Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

SAMSTAG, 29. OKTOBER 2005 
BÜatI INLAND 3 2. LIECHTENSTEIN-DIALOG Bildimpressionen vom 2. Liechtenstein-Dialog in Vaduz Sloweniens Aussenminister Dimttrf] Rüpel, Matthias Voigt, Ernst Walch und Botschafter S. D. Prinz Nikolaus. / Walter B. Wohlwend (links) und Fritz Kaiser. 
Rita Kieber-Beck, Valerie J. McNevin und Heinrich Henckel von Donnersmarck (CEO SWX Swiss Exchange). •JE »T Heinz Nipp (links), LGT-Vorsitzender Private Banking Asien, und Sir Gavyn Arthur. 
• • Gegen Uberregulierung Was der Schweizer Bundesrat Christoph Blocher am Liechtenstein Dialog sagte VADUZ - Sich gegen die Tendenz in Richtung Überregulierung wehren: Dies war gestern eine der Hauptbotschaften von Bun­ desrat Christoph Blocher am Liechtenstein-Dialog in Vaduz. • Martin Frömmelt Vor seinem Auftritt sagte der Vorste­ her des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes 
gegenüber Radio Liechtenstein, unser Land se­ he sich bei der Globalisierung der Finanzmärkte einer ähnlichen Her­ ausforderung wie die Schweiz gegenüber. Christoph Blocher: «Man muss sehen, dass bei diesen globalisierten Finanzmärkten die Konkurrenz zugenommen hat. Die ganz grossen Finanzplätze wie Lon­ don oder die USA versuchen natür­ lich, die Kleinen, die doch eine star­ ke Stellung haben, und dazu gehö­ ren Liechtenstein und die Schweiz, in die Zange zu nehmen. Du müssen wir einfach auf der Hut sein und nicht alles schlucken, was man von uns verlangt.» «Gewisse Transparenz» Gefragt nach einem Rat, wie sich ein kleiner Finanzplatz wie Liech­ tenstein heute behaupten könne, sagte Blocher gegenüber dem Lan­ dessender: «Wichtig ist natürlich, dass der Finanzplatz sauber ist, denn dann ist man weniger angreif­ bar. Zweitens er braucht auch eine gewisse Transparenz darüber, was man macht, damit man nicht das Opfer von Machenschaften wird.» Entrümpeln Anschliessend auf dem 
Dialog-Humor 
Ist, wenn man trotzdem lacht: Bundesrat Christoph Blocher. Podium kritisierte Bundesrat Blo­ cher, die öffentliche Verwaltung und die Politik neigen dazu, immer mehr Überregulierungen zu ent­ wickeln. Er kritisierte aber auch, dass die Verbände, zum Beispiel die Schweizer Bankenvereinigung, hier fröhlich mitmachen. Wie er ausführte, sollte man nach den Be­ reich der Regulierungen vereinfa­ chen und entrümpeln. Krankhafte Überregulierung Dialog-Gesamtleiter Ernst A. Brugger freute sich, dass Bundesrat Blocher mit den Erkenntnissen des ersten Dialog-Tages stark überein­ gestimmt hat, dass man eigentlich jede Regulierung bezüglich Auf­ wand und Ertrag testen müsste. Brugger: «Er brachte, das Beispiel den «Sarbanes Oxley Act> der USA, 
was wirklich eine Überregulierung ist, über die alle stöhnen. Bundesrat Blocher sagte, dass das schon fast eine krankhafte Überregulierung sei, die nur schade und das System ineffizient mache.» Effizient nutzen Entrümpeln ist ja gut und recht, aber ist der nationale Spielraum da­ für nicht zu beschränkt? 
Dazu Ernst A. Brugger: «Ich habe hier eine et­ was andere Meinung als Bundesrat Blocher. Selbstverständlich sind in einer globalen Wirtschaft interna­ tionale Spielregeln notwendig. Die Frage ist, was international be­ stimmt sein muss und wie viel Raum für die nationale Gesetzge­ bung und Praxis übrig bleibt. Mei­ ner Meinung nach nimmt der Raum für den nationalen Teil eher ab. 
das 
bestätigte übrigens auch Herr Blo­ cher, aber dieser Spielraum wird nie null sein. Insofern haben Län­ der wie die Schweiz und Liechten­ stein den Auftrag, den Manövrier­ spielraum effizient und transparent zu nutzen, denn das Ziel der Regu­ lierung ist in der Regel die Vertrau­ ensbildung. Für einen Finanzplatz ist die entscheidende Dimension, ob die Marktteilnehmer Vertrauen in den Finanzplatz haben. Dies wiederum hängt natürlich davon ab, ob diese Regeln gerade auch auf dem nationalen Niveau transparent, effizient und für die Zukunft bere­ chenbar sind. Jeder Staat hat si­ cherlich einen Spielraum, den er im Sinne eines Wettbewerbsvorteils besonders geschickt nutzen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist Luxem­ burg, das 
innert einer kurzen Zeit­ spanne von ungefähr zehn Jahren, DER Platz für das Fondsgeschäft geworden ist.» Untypischer Blocher Bemerkenswert schliesslich, dass Bundesrat Blocher von der direkten Demokratie sagte, dass diese ein Hemmschuh sein könne, denn wenn man Missregulierungen kor­ rigieren müsse, dauere dies in den USA ein halbes Jahr und in der Schweiz fünf Jahre. Ernst A. Brug­ ger: 
«Mich hat überrascht, dass er diesen Punkt gebracht hat, denn ei­ gentlich 
hat er sich damit seinen normalen Grundaussagen eher widersprochen. Meine persönliche Meinung dazu: Allzu rasche An­ passungsmöglichkeiten schaffen Unberechenbarkeit. Darum ist es sehr wichtig, dass man Neurege- Jungen sehr sorgfaltig prüft.» Alle müssen zum Dialog mit am Tisch sitzen Li-Dialog: Zu engmaschiges Regulierungssystem würde Wirtschaft abwürgen VADUZ - Kleine Länder wie klei­ ne Unternehmen haben andere Bedürfnisse als grosse. Dies gelte es beim Dialog über Fi­ nanzmarktregulierung zu be­ rücksichtigen, sagt Richard T. McCormack, Berater des Zen­ trums für Strategische und Internationale Studien in den USA. • Kornslia Pfeiffer Trug als versierter Gesamtleiter wesentlich zum Erfolg des 2. Liechtenstein-Dialogs bei: Ernst A. Brugger. 
Volksblatt: Herr McCormack, die Finanzmarktregulierungen in Europa 
sind sehr komplex. Die Angst wächst, dass Finanzindust­ rie und Finanzmärkte im inter­ nationalen Wettbewerb an Land verlieren. Was ist zu tun? Richard T. McCormack: Stän­ dig Kosten und Nutzen von Regu­ lierung überprüfen und zwischen Ideal und Wirklichkeit abwägen. Sorgfältig im Auge behalten müs­ sen alle Länder auch einen der 
dy­ namischsten Wirtschaftsbereiche: die kleinen Unternehmen, die von Überregulierung stranguliert wer­ den, bevor sie wachsen können. Man darf die Kosten der Regulie­ rung 
nicht nur an grossen Firmen wie Siemens oder General Elec­ tric messen, sondern auch an klei­ nen Starlup-Unternehmen. Sie sind das Potenzial der Zukunft und das gilt für alle Länder auf al­ len Kontinenten. Wie wichtig ist Selbstregulie­ rung? In jedem Erdteil gibt es de facto Banksysteme, die ausserhalb der normalen Leitlinien ablaufen. So 
Richard T. McCormack: Der Preis für Unternehmen, die Unregelmässig­ keiten dulden, ist hoch. existieren in China informelle Netzwerke, über die Milliarden von Dollars abgewickelt werden. Hier stellt sich die Frage, ob solche Sys­ teme überhaupt regulierbar sind. Hinzu kommt, dass ein engmaschi­ ges System, das jede mögliche kri­ minelle Handlung einbezieht, jede Wirtschaft der Welt abwürgt. Ande­ rerseits bezahlen ja gerade die Ak­ tionäre der einzelnen Unternehmen einen 
hohen Preis für kriminelle Aktivitäten. Dulden sie Unregel­ mässigkeiten, verlieren sie Auf­ träge und ihren guten Ruf, das wertvollste Gut überhaupt. Ein Me­ chanismus 
der Selbstregulierung bringt also nur Vorteile. 
Mit welchen Risiken sind die eu­ ropäischen Finanzmärkte kon­ frontiert? In Europa sehen wir eine fort­ schreitende Steucrproblematik. Wenn Menschen das Vertrauen in die Verlässlichkeit nationaler Statistiken verlieren, führt das zu politischen Verwicklungen. Dann kommen Fragen auf, wohin dieses europäische Projekt führt, wodurch letztlich auch der Euro unter Druck kommt. Es hängt also viel davon ab, wie zuverlässig die Zahlen sind über Steuereinnahmen und Staats­ ausgaben. Ich denke da an Deutschland, Italien, Griechenland und andere Länder, wobei die grös­seren 
Länder als gute Beispiele vorangehen sollten. Wie steht es um internationale Standards in den asiatischen Fi­ nanzmärkten? Hier gilt der Satz: Regulierung, die nicht durchgesetzt wird, ist kei­ ne Regulierung. Man kann interna­ tionale Standards per Vertrag unter­ zeichnen. Wenn diese aber ignoriert werden, existiert Regulierung de facto nicht. Das Gesetz existiert je­ doch ohne Gesetzeswirklichkeit. Während das Problem in Europa ei­ ne leichte Überregulierung ist, fehlt es in Asien am Beharren auf Stan­ dards, von denen man sagt, sie ein­ halten zu wollen. Das Gleichgewicht zu halten zwi­ schen Finanzmarktregulierung und wirtschaftliche Freiheit - wie ist das möglich? Die Finanzindustrie setzt sich zusammen aus vielen verschiede­ nen Geschäftszweigen, vielen ver­ schiedenen Unternehmenskultu- ren, vielen nationalen Systemen. Eine Lösung für alle gibt es nicht, hier muss man flexibel handeln. Es hat mich berührt, wie sehr sich kleine Länder von grossen unter Druck gesetzt fühlen. Jedes Land sollte sorgsam damit umgehen, dass kleine Länder andere Bedürf­ nisse haben als grosse und kleine Unternehmen andere als grosse. Dazu muss ein intensiver Dialog stattfinden zwischen allen Teilen des Systems, um sicherzustellen, dass jeder zu seinem Recht kommt und nicht unnötige Strafen ver­ hängt werden.
	        

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