SAMSTAG, 8. OKTOBER 2005 M NOTRUF 33 Hotl ine: 377 40 40 
TAKINO «The Gidnt Buddhas» Ein halbes Jahr vor dem 11. September, im März 2001, sah die Welt entsetzt zu, wie die afghanischen Taliban im abge­ legenen Bamiyan-Tal zwei kolossale, in einer Berghöhle ste­ hende Buddha-Statuen in die Luft sprengten. Was die Tali­ ban als Protest gegen eine Welt «verkauften», die tatenlos zusehe, wie in Afghanistan gehungert werde, fasste eben die­ se Welt als Ausdruck islamistischen Fanatismus auf, der sich gegen jede andere als die islamische Kultur wende. Christian Frei («War Photographer») hat über dieses Drama einen filmischen Essay von eineinhalb Stunden gedreht, wie er sagt über «Fanatismus und Vielfalt, Terror und Toleranz, Igno­ ranz und Identität». Frei führt verschiedene Erziihlstränge zusammen, um den Spuren einer jahrhundertealten Kultur zu folgen. Er ver­ schmelzt den Bericht des berühmten chinesischen Wander­ mönchs Xuanzang mit den Gedanken der afghanisch-kanadi­ schen Schrittstellerin Nelofer Pazira, mit der Aussage des Au­ genzeugen Sayyed Mir/.a Hussain, mit dem Forscherdrang des afghanischen Archäologen und dem Bericht jenes Al-Ja- zeera-Journalisten, der als einziger die Zerstörung gefilmt hat. Christian Frei liefert einen spännenden und nachdenklich stimmenden Beitrag zur Debatte der Zeit, ohne das Wort «Terrorismus» überzustrapazieren. Wenn er mit seinem Film anklagt, dann subtil und ohne konkrete Adressaten. Poesie ist mitunter sein Ausdrucksmittel, dazu trägt Kameramann Peter Indergand mit Aufnahmen von mythischer Kraft bei. «The Giant Buddhas» ist von heute Samstag bis zum kom­ menden Montag um 20 Uhr im Takino zu sehen. «Land of the dead» Die USA, wie wir sie kennen, gibt es schon lange nicht mehr - zumindest in der Parallelwelt, die George A. Rome- ro in den vier Teilen seiner «Living Dead»-Saga erschaffen hat. Seit «Night of the Living Dead» 1968 haben die Zom- bies Amerika nach und nach in ein «Land of the dead» ver­ wandelt. Romero hat das als konservativ geltende Horrorki­ no politisch auf den Kopf gestellt. Nach Pittsburgh wagt sich keiner mehr ausser einer Grup­ pe bewaffneter Soldnern. Sie erledigen die Drecksarbeit für den Finanzmagnaten Kaufman, Kopf einer korrupten Elite. 20 Jahre nachdem Roinero seine Zombie-Chroniken mit «Day of the dead» an einen Endpunkt geführt hatte, markiert «Land of the dead» einen radikalen Neubeginn. Ging früher mit den apokalyptischen Zuständen immer auch die Hoff­ nung auf einen Neubeginn durch die Menschen einher, scheint Romero diese verloren zu haben. In «Land of the dead» zeigt er ein System, das erschre­ ckende Parallelen zum gegenwärtigen Amerika aufweist, in dem Kaufman von der Krawatte bis zur skrupellosen Politik an George W. Bush erinnert. Vor diesem Hintergrund insze­ niert Romero ein Revolutionsstück, dessen Dynamik atem­ beraubend ist. «Land of the dead» ist heute Samstag um 22 Uhr im Taki­ no zu sehen. «Palindromes» Todd Solondz erzählt in seinem neuen Film wieder eine Geschichte, deren Ursprünge in Suburbia lie­ gen. Die amerikanische Vorstadt ist erneut Kulisse für das Schockierende, das Traumatische. Dieses Mal ist es Aviva, mit deren Erlebnissen der Regisseur und Drehbuchautor uns vielleicht erschrecken, vielleicht amüsieren will. «Palindromes» beschäftigt sich 
mit einem sehr heik­ len Thema, das so absurd und gleichzeitig auf schmerzhafte Weise eindringlich darge­ stellt wird, dass man manchmal nicht weiss, ob man lachen oder weinen soll: Der 12-jährigen Aviva Victor (Bild) kommt ihre Existenz dermassen trist vor, dass sie sich sehnlichst je­ manden wünscht, den sie lieben kann, der nur ihr gehört. Sie möchte ein Baby bekommen. Unter diesen Umständen liegt nichts näher als das, was Aviva schliesslich auch tut -,sie j 
lässt sich von einem älteren Jungen schwängern. Als ihre El­ tern von der Schwangerschaft erfahren, zwingen sie Aviva [ jedoch zur Abtreibung. Aber das Mädchen ist noch nicht be- i 
reit, ihren Traum von der Mutterschaft aufzugeben. Mit der ' festen Absicht, doch noch zu ihrem Baby zu kommen, läuft : sie von zuhause weg und begibt sich auf eine verwirrende und beängstigende Reise durch den Süden der USA. Auf dieser Reise lässt Solondoz Aviva von verschiedenen Schauspielerinnen und einem Schauspieler darstellen. Ein und dieselbe Aviva ist mal weiss, mal schwarz, mal dick, mal dünn, mal weiblich, mal männlich. Ihre Geschichte ist unter­ teilt in Segmente, die sich in ihrer Gesamtheit, genau wie Avivas Name, als Spiegelung sehen lassen. Dass Aviva mög- | licherweise und allen Anstrengungen zum Trotz immer Avi- j 
va bleibt, ist also keinesfalls ausgeschlossen. «Palindromes» ist heute Samstag und morgen Sonntag um 18 Uhr sowie am kommenden Dienstag um 20 Uhr in Taki­ no zu sehen. (PD) 
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