Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

MONTAG, 28. NOVEMBER 2005 
blâTI INLAND 3 STIMMEN NACH ENTSCHEID Regierungschef Hasler: «Ein klares und gutes Zeichen» Regierungschef Otmar Hasler: «Erstens bin ich erleichtert, dass die Stimmbeteiligung bei deutlich über 50 Prozent lag, die Bevölke­ rung hat die Wichtigkeit des Themas also durchaus erkannt. Zweitens ist es sicherlich als positiv zu werten, dass nicht beide Vorla­ gen abgelehnt wurden. Die Bevölkerung hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Recht auf Leben und die Menschenwürde in der Verfassung verankert haben will, das ist ein klares und gutes Zeichen. Über die Höhe des Ergebnisses bin ich doch überrascht. Aus diesem klaren Volksentscheid lese ich heraus, dass der umfassende Schutz des Lebens ein zentrales Anliegen ist.» Auf die Frage, wie es nun weiter gehen soll, sagte Regierungschef Hasler: «Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht zwar nicht, aber die Politik wird die Diskussionen, die im Vorfeld geführt worden sind, aufnehmen und dement­ sprechend hinterfragen müssen, wo Hand­ lungsbedarf besteht. Wichtig ist, dass alle Kräf­ te aufgefordert sind, über die angeschnittenen Themen einen emsthaften Dialog zu führen. Die Zivilgesellschaft und der Staat sind in der Verpflichtung, dort wo es um die Fragen der Geburt und des Alters geht, Hilfestellung und Beratung zu geben. Wir haben in Liechtenstein die Möglichkeit, auch in diesen Bereichen Lö­ sungen zu suchen, die vorbildlich sind. Insge­ samt geht es darum, dass die Familie in den Mittelpunkt der Politik gestellt wird.» (MF) Markus Walser, Generalvikar: «Aus dem Resultat ergibt sich für mich gar kein Fazit. Die Auffassung der Kir­ che bleibt und der Standpunkt der Kir­ che 
ist klar. Der Gegenvorschlag ist eine leere Hülle. Dieser wird nun von der Politik zu konkretisieren sein. Die Gesetzgebung ist nicht Sache der Kirche.» (pk) Christa Eberls, Vorsitzende der «Frauen in der FBP»: «Über das Resultat bin ich sehr froh. Man darf dieses nur keinesfalls als Freipass für ei­ ne Fristenlösung nach schweizerischem Mo­ dell sehen. Die Diskussion um Schwanger­ schaftskonflikte muss nun intensiv weiterge­ führt werden, die Frauen in der FBP werden das Modell <Lebensschutz plus» vermehrt in den Vordergrund stellen.» 
«Eindeutiges Ergebnis» Stimmen und Reaktionen nach dem Volksentscheid SCHAAN - Das klare Abstim­ mungsresultat dürfe nicht als Freipass für eine reine Fristen­ lösung nach schweizerischem Modell betrachtet werden, so Stimmen aus der Politik. Das Initiativkomitee «Für das Leben» sieht die Lösung der Fragen nun bei den Behörden. • Petw Klndl e Nachfolgend die Reaktionen: Markus Büchel, FBP-Fraktionssprecher: Das Ergebnis ist natürlich sehr erfreulich und bestätigt den Land­ tag, dass der Gegenvorschlag zur Initiative «Für das Leben» einer­ seits nötig, andererseits auch gut durchdacht war und darum entspre­ chend breit unterstützt wurde. Es zeigt auch, dass der Landtag derar­ tig 
wichtige Themen über die Par­ teigrenzen hinaus angehen muss. Ich freue mich natürlich auch darü­ ber, dass der Gegenvorschlag im Volk so grosse Resonanz gefunden hat. Das Resultat bestätigt dies. Die Höhe des Resultates ist für mich eine Überraschung. Jedes Er­ gebnis über 60 Prozent wäre ein 
sehr gutes Ergebnis gewesen. Die Intention der Initianten, näm­ lich den Schutz des Lebens und ins­ besondere des Ungeborenen ist selbstverständlich auch das Grund­ anliegen des Gegenvorschlages. Der Landtag, aber auch die Bevöl­ kerung haben nun die Möglichkeit, die einzelnen Themen je nach Dringlichkeit anzugehen und die Diskussion in den Bereichen Schwangerschaftskonflikte und Sterbehilfe zu führen. Dieser Pro- zess wird nun in den einzelnen Gruppierungen und Parteien disku­ tiert werden. Es ist zu erwarten, dass es mittelfristig Vorstösse für Neuregelungen und Gesetzesände­ rungen geben wird. Die Diskussion ist 
mit der Annahme des Gegenvor­ schlages weiterhin offen. Die An­ nahme des Gegenvorschlags öffnet nicht 
automatisch Tür und Tor für eine Liberalisierung in Sachen Strebehilfe oder Schwangerschafts­ abbruch,' sondern ist eine Chance, nach Lösungen zu suchen, die von klaren Mehrheiten der Demokratie getragen und dem Grundanlicgen gerecht werden. Doris Beck, VU-FrakHonssprechertn: Ich freue mich sehr Uber diese eindeutige Ergebnis. Der hohe Stimmenanteil für dfcn Gegenvor­ schlag des Landtags zeigt, dass das Engagement des Landtags gewür­ digt wurde und dass Vertrauen in die Politik besteht. Im August noch habe ich mir ein solches Resultat, wie nun feststeht, vorstellen können. In den vergan­ genen Wochen konnte ich die 
Situation aber kaum mehr einschät­ zen. Ich bin schon etwas skeptisch in das Wochenende gegangen. Für den Dezember erwarte ich mir eine Verschnaufpause für die­ ses Thema, dann wird die Politik gefordert sein, einen Aktionsplan aufzustellen, der die nächsten Schritte festlegt. Es wird auch zu diskutieren sein, ob nicht die Re­ gierung einen Bericht und Antrag erarbeitet. Selbstverständlich haben auch andere Gruppierungen die Möglichkeit, sich der Fragen anzu­ nehmen. Wichtig ist, dass für die Klärung der Fragen alle mit einbe­ zogen werden. Claudia Heeb-Fleck, FL: Ich freue mich sehr über den klaren Entscheid. Liechtenstein ist wesentlich toleranter und offener als die Initianten. Das Resultat be­deutet 
für mich eine Absage an christlich-fundamentalistische Ins­ titutionen. Es ist eine Bestätigung für die Politik, Volk und Politik sind näher zusammengerückt. Ich denke, jetzt liegt es an der Politik, die sich stellenden Fragen zu beant­ worten. Vorlagen zu den Themen Schwangerscfiaftsabbruch und Sterbehilfe sind vom Landtag aus­ zuarbeiten und dem Volk direkt zur Abstimmung vorzulegen. In der Diskussion sollte nun nicht zu viel Zeit verstreichen, da zum Thema Schwangerschaftskonflikte verschiedene Lösungen vorhanden sind. Die Zeit ist reif für eine Ent­ scheidung. Beim Thema der Ster­ behilfe sehe ich aber noch keinen so grossen Handlungsbedarf. Brigitte Feger, Initiative «Für das Laben»: Der demokratische Entscheid ist zu akzeptieren. Für Rückschlüsse aus diesem Entscheid ist es noch zu früh. Dass wir enttäuscht sind, kann man so nicht sagen, wir ha­ ben uns keine Prognose in dieser differenzierten Fragestellung ge­ macht. Zu der weiteren Diskussion können wir nicht mehr viel sagen, dies ist den Behörden überlassen. «Nicht mehr und nicht weniger» Warum Erbprinz Alois über das klare Abstimmungsergebnis nicht überrascht ist VADUZ - Unmittelbar nach der Rückkehr aus dem Ausland stand Erbprinz Alois dem Volks­ blatt im Rahmen eines Telefon­ interviews Rede und Antwort. « Martin Fnimmat t Volksblatt: Das Fürstenhaus hat ein Doppeltes Ja empfohlen: Sind Sie überrascht über das deutliche Nein zur Initiative und das ebenso deutliche Ja /um Gegenvorschlag? Erbprinz Alois: Ich habe immer gesagt, dass ich mich freuen würde, wenn beide Vorschläge möglichst gut abschneiden. Es ist sicher nicht überraschend, dass der Gegenvor­ schlag deutlich besser abgeschnit­ ten hat, da sich ja alle drei Parteien dafür ausgesprochen haben. Hat sich Liechtenstein nun für - wie es seitens des Erzbistums im Vorfeld bezeichnet wurde - eine «Unkultur des Todes» entschei­ den? Liechtenstein hat sich dafür ent­ schieden, den Schutz des Lebens und der Menschenwürde in der Verfassung zu verankern. Mit diesem Schritt ist vom Ge­ setzestext her keine Kultur des To­ des verbunden. Die Frage ist aber sicherlich, was das Volk in Zukunft macht. Wie interpretieren Sie das klare Abstimmungsergebnis? Dass das Volk sich klar dafür ausgesprochen hat, diesen Schutz des Lebens und der Menschenwür­ de, wie wir ihn heute schon ken­nen, 
explizit in der Verfassung zu verankern. Nicht mehr und nicht weniger. Was ist als Ergebnis der beiden Vorlagen und dieses klaren Ab­ stimmungsergebnisses nun der Auftrag an die Politik? Der Auftrag ist, das Leben und die Menschenwürde so wie schon heute weiterhin bestmöglich zu schützen. Was bedeutet das Ergebnis im Hinblick auf die Frage der Neu­ regelung der Thematik Schwan- gerschaftskonflikt/Fristenlö- sung? Gerade die Befürworter des 
Gegenvorschlags haben immer wieder explizit gesagt, dass diese Abstimmung nichts mit der Frage der Fristenlösung zu tun hat. Wenn man 
sich den Text des Verfassungs- vorschlags anschaut, dann ist das auch so. Unter den Befürwortern des Gegenvorschlags gibt es Befür­ worter und Gegner einer Fristenlö­ sung, von daher kann man jetzt keine Rückschlüsse machen. Wie stehen Sie einer Schweizer Lösung der Fristenregelung gegenüber? Das Thema Fristenlösung ist aus meiner Sicht jetzt nicht aktuell, da­ her möchte ich mich derzeit auch nicht dazu äussern. 
Nicht überrascht: Erbprinz Alois. Die Ergebnisse in den Gemeinden Balzers war am deutlichsten für den Gegenvorschlag Vaduz Balzers Planken Sch aan Triesen 
Stimmbeteiligung < 61,2 68,6 73,3 66,2 58,8 Triesenberg Eschen Gamprin Mauren Ruggell Schellenberg 
55,3 63,7 67,3 63,4 80,7 71,0 64,2 )
	        

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