Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

VOLKS BLATT DIE WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN FÜR LIECHTENSTEIN DIENSTAG. 25. OKTOBER 2005 
SEITE 9 IMPULSE Was sich die Schwei­ zer Wirtschaft bezüg­ lich des EU-Beitritts- kandidaten Bulgarien erhofft. 1Q 
BEDENKEN Weshalb bei Schweizer Versicherungen die Al­ tersvorsorge Bedenken auslöst und wo Heraus­ forderungen warten. 11 
HOFFNUNGEN Was sich die Deutsche Bundesagentur für Ar­ beit von der Fussball- WM 2006 im eigenen Land erhofft. "J "J 
FORDERUNGEN Was die IG-Metall be­ treffend Infineon- Werk-Schliessung for­ dert 
und warum ge­ streikt wird. "| 1 B^NEWS Bushs Topwirtschaftsberater soll US-Notenbankchef werden FRANKFURT/WASHINGTON - Der erste Wirtschaftsberater von US-Präsident George W. Bush, Ben Bernanke, soll einer der mäch­ tigsten Zentralbanker der Welt werden. Der 51- Jährige, der als exzellenter Geldpolitiker und Querdenker gilt, soll nach dem Willen des Prä­ sidenten Nachfolger von US-Notenbankchef Alan Greenspan werden. Bernanke ist seit April Vorsitzender des wirtschaftlichen Bera­ terstabs von Bush und sass zuvor fast drei Jah­ re lang im Aufsichtsrat der Fed. Die Vita des zweifachen Vater liest sich wie das «Who is who» der amerikanischen Wissenschaftselite: Studium an der Harvard-Universität, Promo­ tion in Wirtschaftswissenschaften am Massa­ chusetts Institut of Technology und schliess­ lich Professor an der Princeton University. Auch wenn Bernanke eine stolze wissen­ schaftliche Karriere vorweisen kann, so räumte er doch einst ein: «Wirtschaft ist ein sehr schwieriges Thema. Ich habe es damit verglichen, wie es ist, ein Auto zu reparieren, während der Motor läuft.» Bernanke galt schon seit geraumer Zeit als einer der Top­ kandidaten für die Greenspan-Nachfolge En­ de Januar 2(M>6. Als unklar gilt die geldpoliti­ sche Richtung, die die Notenbank künftig un­ ter Bernanke 
einschlagen wird. Der Ökonom hatte sich in der Vergangenheit für die genaue Definition von Inflationszielen ausgespro­ chen. Greenspan hatte dagegen dafür plädiert, keine numerischen Ziele vorzugeben. Sollte die Nominierung vom Senat bestätigt werden, wird Bernanke Nachfolger Green- spans, der auf fast fünf Amtsperioden an der Ben Bernanke, soll bald ainar dar mSchtigs- tan Zantralbankar der Walt werden. Spitze der Fed zurückblicken kann. Der 79 Jahre alte Greenspan steht seit dem 11. Au­ gust 1987 an der Spitze der Fed. (AP) Deutsche Börse bestätigt - Francioni übernimmt Chefposten FRANKFURT/ZÜRICH - Der designierte Vorstandschef der Deutschen Börse, der Schweizer Reto Francioni, wird sein neues Amt am kommenden Dienstag übernehmen. | «Herr Francioni tritt sein Amt am 1. Novem- j ber an», sagte ein Unternehmenssprecher am | Montag der Nachrichtenagentur Reuters und ' bestätigte damit entsprechende Informationen ! aus Finanzkreisen. Der Aufsichtsrat des Frankfurter Marktbetreibers hatte den bishe­ rigen Chef der Schweizer Börse SWX am 10. Oktober zum Nachfolger des im Mai auf Druck opponierender Aktionäre um den Hedge Fonds TCI zurückgetretenen Werner Seifert berufen. (sda/reuters) 
Kontrolle hat Lücken Liechtenstein-Dialog: Globalisierte Finanzwirtschaft braucht hohe Moral FRANKFURT - «Gelder aus Asien und von den Ölgeschäften strö­ men nach Europa», sieht Gertru- de 
Tumpel-Gugerell als mögli­ ches Szenario. Als Mitglied des Direktoriums wird sie beim Liechtenstein-Dialog die Sicht der Europäischen Zentralbank einbringen. • Komalla Pfeiffe r Frau T\impel-Gugerell, wie viel Moral braucht die Finanzwirt­ schaft in einer globalisierten Welt? Gertrude T\impel-Gugerell: In einer globalisierten Welt spielen öf­ fentlich verfügbare Informationen eine entscheidende Rolle, da sich die wichtigen Akteure auf dem Fi­ nanzmarkt nicht mehr direkt kennen und gegenseitig kontrollieren. In diesem Rahmen ist die Diskussion zu «Corporate Governance» und ethisches Verhalten wichtig. Dabei sind zwei Strömungen zu erkennen: erstens Regelungen, die auf mehr Transparenz und Anlegerschutz ab­ zielen und zweitens, Massnahmen, die verhindern sollen, dass Gelder aus kriminellen Aktivitäten in und durch das Finanzsystem geschleust werden. Insgesamt braucht die Fi­ nanzwirtschaft in einer globalisier­ ten Welt hohe Moral, weil das Ver­ trauen viel wichtiger geworden ist, denn nationale Kontrollinstanzen reichen nicht mehr aus. Man schätzt, dass weltweit zwi­ schen 500 und 1000 Milliarden US-Dollar 
«gewaschen» werden. Wie wirkt sich der Missbrauch von Finanzplätzen auf das inter­ nationale Finanzsystem aus? Es gibt bereits strenge Gesetze. Im Moment arbeiten mehrere inter­ nationale Gremien an der Verbesse­ rung der Regelungen zu Offshore- Zentren. So unternimmt das Forum für Finanzmarktstabilität regelmäs­ sige Analysen der Offshore-Zentren. Des Weiteren sind auch der Interna­ tionale Währungsfonds, die Interna­ tionale Organisation der Wertpapier­ aufsichtsbehörden (IOSCO) und die Weltbank aktiv auf diesem Gebiet. Parallel dazu sind auch die Steuer­ behörden anspruchsvoller gewor­ den, denn je besorgter Regierungen bezüglich ihrer Steuereinnahmen werden, desto stärker bauen sie Druck auf und versuchen, Geldwä­ sche zu ahnden. Dennoch es gibt lei­ der immer noch Schlupflöcher. Mit welcher Entwicklung der globalen Finanzmärkte rechnen Sie in den nächsten fünf Jahren? Zu erwarten sind ein überdurch­ schnittliches Wachstum der Vermö­ gen und zur Altersversorgung eine verstärkte Notwendigkeit zur Er­ sparnisbildung. Des Weiteren sind folgende Szenarien zu erwarten: Gelder aus Asien und von den 
Öl-Gartrude 
Tumpel-Gugerell: Vertrauen ist viel wichtiger geworden ist, denn nationale Kontrollinstanzen reichen nicht mehr aus. geschälten strömen nach Europa. Anleger werden weiter versuchen ihr Geld in nicht regulierten Instru­ menten anzulegen, wie Hedge Fonds. Letzteres hat zur Folge, dass systemische Konsequenzen erst später erkannt werden. Schnell wachsende Systeme ma­ chen technische Widerstandsfähig­ keit wie Abwicklungskapazitäten immer wichtiger. Die Konsolidie­ rung im Bankensystem, insbeson­ dere im Euro-Raum, wird weiter zunehmen. Klare Regelungen für Aufsichtsbehörden und gute Quali­ tätskontrollen für die Praxis der Wirtschaftsprüfer werden immer wichtiger. Dabei gibt es jedoch kei­ ne perfekte Kontrolle, und somit tauchen gelegentlich Problemfälle auf. Das jüngste Beispiel ist hier der Fall von Refco Inc. Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main hütet die Stabilität des Euro. Wie trägt die EZB zur Wettbewerbsfähigkeit der Finanzzentren bei? Eine verlässliche Währung ist ein wesentlicher Beitrag. Die Eurozone ist mittlerweile global gesehen der zweitgrösste Kapitalmarkt. Emit­ tenten und Anleger haben grosses Vertrauen in den Euro. Darüber hinaus unterstützt die EZB aktiv die Entwicklung effektiver Regu­ lierung und die Kooperation der Aufseher. Die EU treibt den offenen Binnenmarkt für Finanzdienst­ leistungen voran, in dem faire Wettbewerbsbedingungen gelten sollen. Wie nah ist Europa die­ sem Ziel? 
Mir scheint, dass zwei drittel des Binnenmarktes bereits erreicht sind. Wir arbeiten stark daran die regula­ tiven Voraussetzungen zu vervoll­ ständigen, die Wirtschaft muss die Möglichkeiten, die geschaffen wur­ den, noch stärker nutzen. Der Regulierungsdruck auf die europäischen Finanzzentren wächst, ebenso der Margen-, Ko­ sten- und Innovationsdruck auf die privaten Akteure, während neue Finanzzentren anderswo entstehen. Welche Wege sehen Sie, mit diesem Dilemma umzu­ gehen? Harmonisierung, Standardisie­ rung und Internationalisierung ha­ ben die Regulierung vereinfacht. Es gibt aber auch überbesetzte Märkte, 
auf denen der Druck auf die Markt­ teilnehmer unausweichlich zu Kon­ solidierung und Umstrukturierung führen wird. Darüber hinaus tragen im Reguiierungsprozess von Basel II die Banken direkt selber Verant­ wortung dafür, wie sie die Risiken begrenzen. Wie verträgt sich die europäische Finanzmarktregulierung mit dem immer 
härteren internationalen Wettbewerb? Der Regulierungsgrad ist in der EU nicht höher als anderswo. Die Komplexität besteht aufgrund der verschiedenen Regulierungstradi­ tionen und der Koexistenz verschie­ dener Regulierungsebenen. Das Tempo der Veränderungen in der EU hat zugenommen. Die EU -hat die Gesetzgebungsverfahren be­ schleunigt. Es ist jedoch notwendig, der regulierten Industrie eine klare mittelfristige Perspektive zu geben. Fairer Wettbewerb braucht glei­ che Aufsichtsregeln und gleiche Aufsichtspraxis. Was können internationale Organisationen hierzu beitragen? Internationale Organisationen können dazu sehr viel beitragen. Sie bieten die Foren für Koopera­ tion. Als Beispiele sehe ich auf internationaler Ebene: den Baseler Ausschuss, den Internationalen Wahrungsfonds mit den Program­ men zur Beurteilung des Finanz­ sektors und das Forum für Finanz­ marktstabilität und auf euro­ päischer Ebene: die Lamfalussy Ausschüsse. Mit der Schaffung ei­ ner einheitlichen Geldpolitik hat die EZB einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet. Andere EZB Aktivitäten sind beispielsweise die Rolle des Eurosystems in der Kooperation mit diesen Ausschüs­ sen, Nutzeranforderungen für Infrastrukturen sowie die regelmäs­ sige Aufsicht des Eurosystems über die Zahlungsverkehrssysteme. PODIUMS DISKUSSION FÜR ALLE Beim Liechtenstein-Dialog zum Thema «Dynamik globalisierter Finanzmärkte» lädt die Regie­ rung die Bevölkerung zu einer hochkarätigen Podiumsdiskus­ sion ein. Nach Referaten von • Vaira Vike-Freiberga, Präsiden­ tin der Republik Lettland und • Hans Dieter Pötsch, Mitglied des Vorstands Volkswagen AG diskutieren diese mit • Otmar Hasler, Regierungschef Liechtensteins, • Silvana Koch-Mehrin, Vorsit­ zende der FDP im Europaparla­ ment, • Jean-Pierre Roth, Präsident des 
Direktoriums, Schweizerische Nationalbank. Donnerstag, 27. Oktober 2005, 16.15 bis 18 Uhr, im Auditorium der Hochschule Liechtenstein. Eintritt ist frei. Aus Platzgründen bitten wir um Anmeldungen, die nach Eingang berücksichtigt wer­ den:  office@dialoguo.lL Infoima- tionen zum Liechtenstein-Dialog: www.dialogue.li .  * ANZEIGE LIECHTENSTEIN DIALOGUE on the future oi financiai marki!?- i
	        

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