INLAND
VOLKSBLATT
5 DONNERSTAG, 18. JUNI 2009
Ohne Wandel keine Zukunft
Liechtenstein muss mehr tun als andere Regionen, um konkurrenzfähig zu bleiben
VADUZ – Wie wird Liechtenstein
im Jahr 2068 aussehen? Diese
Frage kann auch die Studie
«Twentysixtyeight» nicht ab-
schliessend beantworten. Sie lie-
fert aber Denkanstösse und die
Warnung, dass sich einiges än-
dern muss, um gut dazustehen.
• Christian A. Koutecky
Das Auditorium der Hochschule
Liechtenstein war gut besucht, als
die Studie «Twentysixtyeight», die
von S.D. Prinz Michael von Liech-
tenstein und dem Industrie- und Fi-
nanzkontor in Auftrag gegeben
worden war, der Öffentlichkeit vor-
gestellt wurde. Und das Bild, das
«Twentysixtyeight» vom Lichten-
stein der Zukunft zeichnete, moch-
te so manchem Zuhörer überhaupt
nicht gefallen.
Denn Angelus Eisinger, Profes-
sor für Geschichte und Kultur der
Metropole an der Hafencity-Uni-
versität Hamburg, und Alain Thier-
stein, Professor für Raumentwick-
lung an der Technischen Universi-
tät München, kommen im Rahmen
der Studie zu dem Schluss, dass
sich im Fürstentum sehr viel verän-
dern muss, um den Anschluss nicht
zu verlieren. Nicht von ungefähr
trägt die Arbeit der Wissenschaftler
den Namen «Metamorphose 100:
Liechtenstein im Jahr 2068». Ob-
wohl das Fürstentum derzeit besser
dasteht als die meisten anderen Re-
gionen in der Welt, betonte Thier-
stein: «Liechtenstein muss mehr
tun als die anderen.» Denn: «Wenn
wir 2068 erfolgreich sein wollen,
brauche wir hochqualifizierte Men-
schen, die hier arbeiten – aber wol-
len diese Menschen dann auch hier
leben?» Daran hat Thierstein seine
Zweifel, wenn nicht Entschei-
dendes passiert. Für den Wissen-
schaftler steht fest: «Die Erreich-
barkeit anderer Regionen ist besser.
«Im Gegensatz zu den meisten kon-
kurrierenden Regionen ist das Fürs-
tentum nicht an das Eisenbahn-
Hochgeschwindigkeitsnetz ange-
schlossen, was künftig immer pro-
blematischer für das Fürstentum
wird.»
Mit Hauptbahnhof und Zentren
Davon ausgehend, dass Liechten-
stein auch in 60 Jahren erfolgreich
ist, entwarfen Thierstein und Eisin-
ger ein Bild des Landes, das über ei-
nen Bahnhof im Bereich Schaan-Va-
duz verfügt: «Es wird ein Haupt-
bahnhof im Alpenrheintal sein», er-
läutert Eisinger. Ein Bahnhof in ei-
ner Stadt mit 50 000 bis 60 000 Ein-
wohnern. Denn Liechtenstein muss
nach Ansicht der Wissenschaftler
kräftig wachsen: «Wir brauchen eine
kritische Masse. Unter der Schwelle
von 100 000 Einwohnern und 90 000
Arbeitsplätzen ist die Zukunft nicht
zu meistern», prognostiziert Thier-
stein. Neben dem Zentrum Schaan-
Vaduz-Triesen soll eines im Norden
des Landes mit 25 000 bis 30 000
Einwohner entstehen.
Mit dieser These erntete er die
Kritik von Peter Droege, Lehrstuhl-
inhaber für nachhaltige Raument-
wicklung an der Hochschule Liech-
tenstein. «Diese kritische Masse
hat keine wissenschaftliche Grund-
lage. Es sind wahrscheinlich ohne-
hin mehr als 100 000 – aber warum
müssen die unbedingt in Liechten-
stein leben.» Droege betonte, dass
man Liechtenstein nicht isoliert
von den umliegenden Ländern be-
trachten dürfe, sondern ein Be-
wusstsein für die Region schaffen
müsse. Ein Einschätzung, die Thier-
stein und Eisinger, aber auch der
Ökologe und Landschaftsplaner
Mario Broggi teilen. Broggi be-
mängelt, dass es in Liechtenstein
kein Raumplanungskonzept gibt.
Die vier Experten übten den
Schulterschluss darin zu betonen,
wie wichtig es ist, die Ökologie in
der Region zu schonen. Auch in
diesem Punkt kam einhellig die
Aufforderung, das Kirchturmden-
ken zu überwinden und gemeinsam
mit allen, die in der Region leben,
Konzepte zu erarbeiten, um auch in
Zukunft noch eine intakte Natur
vorzufinden. Droege appellierte
obendrein, nicht auf ungezügeltes
Wachstum zu setzen, sondern mit
einem leichten Wachstum einen
Absturz zu verhindern.
Einen Absturz, den auch Eisinger
voraussieht, wenn es zu keiner Neu-
ausrichtung kommt – auch beim
Wohlstand im Lande: «Es sind be-
stimmte Gegebenheiten in den ver-
gangenen 60 Jahren gewesen, die
das möglich gemacht haben. Aber
diese Bedingungen werden in den
nächsten 60 Jahren nicht mehr
sein.» Darum sollte die Zukunft
schon heute beginnen.
Peter Droege, Prinz Michael, Renate Müssner, Angelus Eisinger, Alain Thierstein und Mario Broggi (von links)
bei der Präsentation der Studie von Eisinger und Thierstein im Auditorium der Hochschule Liechtenstein.
FOTO
PAUL
TRUMMER
Markt in Vaduz Am Samstag,
den 20. Juni, findet von 10 bis 13 Uhr der
Rathausmarkt in Vaduz statt. Das Angebot
ist vielfältig: Von erntefrischem Gemüse
über hausgemachte Spezialitäten, Fleisch,
Honig, Milchprodukte, Eier, Brot und Nu-
deln kann alles frisch vom Produzenten ge-
kauft werden. Wer nach dem Einkaufen
noch gemütlich eine Tasse Kaffee oder Tee
trinken möchte, den lädt die Kaffee-Ecke
zum Verweilen ein. Dazu werden feine
hausgemachte Kuchen angeboten. Zudem
werden die Besucher am Mittag vom italie-
nischen Verein mit kulinarischen Köstlich-
keiten verwöhnt. Auf zahlreiche Besucher
freuen sich die Anbieter: Neuguthof Vaduz,
Sarah und Hans Jäger-Roeckle, Bäckerei
Dörig, Bangshof Ruggell, Aeulehof Bal-
zers, Imkerverein Balzers, Gartenbau Jehle,
Gerti Dalla-Rosa und Erna Mettler. (pd)
Sommerliche Fastentage
BALZERS – Neue Lebensenergie durch ei-
nen Wochenkurs zum Thema Lebensener-
gie gibt es im Haus Gutenberg in Balzers ab
Samstag, den 11. Juli, 16.30 Uhr bis Sams-
tag, den 18. Juli, 14 Uhr. Mit den sommer-
lichen Fastentagen werden Menschen ange-
sprochen, die eine ganzheitliche Entschla-
ckung suchen. Körperlich tut sich dies von
selbst in diesen Tagen. Die seelische Befrei-
ung vom üblichen Wohlstandsmüll wird
durch die Befreiung von Fernsehen, Presse,
Natel usw. erreicht. Dadurch werden die
Botschaften der eigenen Seele besser ge-
hört, auch um achtsamer und bewusster zu
leben. Armella Häne-Züger und Pater Lud-
wig Zink blicken auf 20-jährige Fasten-
kurserfahrung zurück und haben eine pas-
sende Tagesstruktur entwickelt. Diese ba-
siert auf therapeutischen Perspektiven und
lässt das alltägliche Gebrauchtwerden spü-
ren und zeigt, wohin die eigene Lebensener-
gie drängt. So werden die Botschaften des
Körpers wieder wahrnehmbar und man
kann ihnen wieder gerecht werden. Die Fas-
tentage bringen einen bedeutenden Ein-
schnitt in die Alltagsgewohnheiten mit sich.
Sich nur mit Flüssigem zu ernähren und die
Zeit teilweise in Schweigen zu verbringen,
fördert die Entschlusskraft. Was einem im
Leben wichtig erscheint, wird gestärkt und
lässt nach den Fastentagen eine tiefe und
neue Freude am Leben entstehen. Körper-
übungen, Feldenkraiskörperarbeit nach Mo-
shé, Besuch im Thermalbad, kleine Wande-
rungen, Arbeit mit Träumen, Meditationen
und Weisheiten des Philosophen Sokrates
runden diese besondere Woche im Haus
Gutenberg ab. Informationen und Anmel-
dungen: Haus Gutenberg, Telefonnummer
388 11 33 oder per E-Mail an gutenberg@
haus-gutenberg.li. (pd)
HAUS GUTENBERG
Eröffnung des Bienenlehrpfads
VADUZ – Am kommenden Montag, den
22. Juni, wird in Vaduz um 18.30 Uhr ein in-
teressanter Bienenlehrpfad eröffnet. Der
Liechtensteiner Imkerverein hat 13 Lehrta-
feln mit Informationen rund um die Imkerei
aufgestellt. Diese bieten nun die Möglich-
keit, sich bei Spaziergängen rund um den
Lehrbienenstand in Vaduz mit der Wunder-
welt der Bienen zu befassen. Ob einzeln, in
Gruppen oder Schulklassen, die Faszinaton
der Bienen erfasst jeden. Unsere Welt ohne
Bienen würde hoffnungslos verarmen. Alles
Interessierten sind zu diesem Anlass einge-
laden. (pd)
Strohmann für einen Betrüger
Geldwäscherei-Prozess gegen 64-jährigen Deutschen endet mit Freispruch
VADUZ – 600 Euro monatliches
Nebeneinkommen, nur für ein
paar Unterschriften als Pro-For-
ma-Geschäftsführer einer Liech-
tensteiner Gesellschaft – mit die-
ser Verlockung sass ein 64-jäh-
riger Deutscher einem österrei-
chischen Grossbetrüger auf.
• Johannes Mattivi
«Ja, ich war blauäugig, und ich hät-
te das Ganze mehr hinterfragen sol-
len», bekannte der Angeklagte vor
dem Kriminalgericht. Aber dass das
Geld auf den Konten der Firma, für
die er zeichnungsberechtigt war, aus
gross angelegten Kreditbetrügereien
stammte, das habe er nicht gewusst.
Fast eineinhalb Jahre nicht, obwohl
ihn zuweilen Skepsis beschlich. Bis
die Sache durch einen betrogenen
Kunden aufflog – und der betrüge-
rische Geschäftspartner derweil über
alle Berge war.
Wortgewandter Gauner
Der Angeklagte, ein aus Tsche-
chien emigrierter Sudetendeut-
scher, arbeitete in Deutschland zu-
nächst als angestellter Konstrukteur,
dann betrieb er zusammen mit seiner
Frau ein Übersetzungsbüro für
deutsch-tschechische Betriebsanlei-
tungen. Das Geschäft lief nicht be-
sonders gut, ein Zusatzeinkommen
war also mehr als willkommen. In
der «Prager Zeitung», die der Exil-
Tscheche immer noch regelmässig
las, entdeckte er im Frühjahr 2001
ein Inserat: Eine angebliche Gruppe
von vier bis fünf Industriellen
suchten einen Pro-Forma-Geschäfts-
führer, der für sie eine Sitzgesell-
schaft in Liechtenstein betreiben
sollte, über die steuerschonend die
Einnahmen aus irgendwelchen iT-
Geschäften abgewickelt werden
sollten. Ganz legal und ohne Risiko.
Auf seine E-Mail bekam der
Mann eine Weile später die Einla-
dung zu einem Vorstellungsge-
spräch im Hotel Hilton in Wien.
Sein künftiger Chef, ein 50- bis 60-
jähriger Oberösterreicher, der sich
als «Roland Rödinger» vorstellte,
erwies sich als charmant, versiert
und sehr wortgewandt, und er orga-
nisierte in weiterer Folge auch alle
Geschäftstätigkeiten, in die er den
Exil-Tschechen hineinzog.
In Liechtenstein wurde über ei-
nen Treuhänder eine nicht-tätige
Aktiengesellschaft erworben, in
Wien auf einer Bank ein Konto er-
öffnet – alles auf den Namen des
Exil-Tschechen, der später auch für
mehrere Bargeldbehebungen in der
Gesamthöhe von 225 000 Euro sei-
ne Unterschrift hergab. Seinen Mo-
natslohn für die Strohmanntätigkeit
bekam der Tscheche anschliessend
immer in bar ausbezahlt.
Freispruch und Berufung
«Ich wollte schon mehrmals Ge-
naueres über Herrn Rödinger wis-
sen, aber die Treffen waren selten
und stets kurz», sagte der Angeklag-
te. Meistens wurde per E-Mail kom-
muniziert. Als die Sache im Dezem-
ber 2002 aufflog, wurde klar: Herr
«Rödinger» – ein bis heute nicht ge-
fasster Betrüger – hatte von etwa 15
Kunden Provisionen für angeblich
günstige Kreditgeschäfte ergaunert
und sich hinter der Identität seines
Pro-Forma-Geschäftsführers ver-
steckt. Das Gericht glaubte dem An-
geklagten, nicht gewusst zu haben,
dass die Gelder aus verbrecherischen
Tätigkeiten stammen und sprach ihn
vom Vorwurf der Geldwäscherei
frei. Die Resteinlagen der Liechten-
steiner Schein-AG (8000 Euro) ver-
fallen zugunsten des Staates, auch
der Rest des Wiener Kontos (844
Euro), das der Angeklagte noch ab-
gehoben hatte. Der Staatsanwalt
kündigte Berufung an. ANZEIGE