INLAND
VOLKSBLATT
3 FREITAG, 10. JULI 2009
«So oder so mehr Verkehr»
Vorarlberger Verkehrslandesrat Rüdisser verteidigt Südumfahrung Feldkirch
BREGENZ/VADUZ – Die Südumfah-
rung Feldkirch sei keine Transit-
schleuse und mit dem Letzetun-
nel nicht zu vergleichen, versucht
Vorarlbergs Landesrat Karlheinz
Rüdisser Kritiker zu beruhigen.
• Michael Benvenuti
Das langjährige Schreckgespenst
Letzetunnel ist zwar längst vom
Tisch, nun treibt das Nachfolgepro-
jekt Südumfahrung Feldkirch vor
allem der Unterländer Bevölkerung
Sorgenfalten auf die Stirn. Das rund
240 Millionen Franken teure Stras-
senbauprojekt komme, wie schon
der geplante Letzetunnel, einer Tran-
sitschleuse gleich, warnt etwa Rai-
ner Batliner von der Arbeitsgruppe
Verkehrsproblem Liechtensteiner
Unterland. Die Südumfahrung erhö-
he die Attraktivität des Strassenver-
kehrs, sorge für eine massive Ver-
kehrszunahme und lasse dadurch
den Anreiz zum Umsteigen auf den
Öffentlichen Verkehr verpuffen.
Karlheinz Rüdisser, Verkehrslan-
desrat von Vorarlberg, versucht, das
Megaprojekt hingegen zu verteidi-
gen. Der Vergleich mit dem Letze-
tunnel sei nicht zutreffend, bei der
Südumfahrung handle es sich «um
keine Transitroute». Überdies er-
fülle Vorarlberg mit den Plänen die
in einem Positionspapier festgehal-
tenen Forderungen der Liechten-
steiner Regierung «praktisch auf
Punkt und Beistrich». Auch des-
halb, weil Liechtenstein in die Pla-
nungen miteinbezogen worden sei,
«ebenso wie zahlreiche NGOs und
die breite Öffentlichkeit». Die Um-
setzung der Südumfahrung Feld-
kirch beruhe auf einem transpa-
renten, offenen und konsensorien-
tierten Verfahren, betont Rüdisser
im «Volksblatt»-Gespräch.
Keine Pendler ohne Verkehr
Und die Kritik, die Südumfah-
rung sorge für eine massive Ver-
kehrszunahme? «In den nächsten
Jahren kommt so oder so mehr Ver-
kehr», sagt Rüdisser. Mit oder ohne
Südumfahrung. Liechtenstein dürfe
in der ganzen Diskussion nicht ver-
gessen, dass die dynamische und in
den vergangenen Jahrzehnten «er-
freuliche Wirtschaftsentwicklung»
unmittelbar mit den Tausenden
Pendlern zusammenhänge.
Ausländische Arbeitskräfte, aber
kein Grenzverkehr – das sei eben
nicht realistisch. Um Wirtschafts-
wachstum und Wohlstand auch für
künftige Generationen zu sichern
und um international wettbewerbs-
fähig bleiben zu können, müssten
Infrastrukturmassnahmen in Kauf
genommen werden, so Rüdisser.
ÖV nicht vernachlässigen
Also Strassenbau um jeden Preis?
«Nein. Der Öffentliche Verkehr darf
auf keinen Fall auf der Strecke blei-
ben», bekräftigt der Landesrat.
Vorarlberg verfolge deshalb bereits
seit Jahren gemeinsam mit Liech-
tenstein «intensiv den Ausbau der
S-Bahn und die Erweiterung des
grenzüberschreitenden Busnetzes».
Auch bei den Detailplanungen zur
Südumfahrung geniesse der ÖV Pri-
orität: «Die Strassenbaulösungen
dürfen spätere Schienenprojekte
nicht verunmöglichen.»
Auf einen genauen Fahrplan,
wann die Bauarbeiten zur Südum-
fahrung beginnen und wann das Me-
gaprojekt abgeschlossen sein könnte,
will sich Rüdisser nicht festlegen.
Das hänge von zu vielen Faktoren
ab: Wie lange dauert das Behörden-
verfahren, wie fällt die Umweltver-
träglichkeitsprüfung aus und wie
viel Geld steht überhaupt zur Verfü-
gung? Zumindest eines ist für Rü-
disser schon heute klar: «Die Chan-
cen auf eine Verwirklichung waren
noch nie so hoch wie jetzt.»
Foto ohne Seltenheitswert: Stau auf den Liechtensteiner Pendlerrouten. Mit der Südumfahrung Feldkirch wird dieser noch zunehmen, warnen
Kritiker.FOTO
PAUL
TRUMMER
OLKSBLATT
AZ 9494 SCHAAN Mittwoch, 8. Juli 2009 ationen 00423 237 51 51
SZEI TUNG FÜR LI ECHTENSTEI N
Blockade gegen Umfahrung
Angst vor Verkehrskollaps: Eschen-Nendeln wehrt sich gegen Südumfahrung Feldkirch
FELDKIRCH/ESCHEN – Die Vorarl-
berger Landesregierung hat der
Umfahrung Feldkirch Süd grünes
Licht erteilt. Unterdessen wächst
in Liechtenstein der Widerstand
gegen das Mega-Strassenprojekt.
des Planungsprozesses geologische
Untersuchungen und das Behörden-
verfahren vorbereitet werden. We-
sentlicher Bestandteil des Verfah-
rens ist eine Umweltverträglich-
keitsprüfung, die dann Grundlage
für die zeitliche und finanzielle Pla-
die Südumfahrung. Wie eine Infor-
mationsveranstaltung am Montag-
abend in Eschen-Nendeln zeigte,
steht auch die Bevölkerung in
Liechtenstein dem Bau des «Letze-
tunnel»-Nachfolgeprojekts sehr
kritisch gegenüber.
kam aber nicht nur die Ablehnung
der Südumfahrung zum Ausdruck,
mehrfach appellierten die Besucher
der Informationsveranstaltung an
die Politik, in dieser für das Unter-
land «sehr brisanten Verkehrsfrage»
eine aktivere Rolle einzunehmen.
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«Volksblatt»-Ausgabe vom 8. Juli.
Vorarlbergs Verkehrs-
und Wirtschaftslandesrat
Karlheinz Rüdisser.
Bergunfall: 54-Jähriger
stürzt 100 Meter in die Tiefe
DORNBIRN – Ein Bergsportler ist am
Mittwochabend in Vorarlberg bei der Über-
querung eines Wasserfalls ausgerutscht und
100 Meter in die Tiefe gestürzt. Der 54-Jäh-
rige wurde von einem Helikopter geborgen
und mit Verdacht auf Rückenverletzungen
ins Spital geflogen. Der Mann war laut Po-
lizei mit einer Gruppe eines Kindercamps
beim Wasserfall Kobelache. Beim Versuch,
ungesichert den Wasserfall zu überqueren
rutschte er aus und fiel rund 100 Meter tief
in den darunter liegenden Wasserstrudel.
Dabei prallte er hart mit dem Hinterkopf
und der Schulter auf. (sda)
Kanton Graubünden: Praktika
gegen Jugendarbeitslosigkeit
CHUR – Obwohl es in Graubünden weit
weniger arbeitslose Jugendliche als landes-
weit gibt, verstärkt der Kanton seine Gegen-
massnahmen. Die Unternehmen werden
aufgerufen, Praktikumsplätze anzubieten.
Ende Juni waren in Graubünden 335 Ju-
gendliche zwischen 15 und 24 Jahren ohne
Arbeit, was einer Quote von 2,2 Prozent
entspricht. Schweizweit wurden 4,1 Prozent
verzeichnet. Die Jugendarbeitslosigkeit sei
im Kanton nicht dramatisch, bilanzierte Re-
gierungsrat Hansjörg Trachsel an einer Me-
dienorientierung am Donnerstag in Chur.
Die Lage müsse allerdings differenziert be-
trachtet werden. In der Alterskategorie der
15- bis 19-Jährigen sei die Situation prak-
tisch unverändert: Waren letztes Jahr durch-
schnittlich 60 Jugendliche in diesem Alter
ohne Arbeit, lag der Schnitt im laufenden
Jahr bei 67. Da das Angebot an Lehrstellen
gegenüber dem Vorjahr praktisch unverän-
dert geblieben ist, erwartet Trachsel keinen
drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit un-
ter den Jüngsten. Wie landesweit sind auch
in Graubünden die 20- bis 24-Jährigen weit-
aus stärker betroffen. Während die Arbeits-
losigkeit im Kanton im Vergleich zum
Durchschnitt des Vorjahres um 35 Prozent
angestiegen ist, erhöhte sie sich in dieser
Alterskategorie um fast die Hälfte auf 2,8
Prozent. (sda)
Alkohol am Steuer: Mehr
Verkehrstote in Vorarlberg
BREGENZ – In den ersten fünf Monaten
sind auf Vorarlbergs Strassen zwei Men-
schen bei Unfällen wegen Trunkenheit ge-
storben. Das berichtet der Verkehrsklub Ös-
terreich. Im Vergleichszeitraum des Vor-
jahres gab es dagegen keine Todesopfer we-
gen Alkohols am Steuer. Die Zahl der Ver-
letzungen nach Alko-Unfällen ist allerdings
zurückgegangen, berichtete der ORF. Zwi-
schen Januar und Mai 2008 waren es 77,
heuer sind es im gleichen Zeitraum 59. Laut
VCÖ ist der Juli der Monat mit den meisten
Verkehrsunfällen. Österreichweit ist die
Zahl der Alkohol-Unfälle mit Todesfolge
um ein Drittel gestiegen. (red/pd)
Althaussanierungen boomen
BREGENZ/VADUZ – Im Vorarlberger
Landtag bildeten die Themen Finanzen und
Wohnbau den Schlusspunkt der Rechen-
schaftsdebatte. Bei Althaussanierungen hat
sich der Umfang der Förderungen – wie
auch in Liechtenstein (das «Volksblatt» be-
richtete – massiv erhöht, berichtete der ORF.
Voll eingeschlagen haben laut Wirtschafts-
landesrat Rüdisser (ÖVP) die 2009 und
nächstes Jahr zinslosen Althaussanierungs-
darlehen: 60 Prozent mehr als im ersten
Halbjahr 2008, fast 20 Millionen Euro (rund
30 Millionen Franken) Fördervolumen – ein
regionaler Konjunkturimpuls, der Beschäfti-
gung und Umwelt nütze, so Rüdisser. Im
ersten Halbjahr 2009 gab es bereits über
1000 Darlehenszusagen, im gesamten Vor-
jahr waren es 650. (red/pd)
AUS DER REGION
Die Insel ist reif
Island sucht Euro als sicheren Hafen
REYKJAVIK – Der «Althing» strebt
zur EU: Das isländische Parla-
ment wird wohl in den nächsten
Tagen den Weg für Beitrittsver-
handlungen frei machen.
• Christian A. Koutecky
Die sozialdemokratische Regie-
rungschefin Jóhanna Sigurdardóttir
hatte sich seit ihrem Amtsantritt
Anfang des Jahres für einen mög-
lichst zügigen EU-Beitritt einge-
setzt. Die Kritiker sind im «Alt-
hing» in der Minderheit. Die Mehr-
heit für den Beitrittsantrag an die
EU ist so gut wie sicher.
Tempo in der Krise
Grund für die Eile Sigurdardót-
tirs ist die Finanzkrise: War die At-
latnik-Insel noch bis Herbst ver-
gangenen Jahres ein Vorzeigeland
in Sachen Wirtschafts- und Finanz-
management, gleicht sie nun einem
Scherbenhaufen mit reichen Fisch-
gründen, einer riesigen Alumini-
umindustrie und Geysieren.
Die Banken sind nach ihrem Zu-
sammenbruch notverstaatlicht, was
den Staat seinerseits an den Rand
des Bankrotts brachte. Die interna-
tionale Staatengemeinschaft muss-
te mit vielen Milliarden Franken
helfen. Es folgten Bürgerproteste,
die einen Regierungswechsel nach
sich zogen. Eine Besserung ist aber
längst nicht in Sicht. Deshalb wuchs
in dem zuvor EU-kritischen Land
eine Mehrheit derer heran, die ihr
Land in den sicheren Hafen der Ge-
meinschaftswährung Euro führen
wollen. Zeitweise sprechen sich in
Umfragen über 70 Prozent der Is-
länder für einen EU-Beitritt aus.
Zumal die Nordländer derzeit die
Union beherrschen: Seit erstem Juli
hat das skandinavische Bruderland
Schweden die EU-Ratspräsident-
schaft inne. EU-Erweiterungskom-
missar Olli Rehn ist als Finne eben-
falls ein Vertreter Skandinaviens.