INLAND
VOLKSBLATT
3 FREITAG, 6. MÄRZ 2009
Magerheu hilft in der Not
Harter Winter: Notfütterung für das Rotwild in Liechtenstein hat begonnen
SCHAAN – Der Winter war hart,
zumindest härter als in den ver-
gangenen Jahren. Schwere Be-
dingungen – auch für das Rot-
wild. Darum werden die Tiere mit
Nahrung versorgt.
• Christian A. Koutecky
Eigentlich herrscht in Liechtenstein
seit gut fünf Jahren ein Fütterungs-
verbot für Rothirsche – aber der
strenge Winter macht es möglich:
«Seit 22. Januar findet die Notfüt-
terung statt. Die Kriterien des Not-
fütterungskonzeptes sind wegen
des frühen Wintereinbruchs erfüllt,
weshalb sich das Jagdbüro dazu
entschlossen hat», erklärt Wolfgang
Kersting von der Jagd-Abteilung
des Amtes für Wald, Natur und
Landwirtschaft (AWNL).
Wenn es den Tieren witterungs-
bedingt kaum noch möglich ist,
nach Futter zu suchen und sich
selbst zu ernähren, ist es den Jägern
ab frühestens 15. Januar erlaubt,
das Wild mit Magerheu zu versor-
gen: Dem Amt geht es darum, «den
Hungertod von Wildtieren bei Ex-
trembedingungen zu verhindern
und das Wild mittels Notfuttervor-
lage von Siedlungen und viel be-
fahrenen Strassen fernzuhalten».
Die Fütterung mit Magerheu soll
sicherstellen, dass die Hirsche,
ebenso wie Rehe und Gamsen, trotz
des immer kleiner werdenden Le-
bensraums die Chance haben, et-
was in die Mägen zu bekommen.
Während sie früher im Winter noch
Zuflucht in den Auen suchen konn-
ten, müssen sie heute mit deutlich
härteren Bedingungen in höheren
Lagen zurechtkommen.
Wobei die heimischen Wildtiere
im Winter nicht besonders an-
spruchsvoll sind: «Die Ruhe vo-
rausgesetzt, kommen die Tiere mit
einem absoluten Minimum an Nah-
rung zurecht», erläutert Kersting.
Diese Ruhe ist heuer aber kaum
noch gewährleistet. «Vor allem die
Schneeschuhwanderer machen uns
Probleme», sagt Kersting. So schre-
cken die Wintertouristen das Wild
immer wieder auf. Die Fluchttiere
sind jedoch auf solche Störungen
nicht eingestellt. Die Organismen
der Wildtiere sind im Winter darauf
ausgelegt, möglichst wenig Energie
zu verbrauchen. Die Muskulatur ist
nur schwach durchblutet, der Kreis-
lauf läuft auf Sparflamme. Werden
sie in dieser Phase in die Flucht ge-
trieben, sinken ihre Überlebens-
chancen drastisch. Deshalb appel-
liert Kersting an die Rücksicht der
Wintersportler.
Fütterungsverbot einhalten
Auch wenn es bisweilen schwer
fällt, die «Hungersnot» der Hirsche
und Rehe zu akzeptieren, ist es
nach Ansicht Kerstings eine Not-
wendigkeit, sich auf die Notfütte-
rung zu beschränken und keine an-
deren Futterstellen auszulegen.
Denn dass AWNL verfolgt mit sei-
nem Fütterungsverbot mehrere
Ziele. Eines davon ist mittlerweile
Teil der Zusammenarbeit zwischen
Jägern in Liechtenstein und Vorarl-
berg: «Unser Konzept sieht vor,
dass die Tiere den kompletten Le-
bensraum nutzen. Das machen sie
nicht, wenn sie Futter riechen.
Dann bleiben sie immer in der Nä-
he der Futterstellen», sagt Kersting.
Um die Wanderbewegungen des
Wilds zu verfolgen, werden die
Tiere in Liechtenstein und Vorarl-
berg mit Sendern ausgestattet, die
eine Ortsbestimmung ermöglichen
sollen.
Ein weiterer Nachteil vieler Fut-
terstellen ist, dass sie nicht auf das
Verdauungssystem der Tiere abge-
stimmt sind. So befinden sich im
Magen eines Rothirsches Mikroor-
ganismen, die ihm im Winter hel-
fen, das raue und abgestandene
Grasfutter zu verdauen. Wenn das
Tier aber energiereichere Nahrung
bekommt, benötigt es auch mehr
Energie, um das Futter zu verarbei-
ten. Der Magen übersäuert, der
Wald muss dran glauben. Denn die
Hirsche versuchen, das Sodbrennen
mit dem Verbiss von Strauch- und
Baumtrieben oder mit dem Schälen
von Baumrinden unter Kontrolle zu
kriegen.
Durch die Wanderbewegung des
Rotwilds sollen somit auch Biss-
schäden am Forst verhindert wer-
den, die speziell in der Nähe der
Futterstellen zu finden sind.
Obendrein leiden, laut Kersting,
schwache Tiere mehr unter der
künstlichen Winterfütterung, als
dass sie davon profitieren. «Die
soziale Struktur ist bei Hirschen
stärker als der Hunger. Das führt
dazu, dass an den Futterstellen zu-
nächst die starken Tiere fressen.
Diese laufen dann weg – und die
schwächeren Tiere folgen ihnen,
ohne gefressen zu haben.» Die
starken Tiere haben genügend
Energie, um zu laufen, während
die schwachen, vollkommen ent-
kräftet, Energieleistungen bringen
müssen, die ihrem Zustand nicht
entsprechen.
Auf der Suche nach Futter wandert ein Rudel durch den Schnee.
FOTO
VMH
25 Jahre Frauenwahlrecht –
grosse Ausstellung in Vaduz
VADUZ – Am Sonntag, den 8. März, dem
Internationalen Tag der Frau, wird um 11
Uhr die Ausstellung «100 Jahre Frauen-
wahlrecht in Europa – 25 Jahre in Liechten-
stein» im neuen Landtagsgebäude in Vaduz
eröffnet. Ein repräsentativer Querschnitt der
Ausstellung des Frauenmuseums Bonn
«Mit Macht zur Wahl – 100 Jahre Frauen-
wahlrecht in Europa» wird vom 8. März bis
zum 4. Juli 2009 im Landtagsgebäude ge-
zeigt. Mit der Konzeption dieser Bonner
Ausstellung wurde erstmals der Versuch un-
ternommen, die Geschichte des Frauen-
wahlrechts im europäischen Vergleich dar-
zustellen. Entstanden sind dabei Portraits
zur Geschichte des Frauenstimmrechts und
über deren Protagonistinnen aus 23 europä-
ischen Ländern. Vor dem Landtagsgebäude
wird die Ausstellung zu «25 Jahre Frauen-
stimmrecht in Liechtenstein» gezeigt. Auf
und in Planhäusern werden historische Ma-
terialien – aus dem Kampf um das Frauen-
stimmrecht bis hin zur Einführung, aus ver-
gangenen Jubiläumsveranstaltungen und
aktuellen Aktionen – präsentiert. (pafl)
Informationen über SPES I
VADUZ – «Schule heute», die Zeitschrift
des Schulamtes für die Eltern und die Leh-
rerschaft, wird in diesen Tagen per Post zu-
gestellt. Schwerpunkt bildet aus Aktuali-
tätsgründen das Thema SPES I. Mit dieser
Ausgabe von «Schule heute» können sich
gemäss Aussendung des Presseamts alle In-
teressierten weitere Informationen darüber
verschaffen, wie sich gemäss Beschluss des
Landtages vom November 2008 die neue
Sekundarschule entwickeln wird. «Schule
heute» kann von allen Interessierten auch
über die Internetseite www.spes.li oder di-
rekt beim Schulamt bezogen werden. (red)
AUS DER REGIERUNG
Fahrzeug ging in Flammen auf
TRIESENBERG – In Triesenberg ist es
am Donnerstagmorgen zu einem Fahrzeug-
brand gekommen. Kurz nach 9 Uhr fing der
Motorraum eines beim Dorfplatz parkierten
Personenwagens Feuer. Die ausgerückte
Feuerwehr Triesenberg konnte das bren-
nende Auto löschen. Verletzt wurde nie-
mand, am Fahrzeug entstand jedoch Total-
schaden. (lpfl)
Einbruchversuch in Schulhaus
– Ladendieb in Schaan gefasst
SCHELLENBERG/SCHAAN – Erneut
hat eine unbekannte Täterschaft versucht, in
ein Schulgebäude, dieses Mal in Schellen-
berg, einzubrechen. Die Täterschaft schei-
terte in der Nacht auf Mittwoch im Vorha-
ben, bei der Primarschule ein Fenster aufzu-
hebeln. In Schaan wurde ein 21-jähriger La-
dendieb auf frischer Tat ertappt. Der Mann
war am Mittwochnachmittag im Begriff, Le-
bensmittel und andere Produkte aus dem La-
den zu entwenden. (lpfl)
POLIZEIMELDUNGEN
Angst vor dem Unbekannten
Latente Abwehrhaltung gegenüber Fremden in Liechtenstein
SCHAAN – Liechtensteins Bevöl-
kerung ist grösstenteils offen
für Zuwanderer. Allerdings be-
steht gegenüber fremden Kul-
turen dennoch eine gewisse Ab-
wehrhaltung.
• Stefan Lenherr
Eine kürzlich veröffentlichte
Schweizer Studie bringt zutage,
dass über 50 Prozent der Bevölke-
rung Fremdenangst haben. Islamo-
phobie zeigte sich bei 30 Prozent,
antisemitische Einstellungen bei
rund 20 Prozent. «Ich gehe davon
aus, dass man diese Zahlen in etwa
auf Liechtenstein übertragen kann,
da wir der Schweiz kulturell nahe
stehen und die Ausländerthematik
in etwa die Gleiche ist», sagt Lud-
wig Frommelt, vom Amt für Sozi-
ale Dienste und Mitglied der Ge-
waltschutzkommission der Regie-
rung. «Die in der Studie veröffent-
lichten Zahlen sind zum Teil schon
beängstigend.»
Das «perfekte» Feindbild
Auch in Liechtenstein bestehe ei-
ne latente Abwehrhaltung gegenüber
Fremden. Besonders zu spüren bekä-
men diese ablehnende Haltung Men-
schen mit türkischen Wurzeln und
Einwanderer aus dem ehemaligen
Jugoslawien. «Wenn der Name mit
‹ic› endet, hat man es unter Umstän-
den schwerer, eine Arbeitsstelle zu
bekommen», sagt Frommelt. Diese
Menschen würden dem Feindbild
am meisten entsprechen, haben sie
doch einen anderen kulturellen Hin-
tergrund, kleiden sich anders (z. B.
Kopftuch) und sprechen eine kom-
plett andere Sprache. «Sich bei-
spielsweise mit Spaniern oder Italie-
nern einzulassen, fällt unserer Kultur
anscheinend wesentlich leichter.»
«Erstaunliche Offenheit»
Ein recht positives Bild zeichnet
eine andere Studie zu Rassismus und
Diskriminierung von Ausländern in
Liechtenstein, erhoben vom Liech-
tenstein-Institut (Marxer 2007). Fa-
zit: «Im Vergleich zur schweize-
rischen und deutschen Bevölkerung
zeigt die liechtensteinische Gesell-
schaft eine erstaunliche Offenheit im
Hinblick auf die Integration von Zu-
wanderern.» Die Skepsis gegenüber
der Zuwanderung sei weit weniger
verbreitet als in der Schweiz und
Deutschland. Nur eine Minderheit
meine, dass Zuwanderer die Krimi-
nalitätsrate erhöhen, den Einheimi-
schen die Arbeitsplätze wegnehmen
und dass der Staat zu viel Geld für
die Zuwanderer ausgibt. Dieses Er-
gebnis dürfte auch darauf zurückzu-
führen sein, dass die liechtenstei-
nische Wirtschaft auf ausländische
Arbeitskräfte angewiesen ist, das
Land eine relativ kleine Arbeitslo-
senquote aufweist und die Krimina-
litätsrate vergleichsweise gering ist.
Fremdenfeindliche Tendenzen ha-
ben ihren Ursprung oft in sozialer
Benachteiligung. Wer beispielsweise
Angst vor einem Jobverlust haben
muss, tendiert eher dazu, den Aus-
ländern den Stempel des Sünden-
bocks aufzudrücken. «Gebildete
Menschen differenzieren diesbezüg-
lich nicht nur meist besser, sie haben
auch bessere Chancen auf dem Job-
markt», sagt Frommelt.
Direkter Kontakt wichtig
Doch auch der direkte Kontakt mit
Ausländern kann für die Haltung
ausschlaggebend sein. «So hat eine
deutsche Studie gezeigt, dass Schü-
ler von durchmischten Klassen,
Fremden offener gegenüberstehen,
als wenn die Einheimischen unter
sich blieben. Wer sich auf Mit-
menschen aus anderen Kulturen ein-
lässt, der driftet auch weniger in die
Fremdenfeindlichkeit ab», erklärt
Frommelt.
Gegenüber fremden Kulturen be-
steht eine latente Abwehrhaltung.