Monaten. Denn in vielen Betrieben
läuft die Zeit der Kurzarbeit aus. (sda)
Managersaläre gesunken
ZÜRICH – Die Löhne der Konzernchefs
bei den 48 grössten börsenkotierten Schwei-
zer Unternehmen sind 2008 um über 25
Prozent gesunken. Während sich die Basis-
saläre kaum veränderten, reduzierten sich
die Boni laut einer PwC-Studie um fast die
Hälfte. Im Durchschnitt schrumpften die
Löhne der Chefs der SMI-Konzerne von 9,3
auf 6,9 Mio. Franken. Bei den Chefs der im
SMIM enthaltenen Unternehmen – das sind
die 28 grössten Titel, die nicht bereits im
SMI geführt sind – gingen die Saläre von
3,8 auf 2,9 Mio. Fr. zurück. (sda)
Erholung in Sicht
KOF-Barometer: Ende der Rezession
ZÜRICH – Die Schweiz könnte
sich in den kommenden drei Mo-
naten aus der schwersten Rezes-
sion seit Mitte der 70er-Jahre lö-
sen: Zu diesem Schluss kommen
die Konjunkturforscher der ETH.
Demnach dürfte das Bruttoinlands-
produkt (BIP) im vierten Quartal
im Vergleich zum Vorjahr leicht
wachsen. Das KOF-Barometer stieg
im September gegenüber August
um 0,89 Punkte auf 0,85 Zähler,
wie die Konjunkturforschungsstelle
(KOF) der ETH Zürich am Mitt-
woch mitteilte. Einen ähnlich ho-
hen Stand hatte das Barometer
letztmals im Juli 2008 erreicht, be-
vor die Rezession im zweiten Halb-
jahr ihre volle Wirkung entfaltete.
Zum letzten Mal positiv war das
Barometer im vergangenen Okto-
ber gewesen, im April hatte es mit
–1,83 Zählern den tiefsten Stand
seit Beginn der Erhebung im Jahre
1991 erreicht. Der Abwärtstrend
hatte zu diesem Zeitpunkt fast zwei
Jahre gedauert.
Im September hat sich die kräf-
tige Erholung des Kern-BIP fortge-
setzt. Es umfasst die Gesamtwirt-
schaft ohne Bau- und Kreditgewer-
be. Auf dem Bau und im Kreditge-
werbe liessen sich nur leichte Auf-
wärtsbewegungen erkennen.
Die Prognosen der KOF für das
kommende Jahr lassen aber in der
Schweiz keinen Aufschwung, son-
dern einen stagnierenden Wirt-
schaftsgang erwarten: Für 2010 stel-
len die ETH-Forscher ein Mini-
Wachstum von 0,1 Prozent in Aus-
sicht.
Weniger optimistisch für das
vierte Quartal als die ETH-Kon-
junkturforscher zeigten sich ihre
Kollegen von der Universität Lau-
sanne: Ihr Barometer sank auch im
vierten Quartal, und zwar um 0,7
Punkte auf 94,6 Zähler. (sda)
Pläne für Balzers
OC Oerlikon prüft Verkauf an Sulzer
PFÄFFIKON/BALZERS – Der rus-
sische Milliardär Viktor Veksel-
berg hat bestätigt, dass der Oerli-
kon-Verwaltungsrat einen Verkauf
der Oerlikon-Tochter in Balzers an
den Sulzer-Konzern prüft.
Die Oerlikon-Tochter in Balzers
könnte bald einen neuen Eigentü-
mer haben. In einem Interview der
«Handelszeitung» (Mittwochaus-
gabe) sagt OC Oerlikon-Grossakti-
onär Viktor Vekselberg auf die Fra-
ge, ob es eine Option sei, die Toch-
ter Oerlikon Balzers an den Win-
terthurer Sulzer-Konzern zu ver-
kaufen: «Soweit ich weiss, prüft
der Oerlikon-Verwaltungsrat unter
anderem einen Verkauf der Be-
schichtungssparte. Ich denke, dass
daher ein Verkauf an Sulzer auch
eine Möglichkeit ist, ja.»
Dass sich der krisengeschüttelte
Schweizer Mischkonzern OC Oerli-
kon sogar von der gesamten Solar-
technologie trennen könnte, weist
Vekselberg aber entschieden zurück.
Im Gegenteil: «Wir streben eine ver-
tikal integrierte Wertschöpfungsket-
te an. Wir suchen heute in der ganzen
Welt nach Gelegenheiten im Solar-
geschäft», wird Vekselberg zitiert.
Auf die Frage, ob ein Börsengang
des Oerlikon-Solargeschäfts in Be-
tracht komme, um das dringend be-
nötigte frische Geld in die Kassen
zu spülen, antwortete der Russe:
«Es gibt verschiedene Optionen, wie
man dieses Geschäftsfeld bei Oerli-
kon finanzieren kann. Das bestimmt
der Verwaltungsrat und derzeit ist
noch keine Entscheidung gefallen.»
Etwas konkreter wurde der rus-
sische Milliardär beim Thema
«Textilmaschinengeschäft»: Vek-
selberg hat Gespräche mit dem
Winterthurer Rieter-Konzern über
einen möglichen Verkauf des Tex-
tilmaschinengeschäfts von OC Oer-
likon bestätigt. (mb)